Die Behörden der litauischen Hauptstadt Vilnius haben einen Verteidigungsplan für den Fall eines bewaffneten Konflikts ausgearbeitet. Das Konzept wurde am Dienstag von Bürgermeister Valdas Benkunskas präsentiert. Im Schwerpunkt stehen Evakuierungsmaßnahmen. Eine Räumung der Hauptstadt sollte auf sechs Routen über Straßen nach Westen und Süden erfolgen. Es sei geplant, eine Evakuierung in anderthalb Tagen zu vollenden. Alles hänge aber von verschiedenen Bedingungen ab, beispielsweise ob nach einem Kriegsausbruch die Brücken der Stadt intakt blieben. Damit alles in Betracht genommen werde, hätten die Behörden fünf Evakuierungsszenarien skizziert.
Benkunskas sprach außerdem über Schutzräume. Ihm zufolge könnten 50 Prozent der Einwohner in den bestehenden Schutzräumen Zuflucht finden. Das Ziel sei es, allen Einwohnern den Zugang zu sicheren Unterständen zu ermöglichen. Derzeit führten die Behörden Gespräche mit Eigentümern von Immobilien wie etwa Einkaufszentren und Bürogebäuden und überprüften Objekte mit unterirdischen Räumen, Kellern und Parkplätzen.
Aktuell gebe es in Vilnius 41 Warnsirenen, durch die 30 Prozent der Einwohner erreichbar seien, setzte der Bürgermeister fort. Im Sommer würden noch 52 Sirenenanlagen angebracht. Später im Herbst würde das Warnsystem überprüft, um "graue Zonen" zu erkennen. Im Ergebnis hofften die Behörden, fast die gesamte Fläche der Stadt abzudecken.
Um die Zugangswege im Süden und Osten der Stadt einem potenziellen Gegner zu blockieren, würden Panzer- und Betonsperren sowie Stahligel angeschafft. Die Sperren seien auch für Wald- und Kiesstraßen bestimmt, die von angreifenden Truppen verwendet werden könnten.
Weitere Angaben wollte der Bürgermeister nicht machen, um "dem Gegner" keine Gelegenheit zu geben, den Plan im Voraus zu analysieren.
Vilnius sei als Hauptstadt Ziel Nummer eins und sollte gut geschützt werden, so der Bürgermeister:
"Vilnius ist Hauptstadt, daher ist es die Schießscheibe und Ziel Nummer eins. Wir befinden uns zudem nahe der Grenze zu Weißrussland. Mehrere Dutzend Kilometer entfernt von Vilnius liegt das Kernkraftwerk Belarus, das eine Bedrohung für unsere Sicherheit darstellt."
Laut Medienberichten haben Polen, Litauen, Lettland und Estland in einem Schreiben an die EU-Führung die Schaffung von Schutzeinrichtungen an der Grenze zu Russland und Weißrussland vorgeschlagen. Die Initiative sieht den Bau einer 700 Kilometer langen Verteidigungslinie vor. Die Kosten hierfür werden auf rund 2,56 Milliarden Euro geschätzt.
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