Die "Bukarest Neun", ein Zusammenschluss osteuropäischer und baltischer NATO-Staaten, könnte Ungarn ausschließen. Das berichtet die britische Zeitung Financial Times unter Berufung auf anonyme Quellen. Grund dafür sei die abweichende Haltung Ungarns in der Ukraine-Krise.
Die "Bukarest Neun", auch "Bukarest-Format" genannt, wurden 2015 gegründet. Mitglieder sind Bulgarien, Tschechien, Estland, Ungarn, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien und die Slowakei. Hochrangige Beamte der Regionalgruppe treffen sich regelmäßig, um die Außen- und Sicherheitspolitik ihrer Staaten zu koordinieren. Am Dienstag soll in Riga ein Treffen der Staats- und Regierungschefs stattfinden.
Laut Financial Times könnte Ungarn aus dem Club ausgeschlossen werden. Grund sei Budapests Weigerung, gemeinsame Unterstützungserklärungen für die Entsendung von Militärhilfe in die Ukraine zu befürworten und Kiew anderweitig in seiner Konfrontation mit Moskau zu helfen, so die Zeitung unter Berufung auf Insiderquellen.
"Wir treffen uns wahrscheinlich zum letzten Mal in diesem Format", sagte eine der mit der Situation vertrauten Personen gegenüber der Zeitung und nannte die Diskussionen "sehr ernst".
Alle Mitglieder der "Bukarest Neun" waren während des Kalten Krieges entweder Mitgliedsstaaten des Warschauer Vertrages oder Sowjetrepubliken. Der NATO traten sie im Zuge der umstrittenen Osterweiterung nach dem Zusammenbruch der UdSSR bei. Im Ukraine-Konflikt gibt es zwischen Ungarn und den anderen Mitgliedsstaaten deutliche Meinungsverschiedenheiten.
So lehnt Budapest die fortgesetzte Bewaffnung Kiews ab, weil dies die Feindseligkeiten nur verlängere. Stattdessen setzt sich Ungarn für sofortige Friedensgespräche ein. Budapest hat sich auch dagegen ausgesprochen, Kiew einen Beitritt zu EU und NATO zu versprechen.
Die Regierung des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán lässt sich nach eigener Aussage auch bei ihrer Positionierung im Ukraine-Konflikt von den Interessen ihres Landes leiten. Unterstützer Kiews haben sie dennoch wiederholt als "pro-russisch" bezeichnet.
Ähnliche Bemühungen zur Ächtung Ungarns gibt es Medienberichten zufolge innerhalb der EU. Dort haben einige Mitglieder die Aussetzung des Stimmrechts Budapests nach Artikel 7 des EU-Vertrags gefordert. Belgien, das derzeit die Ratspräsidentschaft innehat, glaubt laut einem Bericht des Springerblatts Politico, dass die Zukunft der EU davon abhängen könnte.
Die belgische Außenministerin Hadja Lahbib sagte demnach zu dem Verfahren gegen Ungarn:
"Dies ist ein Moment der Wahrheit. Wenn wir mit diesem Mechanismus den ganzen Weg gehen, muss er funktionieren. Wenn er nicht funktioniert, müssen wir ihn reformieren. Das ist die Zukunft der Europäischen Union."
Ungarn soll die Präsidentschaft des EU-Rates planmäßig im Juli übernehmen. Außenminister Péter Szijjártó erklärte, Lahbib wolle mit ihrer Initiative Ungarn von den Entscheidungsprozessen der EU ausschließen und "die Stimme des Friedens zum Schweigen bringen." Das Land werde während seiner EU-Ratspräsidentschaft alles tun, um den Frieden zu wahren.
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