Baku vermittelt in Gesprächen über Fortsetzung des Gastransits aus Russland durch die Ukraine

Verhandlungen mit Moskau, Kiew und der EU über die Aufrechterhaltung der Gaslieferungen aus Russland durch die Ukraine sind laut Aserbaidschans Präsident Ilham Alijew im Gange. Baku tritt als Vermittler bei den Gesprächen auf – und sieht Chancen auf Gewinne.

Aserbaidschan führt Gespräche über die Fortsetzung der russischen Gaslieferungen in die EU-Staaten durch eine Pipeline in der Ukraine. Dies hat der aserbaidschanische Präsident Ilham Alijew am Wochenende am Rande des Internationalen Medienforums in der Stadt Schuscha angekündigt, wie das aserbaidschanische Nachrichtenportal Vesti.az berichtet.

Kiew und Brüssel hätten sich an ihn gewandt, ihnen beim Abschluss eines neuen Gasabkommens zu helfen, so Alijew. "Die beiden Seiten scheinen daran interessiert zu sein, weil die Ukraine selbst dieses Gas braucht. Wir verhandeln derzeit mit Russland darüber. Und wenn wir helfen können, dann tun wir das", so Alijew. Außerdem müssten Länder wie Österreich und die Slowakei die Folgen tragen, falls es zu Lieferstopps über die Ukraine komme. Sie müssten "Hunderte Millionen Dollar" ausgeben, um russisches Gas durch Lieferungen aus anderen Quellen zu ersetzen, betonte Alijew.

Anfang Juni berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg, dass europäische Politiker Verhandlungen mit Kiew über Gaslieferungen durch eine Pipeline zwischen Russland und der Ukraine ab 2025 führen. Eine der diskutierten Optionen sei, dass EU-Unternehmen Gas aus Aserbaidschan kaufen und dies über russische Pipelines nach Europa liefern, so Bloomberg

Anfang des Monats hat der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij in einem Interview mit Bloomberg die Aufnahme der Verhandlungen bestätigt. "Derzeit werden alternative Schritte in Betracht gezogen, wie wir die Pipeline mit einem anderen Gaslieferanten, einem anderen Land nutzen können. Die Verhandlungen laufen", sagte er.

Aserbaidschans Vermittlung bei den Verhandlungen über die Verlängerung des Gasabkommens werde nicht nur das Image des Landes auf der internationalen Ebene stärken, sondern angesichts des Rückgangs seiner Ölexporte ermöglichen, zusätzliche Gelder zu verdienen, erklärte Nijazi Nijasow, ein Experte für militärische Sicherheit der Südkaukasusstaaten, gegenüber der Zeitung Wedomosti. Russisches Gas sei niemals ein Konkurrent Aserbaidschans auf dem europäischen Gasmarkt gewesen. "Alijew ist ein Mann von Wort, und viele Politiker kennen dieses Merkmal der Außenpolitik von Baku. Ich denke, dass interessierte Parteien seine Vermittlungsfähigkeiten in Anspruch nehmen wollen, angesichts der Tatsache, dass Europas Bedarf an Gas nicht abnimmt", fügte Nijasow hinzu. 

Theoretisch könnten interessierte Parteien das Gas des ukrainischen Konzerns Naftogaz durch Gas des staatlichen aserbaidschanischen Energieunternehmens Socar für Lieferungen aus Russland nach Europa ersetzen. Dies erklärte Alexei Griwatsch, der stellvertretende Generaldirektor des russischen Nationalen Fonds für Energiesicherheit, gegenüber Wedomosti. Allerdings werde Socar nicht in der Lage sein, den vollen Umfang der russischen Erdgaslieferungen zu ersetzen, selbst wenn Baku seinen Gasexport in die Türkei, der etwa 10 Milliarden Kubikmeter beträgt, nach Europa umleitet, meinte der Experte.

Griwatsch betonte, dass ein Wegfall des Gastransits aus Russland zu Preiserhöhungen auf dem europäischen Gasmarkt führen werde. Trotz des Endes der Heizperiode seien die Preise im Zeitraum von Februar bis Juni bereits um ein Drittel gestiegen, auch aufgrund der Rhetorik der ukrainischen Führung. "Bisher wurde der Speicher-Hub Baumgarten in Österreich, der die Verbraucher in Mitteleuropa versorgt, mit russischem Gas befüllt. Wahrscheinlich wird man versuchen, den russischen Brennstoff durch den Zukauf von Gas aus Zentralafrika über Italien zu ersetzen. Es gibt aber keine freien Mengen auf dem Markt", erklärte Alexei Griwatsch.

Das aktuelle fünfjährige Abkommen, das die Versorgung der europäischen Kunden mit russischem Gas regelt, läuft am 31. Dezember aus. Der Vertrag zwischen der EU, Naftogas und Gazprom wurde am 30. Dezember 2019 unterzeichnet. Er sieht den Transit von 65 Milliarden Kubikmeter im Jahr 2020 vor und jeweils 40 Milliarden Kubikmeter in den Jahren darauf.

Anfang Juli kündigte Alexander Nowak, Russlands Vizepremier, gegenüber Journalisten an, dass die Gaslieferungen über die Ukraine in die europäischen Länder auch nach 2024 von den ukrainischen Behörden abhängig seien. "Der Transit durch ihr Territorium hängt von der Ukraine ab. Sie hat ihre eigenen Regeln. Es kommt auf ihre Wünsche an. Russland ist zur Lieferung bereit."

Vergangene Woche erklärte Alexei Tschernyschow, Geschäftsführer des staatlichen ukrainischen Energiekonzerns Naftogaz, dass das Unternehmen keine Gespräche mit Gazprom führen werde. "Naftogaz wird unwiderruflich keine Verhandlungen mit Gazprom über die Verlängerung des Vertrags führen. Ich nehme an, dass das Gastransportsystem der Ukraine und der Transit funktionieren müssen, aber ohne Gazprom", sagte er in einem Interview mit dem ukrainischen Nachrichtenportal LB.ua.

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