Am Sonntag fand in Frankreich der erste Durchgang der vorgezogenen Parlamentswahlen statt. Das Rassemblement National (RN) gilt als der große Sieger, die Nouveau Front populaire (NFP), angetreten als vereinte Linke, konnte sich den zweiten Platz sichern. Die Koalition Ensemble! (Zusammen!) um den Präsidenten Macron muss eine schwere Niederlage akzeptieren.
Mit dem ersten Wahlgang wurden bereits 76 Abgeordnete gewählt, indem sie mehr als die Hälfte der abgegebenen Stimmen erhielten. Die zweite Runde der Wahlen wird am 7. Juli stattfinden. Laut französischen Medienberichten errang Rassemblement National 33,4 Prozent der Stimmen. Dies geht aus den endgültigen Ergebnissen hervor, die das französische Innenministerium bereits in der Nacht zum Montag veröffentlichte. Le Monde titelte, Rassemblement National "überrollte die Nationalversammlung bereits in der ersten Runde der vorgezogenen Parlamentswahlen".
39 RN-Abgeordnete wurden somit laut Auswertungen von Le Parisien bereits im ersten Wahlgang gewählt, darunter auch die Parteivorsitzende Marine Le Pen. Mehr als 10,7 Millionen Menschen haben in Frankreich ihr Kreuz auf dem Stimmzettel für Rassemblement National gemacht, was laut Le Monde "die zweithöchste Gesamtzahl in der Geschichte der Partei, nach den 13,3 Millionen Stimmen für Marine Le Pen im zweiten Wahlgang der Präsidentschaftswahlen 2022" darstellt. Bereits bei der EU-Wahl kürzlich errang diese Partei 31,4 Prozent.
Die Nouveau Front populaire (NFP) als der jüngste Versuch eines geschlossenen Linksbündnisses belegt mit 27,98 Prozent der abgegebenen Stimmen und 32 direkt Gewählten im ersten Wahlgang den zweiten Platz vor dem Lager der Mitte Ensemble! und dessen Kandidaten um den französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Mit einem Ergebnis von 20,76 Prozent (2 Sitze) die eindeutigen Wahlverlierer.
In der Hauptstadt Paris reagierten viele Menschen bereits am Abend mit einer Demonstration gegen den erwarteten und zugleich befürchteten RN-Sieg. Auch in anderen Städten demonstrierten tausende Menschen gegen RN und einen erwarteten "Rechtsruck" in Frankreich. In Paris versammelten sich die Demonstranten nach einem Aufruf des Zweitplatzierten Nouveau Front populaire auf dem Place de la République. In Nantes, Dijon, Lille und Marseille fanden ebenfalls Kundgebungen und Protestmärsche gegen den Sieg vom Rassemblement National statt. In Frankreichs drittgrößter Stadt Lyon kam es zu Ausschreitungen und Zusammenstößen mit der Polizei.
Der zweite Wahlaufruf zum 7. Juli wird zur Wochenmitte erwartet. Das Rassemblement National kommt dabei voraussichtlich in 390 bis 430 Wahlkreisen in diese zweite Runde. Neben anstehenden Duellen der beiden Bestplatzierten in 188 Wahlkreisen des Landes gibt es laut Auswertung von Le Parisien voraussichtlich in "306 Wahlkreisen drei Kandidaten, die sich in der zweiten Runde gegenüberstehen". In fünf dieser Wahlkreise werden am kommenden Sonntag "sogar vier Kandidaten zur Wahl stehen". Vielerorts wird nun erwartet, dass es zu Aufrufen an die Kandidaten kommt, ihre Kandidatur zurückzuziehen, um so mit direkten oder indirekten Wahlempfehlungen für das Linksbündnis den Sieg eines RN-Kandidaten verhindern zu können.
Der französische Präsident Macron reagierte unmittelbar nach Schließung der Wahllokale auf sein persönliches Wahldebakel, das in seiner als gescheitert anzusehenden Strategie der überraschenden Vorziehung der Parlamentswahlen nach den für Macron persönlich schlechten Ergebnissen der EU-Wahl gesehen werden kann. In seiner Mitteilung heißt es:
"Im Angesicht des Rassemblement National ist eine breite, klar demokratische und republikanische Sammlung für den zweiten Wahlgang nötig."
Erste Prognosen und Analysen gehen davon aus, dass Le Pens Rassemblement National und dessen Parteivorsitzender und Spitzenkandidat Jordan Bardella im französischen Unterhaus mit bis zu 280 Sitzen die stärkste Kraft werden könnten, mindestens jedoch 230 Sitze bereits sicher haben. Für eine absolute Mehrheit sind 289 Sitzen erforderlich. Meinungsforschungsinstitute prognostizieren sogar bis zu 300 mögliche RN-Abgeordnete.
Auch das Linksbündnis könnte noch weiter zulegen und auf 125 bis 200 Sitze kommen. Macrons Liberalen droht, auf nur noch 60 bis 100 Sitze abzusacken. Die Nationalversammlung bildet das Unterhaus des französischen Parlaments mit insgesamt 577 Sitzen, dem der Senat als das Oberhaus gegenübersteht.
Der RN-Vorsitzende Bardella und Marine Le Pen als ideelle Führerin der Partei riefen ihren Anhängern am Sonntag zu, den erwarteten Sieg "nicht als gesichert anzusehen". Le Pen stellte fest: "Noch ist nichts gewonnen". Daher sei erneut eine hohe Beteiligung der RN-Unterstützer im zweiten Wahlgang nötig.
Der derzeitige französische Premierminister Gabriel Attal kündigte bereits den Bewerbungsrückzug von etwa 60 Kandidaten des Regierungslagers an, um damit einen Sieg von RN- Kandidaten möglicherweise zu verhindern. "Keine Stimme darf an den Rassemblement National gehen", forderte Attal laut französischen Medien.
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