Wehrdienstverweigerung: 800.000 ukrainische Männer im "Untergrund"

Ukrainische Wehrdienstverweigerer, die im "Untergrund" leben, können nur noch schwarz arbeiten. Das wird zunehmend zum Problem für kriegswichtige Unternehmen, die unter Arbeitskräftemangel leiden. Ein Kiewer Abgeordneter fordert nun gesetzliche Wehrdienstbefreiungen.

Schätzungsweise 800.000 ukrainische Männer sind wegen drohender militärischer Mobilisierung in den "Untergrund" gegangen. Das erklärte der Kiewer Abgeordnete Dmitri Natalucha, gegenüber der Financial Times (FT). Der Parlamentarier plädiert für wirtschaftlich motivierte Ausnahmen von der Wehrpflicht.

Kiew hat Anfang des Jahres ein neues, strenges Wehrpflichtverfahren eingeführt. Mit der Androhung schwerer Strafen soll die Wehrdienstverweigerung verhindert werden. Infolgedessen seien legal in der Ukraine tätige Unternehmen nun gegenüber den Unternehmen der "Schattenwirtschaft" benachteiligt, hieß es in der FT am Sonntag. Um nicht aufzufallen, änderten Wehrdienstverweigerer ihre Adressen und bevorzugten Barzahlungen.

"Wir arbeiten am Limit", teilte der Personalleiter eines großen Stahlwerks gegenüber der Zeitung mit und erläuterte die Probleme, mit denen sein Unternehmen aufgrund des Arbeitskräftemangels konfrontiert ist. Die FT berichtete weiter, wie ukrainische Abgeordnete das Problem durch eine Neuregelung der Wehrpflichtbefreiung nun angehen wollen.

Ein Vorschlag vom Vorsitzenden des Ausschusses für wirtschaftliche Entwicklung, Natalucha, würde es Unternehmen ermöglichen, bis zu 50 Prozent ihrer Beschäftigten gegen Zahlung einer Pauschalgebühr von etwa 490 US-Dollar pro Monat von der Mobilisierung auszunehmen. Ein konkurrierender Gesetzesentwurf würde alle Personen mit einem Lohn über einem Schwellenwert von 890 US-Dollar schützen. Diese Personen seien vermutlich von größerem Wert für die Kriegführung, wenn sie einen Beitrag zur Wirtschaft leisteten, als wenn sie in den Kampf geschickt würden, hieß es.

Natalucha erklärte gegenüber der Financial Times, dass sein Vorschlag rund 895.000 Männer vom Militärdienst ausnehmen und etwa 4,9 Milliarden Dollar für die Kriegskasse Kiews einbringen würde. Gegenüber ukrainischen Medien hatte er zuvor argumentiert, dass sein Gesetzentwurf der Alternative vorzuziehen sei. Denn sein Vorschlag schüre nicht den Eindruck, dass nur arme Menschen kämpfen müssten, die sich nicht durch Bestechung aus der Wehrpflicht befreien könnten. Nach seinen Schätzungen zahlen die Ukrainer insgesamt zwischen 700 Millionen und 2 Milliarden Dollar pro Jahr, um sich auf betrügerische Weise der Mobilisierung zu entziehen.

Gemäß der derzeitigen Regelung kann die Regierung entscheiden, welche Behörden und Unternehmen für die Ukraine wichtig sind, und Wehrpflichtige teilweise oder vollständig von der Mobilisierung befreien. Die Regeln wurden zuletzt im vergangenen Monat aktualisiert. Demnach werden 100 Prozent der Mitarbeiter, die für vom Ausland geförderte, politische Nichtregierungsorganisationen arbeiten, von der Mobilisierung ausgenommen.

Moskau betrachtet den Konflikt als einen von den USA gesteuerten Stellvertreterkrieg, in dem die Ukrainer als "Kanonenfutter" dienen und von ihrer vom Westen abhängigen Regierung zum Kampf gezwungen werden.

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