Die Gaslieferungen durch das von der Ukraine angegriffene Grenzgebiet Kursk laufen über den Knotenpunkt Sudscha nach Angaben des Energiekonzerns Gazprom weiterhin wie gewohnt. Eine entsprechende Erklärung gab Gazprom-Sprecher Sergei Kuprijanow am Freitagmorgen ab. "Gazprom liefert russisches Gas für den Transit durch die Ukraine in der von der ukrainischen Seite über die Sudscha-Station bestätigten Menge von 38,5 Millionen Kubikmeter ab dem 9. August", sagte Kuprijanow.
Allerdings besteht das Risiko eines plötzlichen Stopps der russischen Gaslieferungen durch die Ukraine. Analysten von der ING-Bank melden, es gebe unbestätigte Berichte, wonach die ukrainischen Truppen die Sudscha-Station eingenommen hätten. Sollte sich diese Information bestätigen, steige das Risiko eines plötzlichen Stopps der Gasströme. Der europäische Gasmarkt bereitet sich bereits auf das Auslaufen des Transitvertrags zwischen Gazprom und der Ukraine und ein Ende der geplanten Lieferungen vor. Ein möglicher früherer Ausfall der russischen Gasexporte wäre allerdings ein Schock für das System, so die Experten.
Bislang haben weder Russland noch die Ukraine eine Unterbrechung angekündigt. Gazprom erklärte, es werde am Freitag weiterhin Gas durch die Ukraine transportieren. Auch der Gasnetzbetreiber Operator GTS Ukraine erklärte, der Betrieb laufe weiter, wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet.
Allerdings hat ein Land bereits Maßnahmen ergriffen. Am Donnerstagabend erklärte Moldawiens Kommission für Ausnahmesituationen auf Telegram, dass die Regierung vorbeugende Maßnahmen zur Gewährleistung der Energiesicherheit des Landes ergriffen und eine Frühwarnstufe für den Gassektor eingeführt habe. Die Kommissionsmitglieder hätten jedoch festgestellt, dass derzeit keine Störungen oder Risiken unmittelbarer Unterbrechungen bestünden.
Mehrere Länder in Europa erhalten über diese Route Gas aus Russland. Seit Kriegsbeginn in der Ukraine haben viele von ihnen Maßnahmen ergriffen, um ihre Abhängigkeit von russischem Gas zu verringern. Die Hauptempfänger seien davor Österreich, die Slowakei, Italien, Ungarn, Kroatien, Slowenien und Moldawien gewesen, so die Agentur. Österreich erhalte immer noch den größten Teil seines Gases über die Ukraine, während andere EU-Länder ihre Gasquellen diversifiziert und Schritte zur Reduzierung der Nachfrage ergriffen hätten.
Wie es heißt, seien Kroations Importe nun auf einem minimalen Stand und die Importe Sloweniens seien fast vollständig eingestellt, nachdem der Vertrag des Hauptgaslieferanten Geoplin mit Gazprom im vergangenen Jahr ausgelaufen sei, berichtet Reuters.
Falls der Transit über den Knotenpunkt Sudscha durch die Ukraine eingestellt wird, könnte Österreich den Brennstoff aus Italien und Deutschland importieren, so Reuters. Außerdem habe die Regierung des Landes erklärt, dass sie Vorsichtsmaßnahmen getroffen habe, falls die Gaslieferungen aus Russland ausfallen. Ungarn erhalte Gas aus Russland über die TurkStream-Pipeline, während Slowenien sein Gas aus Algerien und anderen Quellen importiere, berichtet die Agentur. Italien beziehe den größten Teil seines Gases aus Aserbaidschan und Algerien.
Jedoch ziehen die Hauptempfänger des Gases aus Russland noch andere Optionen für den Transit über die Ukraine in Erwägung. Der slowakische Gasversorger SPP erklärte, dass ein Konsortium europäischer Gasabnehmer das Gas an der russisch-ukrainischen Grenze übernehmen könnte, nachdem der Transitvertrag ausläuft. Aber es sei unklar, wie dies umgesetzt werden könnte, so Reuters. Eine weitere Möglichkeit bestehe darin, dass Gazprom einen Teil der Erdgasmengen über eine andere Route liefere, zum Beispiel über die TurkStream-Pipline, Bulgarien, Serbien oder Ungarn. Allerdings sei die Kapazität über diese Routen begrenzt, erklärt die Agentur.
Gazprom könnte theoretisch einen Teil der Erdgaslieferungen auf die TurkStream-Gaspipeline übertragen, berichtet der Experte Alexander Sobko in einem Beitrag für die Zeitung Kommersant. Zwar sei die TurkStream-Pipeline derzeit fast vollständig ausgelastet, dies sei aber nicht immer der Fall. Falls der Transit über Sudscha durch die Ukraine eingestellt werde, könne ein Teil der Erdgasmengen über die türkische Route transportiert werden.
Außerdem könnte das über die Ukraine gelieferte russische Gas in Europa durch zusätzliche LNG-Lieferungen ersetzt werden. Sobko weist auch darauf hin, dass der Gastransit über die Sochranowka-Anlage im Gebiet Rostow, der im Mai 2022 ausgesetzt wurde, eher aus politischen als aus technischen Gründen außer Betrieb sei. Falls alle Parteien zustimmten, könnten Lieferungen auch über diesen Punkt organisiert werden.
Wegen der Kämpfe nahe Sudscha wächst in der EU die Sorge vor einem plötzlichen Wegfall der Gaslieferungen aus Russland entlang der ukrainischen Route noch vor dem Auslauf des Transitvertrags mit Gazprom. Das aktuelle fünfjährige Abkommen, das die Versorgung der europäischen Kunden mit russischem Gas regelt, läuft am 31. Dezember aus. Der Vertrag zwischen der EU, Naftogas und Gazprom wurde am 30. Dezember 2019 unterzeichnet. Es sieht den Transit von 65 Milliarden Kubikmeter im Jahr 2020 vor und jeweils 40 Milliarden Kubikmeter in den Jahren darauf.
Unterdessen fordern die EU und die Ukraine Aserbaidschan auf, die Gespräche mit Russland über den Gastransit zu erleichtern, wie ein namentlich nicht genannter aserbaidschanischer Präsidentenberater gegenüber Reuters berichtete. Die EU unternahm Schritte, um die Gasimporte zu diversifizieren. Brüssel unterzeichnete eine Vereinbarung über die jährliche Verdoppelung der Einfuhren von Gas aus Aserbaidschan auf mindestens 20 Milliarden Kubikmeter bis zum Jahr 2027. Der Berater sagte jedoch gegenüber Reuters, dass die Infrastruktur und die Finanzierung noch nicht vorbereitet seien.
Experten erwarten, dass der Gasverbrauch in Aserbaidschan selbst steigen wird. Daher werde das Land nur etwa 1,7 Milliarden Kubikmeter für zusätzliche Exporte zur Verfügung stellen können. Zudem gebe es wenig freie Kapazitäten, um die zusätzliche Gasmenge nach Europa zu transportieren.
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