"EU-Chefdiplomat" Josep Borrell hat als Reaktion auf die Moskau-Reise des ungarischen Regierungschefs Viktor Orbán den Boykott eines geplanten Außenministertreffens in Budapest angekündigt. Er werde stattdessen nach Ende der Sommerpause zu einem Treffen nach Brüssel einladen, kündigte Borrell am Montag an.
Auf der Plattform X schrieb der EU-Kommissar für Außen- und Sicherheitspolitik:
"Ich habe beschlossen, nach der Sommerpause informelle Treffen der EU-Außen- und Verteidigungsminister in Brüssel einzuberufen. Beim heutigen FAC kritisierten die EU-Mitgliedstaaten mit überwältigender Mehrheit den Mangel an aufrichtiger und loyaler Zusammenarbeit Ungarns."
Die Entscheidung fiel nach dem heutigen EU-Außenministertreffen in Brüssel und offenbar gegen den erklärten Willen von Ländern wie Deutschland, Spanien und Luxemburg.
Wie mehrere Medien, unter anderem die Tagesschau, berichten, soll es bei der Frage eines möglichen Boykotts des unter dem Vorsitz Ungarns stattfindenden Außenministertreffens während der Beratung am Montag heiß hergegangen sein. So soll etwa Luxemburgs Außenminister Xavier Bettel die Absicht, das Treffen in Budapest zu boykottieren, Schwachsinn genannt und dafür geworben haben, nach Budapest zu reisen und dort der ungarischen Regierung die Meinung zu sagen.
Gegen den Boykott-Vorschlag stimmten auch Länder wie Spanien und Slowenien. Hinter den Kulissen soll sich nach Angaben von Diplomaten selbst die deutsche Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) gegen Borrells Idee ausgesprochen haben, ebenso Vertreter von Italien und Frankreich.
Auf der anderen Seite sollen Länder aus Nordosteuropa wie Polen. Litauen und Schweden gestanden haben. Diese hatten als Reaktion auf die Reise Orbans nach Moskau bereits vor Tagen angekündigt, vorübergehend keine Minister zu Treffen nach Budapest zu entsenden.
Zu den Regularien der Europäischen Union gehört, dass sich die Mitgliedstaaten beim Vorsitz im Europäischen Rat, also den Treffen der Fachminister der Länder oder ihrer Regierungschefs, abwechseln. Ab Anfang Juli ist Ungarn mit dem Vorsitz im EU-Rat an der Reihe. Eine Situation, bei der die Arbeit des Gremiums wegen eines anderen Mitgliedsländern nicht genehmen Vorsitzes boykottiert wurde, hat es in der Geschichte der EU bislang nicht gegeben.
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