Ein Kommentar im Handelsblatt kommt zu dem Schluss, dass die Sanktionspolitik der EU gegen Russland gescheitert ist. Eine Studie, die das Bundeswirtschaftsministerium bei gleich vier Wirtschaftsforschungsinstituten in Auftrag gegeben hat, stellte demnach fest, dass die Sanktionen die Fähigkeit Russlands, einen Krieg zu führen, bisher nur wenig beeinträchtigt haben. Angesichts des Rüstungsbooms wachse die russische Wirtschaft kräftig, stellt die Zeitung fest. Nun hoffe man in der EU darauf, dass die Sanktionen "wenigstens langfristig wie ein schleichendes Gift" wirken.
"Nüchtern betrachtet muss man die Sanktionspolitik des Westens als gescheitert bezeichnen. Wenn es darum geht, einen Krieg zu beenden, müssen Sanktionen rasch wirken und nicht erst auf sehr lange Frist."
Weiterhin wird im Handelsblatt-Kommentar festgestellt, dass Russland auf lange Sicht "ohnehin wieder unbeschränkt am Welthandel teilnehmen wird, ob uns dies nun gefällt oder nicht".
"Das langfristig wirkende Gift schadet uns dann möglicherweise selbst, zum Beispiel durch höhere Preise für Öl und Gas. Verwundbar dafür geworden sind wir, weil nicht ausreichend in die Förderinfrastruktur investiert wurde."
Falsch sei in erster Linie das Herangehen an die Sanktionen, die den Import von Energieträgern betrafen. Durch die Sanktionen seien die Preise für Öl und Gas erst gestiegen, womit sich die EU viel mehr geschadet habe als der russischen Wirtschaft. Weiterhin konstatiert die Zeitung:
"Den Verzicht auf den Import von Öl und Gas durch die EU mag man moralisch begrüßen. Man sollte ihn aber nicht mit Sanktionen verwechseln. Zum einen, weil einige Länder wie Österreich und Ungarn weiterhin Öl und Gas aus Russland beziehen. Zum anderen, weil auch Deutschland das tut, beispielsweise über den Import von Diesel aus Indien, der mit russischem Öl hergestellt wird. Im Ergebnis zahlen wir mehr, ohne Russland nennenswert geschwächt zu haben."
Auch das Einfrieren der russischen Vermögenswerte sei eine sehr fragwürdige Praxis:
"Auch dies dürfte Russland nur wenig beeindrucken, dafür umso mehr andere Staaten der Welt, die nun befürchten müssen, ebenfalls einmal Ziel einer solchen Sanktion zu werden."
Seitdem gebe es Bemühungen um ein "großes Umschichten aus europäischen und amerikanischen Staatsanleihen in Gold", auch die Pläne zum Aufbau eines parallelen Währungssystems in Konkurrenz zum US-Dollar bekämen weiteren Auftrieb. Vor diesem Hintergrund klinge die Bloomberg-Meldung, dass Saudi-Arabien mit dem Verkauf aller Staatsanleihen gedroht habe, "nicht so unwahrscheinlich". Der Artikel schließt mit den Worten:
"Wer auch immer für die Ausgestaltung der Sanktionspolitik des Westens zuständig ist, Grundwissen über ökonomische Zusammenhänge und die Rolle von Angebot und Nachfrage scheint nicht vorhanden zu sein. Für diese Erkenntnis braucht man kein Gutachten von vier Wirtschaftsforschungsinstituten."
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