Am Freitag traf der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán mit einem Überraschungsbesuch in Moskau ein. Nach dem Gespräch zwischen ihm und dem russischen Präsidenten haben die beiden Staatschefs eine Erklärung abgegeben. Nach Angaben eines Beraters des russischen Präsidenten dauerte die Unterhaltung mehr als zweieinhalb Stunden. Das wichtigste Thema des Gesprächs war laut Orbán die Situation um den "Krieg in Europa" ‒ so nannte er den bewaffneten Ukraine-Konflikt ‒ und dessen friedliche Beilegung.
Der ungarische Ministerpräsident sagte, er wolle "wissen, was der kürzeste Weg ist", um den Frieden zu erreichen, und er wolle Putins Meinung zu drei Fragenkomplexen hören: Was er über die derzeit verfügbaren Friedensinitiativen denkt, was er über den Waffenstillstand und die Friedensgespräche denkt, in welcher Reihenfolge sie stattfinden können, und welche Vision von Europa nach dem Ende des Konflikts er habe.
Orbán sagte, die Positionen Kiews und Moskaus lägen weit auseinander und es seien noch viele Schritte nötig, um dem Ende des Konflikts näherzukommen.
"Wir haben jedoch den wichtigsten Schritt gemacht: Wir haben Kontakt aufgenommen. Und ich werde weiter in diese Richtung arbeiten", fasste Orbán zusammen.
Orbán bedankte sich bei Putin für das offene und ehrliche Gespräch. Auch Putin bezeichnete den Meinungsaustausch über internationale Fragen, einschließlich des Ukraine-Konflikts und dessen Beilegung, als "gründlich und ehrlich". Der russische Präsident bezeichnete die Unterredung als zeitgemäß und bedankte sich bei Orbán für seinen Besuch in Moskau. "Die Russische Föderation sieht darin einen Versuch, den Dialog wiederherzustellen und ihm einen zusätzlichen Impuls zu geben", sagte er.
Putin bekräftigte sein Engagement für eine politische und diplomatische Lösung des Konflikts, doch die Gegenseite sei nicht bereit, das Problem auf diese Weise zu lösen. Kiew, so Putin, benutze seine Bevölkerung als Rammbock, um Russland zu konfrontieren. Kiew sei nicht bereit, den Kampf "bis zum siegreichen Ende" aufzugeben. Kiew sei auch nicht bereit, das Kriegsrecht aufzuheben und infolgedessen spätere Präsidentschaftswahlen abzuhalten. Die Chancen für einen Sieg der "ukrainischen Machthaber" seien nach Putins Worten "nahe null".
Putin erinnerte an seine Vorschläge für eine friedliche Lösung in der Ukraine. Ihm zufolge sollte es sich nicht nur um einen Waffenstillstand oder eine Pause handeln, die Kiew nutzen könnte, sondern um eine vollständige und endgültige Beendigung des Konflikts.
"Wir sprechen über den vollständigen Rückzug aller Truppen aus den vier neuen russischen Gebieten und andere Bedingungen, die Gegenstand einer gemeinsamen Arbeit sein könnten", sagte er.
Orbán, der sich wenige Tage zuvor mit Wladimir Selenskij in Kiew getroffen hatte, nannte seinen Moskau-Besuch "eine Friedensmission". Als die ersten Informationen über seinen Plan zur Presse durchsickerten, erhielt er aus Brüssel einen Anpfiff. Die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nannte seine Visite "Appeasement". EU-Ratspräsident Charles Michel wies darauf hin, dass Orbán trotz des derzeitigen Vorsitzes seines Landes in der EU kein Mandat habe, Friedensverhandlungen mit Russland zu führen. Für den Europäischen Rat sei klar:
"Russland ist der Aggressor, die Ukraine ist das Opfer. Ohne die Ukraine kann keine Diskussion über die Ukraine stattfinden."
Wladimir Selenskij lehnte beim Treffen mit Viktor Orbán Vorschläge zum Waffenstillstand ab. Ein Waffenstillstand könne "nicht isoliert betrachtet werden", erklärte ein Vertreter Selenskijs. Kiew bestehe darauf, dass eine Einigung nur mittels Selenskijs "Friedensformel" möglich sei, fügte er hinzu.
Im Gespräch mit Reportern nach dem Treffen am Dienstag sagte Orbán, er habe Selenskij gebeten, "darüber nachzudenken, ob es möglich wäre, eine Pause einzulegen […] um einen Waffenstillstand zu erreichen und Verhandlungen [mit Russland] zu beginnen, da ein schneller Waffenstillstand diese Verhandlungen beschleunigen könnte".
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