Die Labour-Partei hat die Unterhauswahl in Großbritannien und Nordirland laut einer Nachwahlbefragung von Ipsos und ersten Auszählungen klar gewonnen. Der 61-jährige Parteichef Keir Starmer dürfte mit der Regierungsbildung beauftragt werden. Die Konservativen von Premierminister Rishi Sunak erlitten einen historischen Absturz.
Labour kann demnach im neuen Unterhaus 410 der insgesamt 650 Sitze einnehmen, deutlich mehr als für eine absolute Mehrheit notwendig. Die Konservativen kommen nur noch auf 144 Sitze – mehr als 200 weniger als bei der vorherigen Wahl. Auch wenn das genaue Ergebnis noch nicht feststeht, geht die 14 Jahre währende Regierungszeit der Tories damit zu Ende.
Deutlich zulegen konnten die Liberaldemokraten, die laut Prognose 58 Sitze erhalten. Nigel Farages Reformpartei erhält demnach 13 Mandate, auch Farage selbst zieht ins Unterhaus ein. Die schottische SNP erlebte einen Absturz und zieht nur noch mit zehn Abgeordneten ins Unterhaus ein.
George Galloway, der Vorsitzende der britischen Arbeiterpartei, der erst im März ins Unterhaus eingezogen war, nachdem er eine Nachwahl gewonnen hatte, konnte sein Mandat nicht verteidigen.
Sunak räumte die Niederlage seiner Konservativen ein. Er sagte am Abend: "Die Labour-Partei hat diese Parlamentswahl gewonnen, und ich habe Sir Keir Starmer angerufen, um ihm zu seinem Sieg zu gratulieren." Die Briten hätten "ein ernüchterndes Urteil" gefällt, für das er die Verantwortung übernehme, so der indischstämmige Milliardär. Sunak deutete an, sich vom Parteivorsitz zurückziehen zu wollen. Er hatte die Wahlen erst im Mai überraschend kurzfristig anberaumt.
Starmer bedankte sich auf der Plattform X bei seinen Unterstützern. Er schrieb:
"An alle, die bei dieser Wahl für die Labour-Partei Wahlkampf gemacht haben, an alle, die für uns gestimmt und ihr Vertrauen in unsere gewandelte Labour-Partei gesetzt haben: Danke."
Nach der Bekanntgabe des Wahlsiegs erklärte er:
"Der Wandel beginnt genau hier, denn das ist Ihre Demokratie, Ihre Gemeinschaft und Ihre Zukunft. Sie haben gewählt. Jetzt ist es an der Zeit für uns zu liefern."
Starmer gilt anders als sein Vorgänger im Labour-Vorsitz, Jeremy Corbyn, als fest im Establishment verankert. Er steht für eine Fortsetzung der Unterstützung der Ukraine und für eine beschleunigte Wiederannäherung an die EU. Corbyn schaffte als unabhängiger Kandidat ebenfalls den Einzug ins Unterhaus.
Die klare Sitzverteidigung ist die Folge des britischen Mehrheitswahlrechts. Bei der prozentualen Stimmenverteilung fällt der Sieg von Labour deutlich weniger beeindruckend aus. Nach Auszählung von knapp 80 Prozent der Stimmen kommt Labour auf 35,8 Prozent – nur 3,6 Prozentpunkte mehr als bei der Wahl 2019. Die Konservativen stürzen von 43,6 auf 22,5 Prozent ab. Farages Reformpartei kann um 12,6 auf nun 14,6 Prozent zulegen. Die Liberaldemokraten verlieren leicht und kommen auf 11,3 Prozent. Die Grünen erhalten 6,7 Prozent (plus von 4,0) und die SNP 2,4 Prozent (minus 1,5).
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