Die NATO plant, ihre Truppen um bis zu 50 Brigaden aufzustocken, berichtet Reuters am Montag. Einer Quelle der Agentur zufolge, benötige das Bündnis zwischen 35 und 50 zusätzliche Brigaden, um seine neuen Pläne zur Verteidigung gegen einen "Angriff aus Russland" vollständig umsetzen zu können.
Die mit dem Vorhaben vertraute anonyme Militärquelle innerhalb der Allianz, lehnte es ab, weitere Einzelheiten zu den geheimen Plänen zu nennen. Da jede Brigade aus 3.000 bis 7.000 Soldaten besteht, würde die Schaffung von zusätzlichen Einheiten dieser Art eine große Herausforderung darstellen, so der Reuters-Informant. Auch müsse Deutschland seine Luftabwehrkapazitäten vervierfachen.
Es wird erwartet, dass die Staats- und Regierungschefs der NATO diese Woche in Washington auf einem Gipfel anlässlich des 75-jährigen Bestehens des transatlantischen Militärbündnisses über die Pläne informiert werden. Auf Nachfrage erklärte ein NATO-Beamter, die Militärplaner des Bündnisses hätten "detaillierte Anforderungen an Truppen und Waffen ermittelt, die zur Verteidigung des Bündnisses benötigt werden".
"Luft- und Raketenabwehr, Langstreckenwaffen, Logistik sowie große Landmanöververbände gehören zu unseren obersten Prioritäten", so der Beamte weiter.
"Die NATO wird wahrscheinlich anspruchsvollere Fähigkeitsziele für die Verbündeten festlegen, da wir Streitkräfte entwickeln, die unsere Pläne umsetzen und den Bedrohungen, denen wir ausgesetzt sind, begegnen können. Wir sind zuversichtlich, dass unsere Abschreckung stark ist und so auch bleiben wird".
Das Verteidigungsministerium in Berlin lehnte es ab, sich zu den künftigen Plänen der NATO zu äußern, da diese geheim seien. Es sagte, dass alle Verbündeten aufgerufen seien, sich mit der NATO über den Bedarf an Fähigkeiten abzustimmen, und dass sich diese Bemühungen bis ins nächste Jahr erstrecken würden.
Es sei allerdings unklar, woher die NATO-Verbündeten das zusätzliche Personal für 35 bis 50 Brigaden nehmen könnten, so Reuters weiter. Es könnten Truppen aus anderen Teilen der Streitkräfte verlegt werden, es könnten zusätzliche Soldaten rekrutiert werden, oder die NATO-Mitglieder könnten sich für eine Mischung aus beiden Ansätzen entscheiden.
Ein weiteres großes Defizit, das die Militärplaner der NATO festgestellt haben, sei die Luftverteidigung, denn der Krieg in der Ukraine habe gezeigt, wie wichtig diese Systeme für den Schutz bedeutender militärischer und ziviler Infrastrukturen sind. Solche Systeme wären für Deutschland als wichtiges logistisches Drehkreuz und Aufmarschgebiet in einem möglichen Konflikt mit Russland von besonderer Bedeutung.
Auf praktischer Ebene bereiten sich die NATO-Mitgliedsstaaten seit Jahren aktiv auf eine militärische Konfrontation mit Russland vor. Das neue Modell der Allianztruppen, das noch auf dem Gipfel von Madrid 2022 festgelegt wurde, und die auf seiner Grundlage vorbereiteten regionalen Pläne setzen voraus, dass zusätzlich zu den bereits an Russlands Grenzen stationierten Truppen ein beträchtlicher Truppenverband in der Stärke von 300.000 Mann innerhalb von 30 Tagen aufgestellt wird.
Die Grundlage für ersteres bilden Kontingente aus zentral- und osteuropäischen Ländern, die aktiv aufgestockt und modernisiert werden. Besonders tut sich dabei Polen hervor, das den gleichen Status des Hauptbollwerks der NATO in Europa beansprucht, den in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Bundeswehr innehatte. Die Aufstockung des Militärs auf 300.000 Mann soll Polens Streitkräfte in die größte Landarmee unter den europäischen Mitgliedern der Allianz verwandeln.
Auch Deutschland baut seine Militärpräsenz an der Ostflanke der NATO auf. Eine Panzerbrigade der Bundeswehr mit 5.000 Militärangehörigen soll im litauischen Rukla bis Ende 2027 auf ständiger Basis stationiert werden. "Mit dieser kriegstüchtigen Brigade übernehmen wir eine Führungsverantwortung im Bündnis hier an der NATO-Ostflanke", sagte der Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius im Dezember.
Bei den zahlreichen Militärmanövern üben NATO-Mitglieder offen Szenarien von Kampfhandlungen an potenziellen Kriegsschauplätzen in Ost- und Nordeuropa. Besonderes Augenmerk wird dabei auf die Verinnerlichung von Lektionen aus den bewaffneten Kämpfen in der Ukraine gelegt.
Der russische Militäranalyst Igor Istomin zog im Artikel "Wird die NATO Russland angreifen?" die Wirksamkeit der Abschreckungsstrategien in Zweifel. Die Hoffnung auf Abschreckungsaktionen, wie etwa Militärübungen- oder Waffentests, sollte mit der historischen Erfahrung abgewogen werden. Diese bezeugt, dass sie öfter zu einer Verbitterung des Gegners als zu Eingeständnissen führen. Diese Aktionen werden eher zu entgegengesetzten als den von ihren Urhebern angenommenen Konsequenzen führen und die direkte Konfrontation mit der NATO näherbringen, statt sie abzuwenden. Im Januar berichtete die Bild-Zeitung über ein angebliches Übungsszenario der Bundeswehr, wonach Russland schon im laufenden Jahr einen Angriff auf das Baltikum starten könnte.
Zu den westlichen Befürchtungen, dass Russland angeblich einen Angriff auf die NATO-Staaten plane, äußerte sich der russische Präsident Wladimir Putin zuletzt im März ausführlich. Diese seien "völliger Unsinn", erklärte Putin. Während eines Besuchs eines Luftstützpunkts verwies er auf die mehr als zehnfache Diskrepanz zwischen russischen und US-amerikanischen Militärausgaben und betonte, dass auch die laufende Militäroperation in der Ukraine im Fall einer Berücksichtigung der russischen Sicherheitsinteressen vermeidbar gewesen wäre. Es sei die NATO selbst gewesen, die sich den Grenzen Russlands stetig genähert habe, so Putin.
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