Kiew bekommt die ersten F-16-Kampfflugzeuge, die die Luftabwehr des Landes verstärken sollen, in den kommenden Wochen. Neben der Lieferung der Jets sieht die Vereinbarung mit den westlichen Verbündeten der Ukraine auch die Ausbildung von Piloten und Bodenpersonal vor. Darin besteht die Strategie der ukrainischen Führung gegen russische Luftstreitkräfte.
Allerdings habe Russland dank Überwachungsdrohnen die Lücken in den Luftverteidigungssystemen der Ukraine ausgenutzt, um die Dominanz am Himmel entlang der Front zu behalten, berichtet die Zeitung The New York Times.
Mit Angriffen auf ukrainische Luftwaffenstützpunkte wolle Russland seine Entschlossenheit demonstrieren, die Wirkung der Flugzeuge zu begrenzen, noch bevor sie im Kampf eingesetzt würden, so das Blatt. Zudem machten diese Angriffe deutlich, vor welchen Herausforderungen die Ukraine stehe, während sie sich darauf vorbereite, die F-16 erstmals einzusetzen.
Die F-16 seien mit modernen elektronischen Kampfführungssystemen und weiteren neuen Komponenten ausgestattet. Das ukrainische Militär plane, die F-16 in Koordination mit anderen vom Westen gelieferten Waffen wie Patriot-Luftabwehrsystemen einzusetzen, schreibt das Blatt. Allerdings werde der Mangel an Piloten, die an den F-16 ausgebildet seien sowie die geringe Anzahl der versprochenen Jets die unmittelbare Wirkung der Flugzeuge einschränken, schrieb die Zeitung mit Bezugnahme auf Experten.
"Russland hatte so viel Zeit, um seine Verteidigung zu stärken, besonders entlang der Frontlinie", erklärte Hunter Stoll, ein Verteidigungsanalyst bei der US-Forschungsorganisation RAND, gegenüber der Zeitung. "Die F-16 und ihre Piloten werden auf harten Widerstand der russischen Luftabwehrsysteme sowohl am Himmel als auch auf dem Boden stoßen", fügte er hinzu.
Die Lieferung der F-16 finde zu einem Zeitpunkt großer Unsicherheit im Krieg statt, so das Blatt. Die russischen Streitkräfte sind auf dem Vormarsch entlang der gesamten Front, während das ukrainische Energiesystem lahmgelegt wurde. Zudem könnten die Ergebnisse der kommenden US-Präsidentschaftswahlen die zukünftige Militärhilfe Washingtons an Kiew stark beeinflussen.
Ein weiteres Problem beim Einsatz der F-16 sei die geringe Anzahl der Piloten. Nach Angaben von US-Beamten sollen etwa 20 von ihnen noch in diesem Jahr in Trainingszentren in den USA, den Niederlanden und Dänemark die Ausbildung abschließen. Normalerweise müssten mindestens zwei Piloten pro Flugzeug zugewiesen werden, für die Ruhezeiten der Besatzung und die Ausbildung, meinten Offiziere der US-Luftwaffe. Dies bedeute, dass die ukrainischen Luftstreitkräfte dieses Jahr maximal zehn F-16 dieses Jahr könnten. Laut Experten bestehe ein weiteres großes Problem darin, dass es nicht genug ausgebildetes Wartungspersonal gebe, um die F-16 in Betrieb zu halten. Die ukrainischen Streitkräfte müssten zuerst die Sicherheit für die F-16 stärken, bevor sie eingesetzt werden könnten, so die Zeitung.
Russland modernisiere seine Raketen und Aufklärungsdrohnen, sodass "wir sie mittels elektronischer Kampfführung nicht beeinflussen können", sagte Juri Ignat, ein Vertreter der ukrainischen Luftwaffe, gegenüber dem Blatt. Außerdem würden die russischen Aufklärungsdrohnen für den Einsatz tief ins Territorium der Ukraine so programmiert, dass sie schwieriger zu entdecken seien. Vergangene Woche erklärte der Oberbefehlshaber der ukrainischen Streitkräfte Alexander Syrski, dass die ukrainische Armee dringend neue Mittel für die Vernichtung der russischen Kampfdrohnen finden müsse.
Sergei Golubzow, Befehlshaber der ukrainischen Luftstreitkräfte, erklärte gegenüber der Zeitung, er erwarte mehr Angriffe auf ukrainische Militärflugplätze. Deswegen plane Kiew nicht, alle gelieferten F-16 auf dem Territorium der Ukraine zu stationieren. "Eine gewisse Anzahl der Flugzeuge wird auf sicheren Flugplätzen außerhalb der Ukraine stationiert, sodass sie dort nicht getroffen werden können", sagte er. Diese Reserve werde bei Bedarf eingesetzt, wenn Flugzeuge defekt oder aufgrund der routinemäßigen Wartung vorübergehend funktionsunfähig seien.
Golubzow betonte, dass die F-16 allein für die Verteidigung nicht ausreichen würden. Die Kampfflugzeuge würden zusammen mit bodengestützten Luftabwehrsystemen wie den Patriots und dem NATO-Datenaustauschsystem Link 16 eingesetzt. Der Prozess werde Zeit brauchen, sagte er, und es gebe eine Reihe von Faktoren wie zum Beispiel den Mangel an Luftabwehrsystemen, die die Ukraine dringend benötige.
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