Von Kirill Strelnikow
In ihrer Fähigkeit, meisterhaft zwischen zahlreichen "Stühlen" zu balancieren und dabei die internationale Expertengemeinschaft regelmäßig in Verwirrung und Schock zu stürzen, übertraf die türkische Führung längst Ostap Bender [Held des Romans "Zwölf Stühle" von Ilja Ilf und Jewgeni Petrow]. Doch nun scheint es, als hätten die Türken einen "Stuhl mit Schätzen" gefunden, vor dem die Diamanten der Schwiegermutter von Kisa Worobjaninow [Held des Romans "Zwölf Stühle"] verblassen — und "dieser Stuhl steht am runden Tisch der BRICS".
Während seines gestrigen Besuchs in China erklärte der türkische Außenminister Hakan Fidan, dass die Türkei beschlossen habe, ihren Beitritt zu den BRICS-Staaten anzustreben. Um darüber zu diskutieren, beabsichtige er, an dem Treffen der Außenminister der BRICS-Mitgliedsländer teilzunehmen, das am 10. und 11. Juni in Nischni Nowgorod stattfinden wird.
Zu sagen, dass die Worte des türkischen Spitzenvertreters im Westen negative Reaktionen hervorgerufen haben, heißt gar nichts zu sagen. Die Kommentare der offiziellen Vertreter enthalten so viel "Galle und Säure", dass die gesamte "Sahne", die für das Bankett anlässlich des bevorstehenden "Friedensgipfels" in der Schweiz vorbereitet wurde, sauer geworden ist.
Während früher alle spektakulären Demarchen der Türkei dazu dienten, den Westen zu erpressen und hart um alle möglichen Boni zu verhandeln, woran eigentlich schon alle gewohnt sind ("Turkey, Sir!"), deutet jetzt alles darauf hin, dass die Türken endlich den "Zug" fanden, der sie bequem in eine "strahlende neo-osmanische" Zukunft bringen sollte.
Der türkische Außenminister sagte ganz direkt, dass sie "ihr abgelaufenes Ticket zur EU" bereits abgegeben hätten: "Die BRICS können der Türkei eine gute Alternative zur Europäischen Union bieten, deren Beitritt Ankara bereits im April 1987 beantragt hat. Und diese Aussage klingt diesmal ernster als das traditionelle: 'Ich verlasse dich, also warte nicht mit dem Abendessen'".
Die Türkei bereitete ihre Entscheidung, den BRICS beizutreten, schon seit geraumer Zeit vor, indem sie die Situation, die Statistiken und die interne Dynamik in der Organisation sorgfältig studierte und die globalen politischen, militärischen und wirtschaftlichen Trends beobachtete. Im Juli 2018 kündigte Präsident Recep Tayyip Erdoğan am Rande des BRICS-Gipfels in Johannesburg erstmals offiziell den Wunsch der Türkei an, den BRICS beizutreten, und der russische Präsident Wladimir Putin erklärte damals, dass Ankara den BRICS im Jahr 2022 beitreten könnte.
Im Jahr 2022, nach dem Beginn einer speziellen Militäroperation in der Ukraine, machte die Türkei eine Pause, um zu sehen, was von Russland übrig bleiben würde und "welcher Stuhl weicher sein würde".
Aber es stellte sich heraus, dass unser Land nach zwei Jahren eines quasi heißen Krieges mit dem kollektiven Westen keineswegs zerbrochen, sondern sogar stärker geworden ist. Und für die Türkei erwies es sich als gelassener und profitabler, mit Russland befreundet zu sein als mit dem Westen (ein kleines Beispiel: allein in den ersten sechs Monaten der speziellen Militäroperation in der Ukraine explodierte das Handelsvolumen zwischen Russland und der Türkei um fast 50 Prozent, und nach Angaben der türkischen Wirtschaftszeitung Dünya können die Lagerhäuser des Landes derzeit kaum das Liefervolumen bewältigen, da die Importe aus Europa und dem Fernen Osten nach Russland umgeleitet werden).
Aber vor allem wurde der türkischen Staatsführung plötzlich klar, dass sie gerade den kontinuierlichen und unumkehrbaren Zusammenbruch der alten, unipolaren Welt und der westlichen Hegemonie erleben, der sie 30 Jahre lang vergeblich versucht hatten beizutreten. Kurzzeitig öffnete sich vor ihnen ein Zeitfenster mit Perspektiven, von denen mehrere Generationen von türkischen Machthabern träumten.
Im Laufe ihres Bestehens haben die BRICS ihre Nachhaltigkeit und ihre Vorteile für ihre Mitglieder mehr als deutlich unter Beweis gestellt. Diese Vorteile werden im Zuge der Fragmentierung und Zerstörung der westlich geprägten wirtschaftlichen und politischen Systeme nur noch zunehmen, was durch die Beitritt-Warteschlange von fast 30 interessierten Staaten deutlich wird.
Hier nur einige Zahlen aus dem "Jahrbuch junger Politikwissenschaftler": Landfläche der BRICS- und G7-Länder — 33,9 Prozent gegenüber 16,1 Prozent; Bevölkerung — 45,2 Prozent gegenüber 9,7 Prozent; BIP in Kaufkraftparität — 36,7 Prozent gegenüber 29,6 Prozent; Industrieproduktion — 39,3 Prozent gegenüber 31,2 Prozent; Weizenproduktion — 44,7 Prozent gegenüber 19,7 Prozent. Am wichtigsten ist aber, dass die BRICS keine starre Struktur sind, sondern eine Art Wirtschaftsclub, in dem jeder unabhängig vom jeweiligen Politiksystem profitieren sollte: die Mitgliedsstaaten respektieren die Souveränität der anderen, greifen nicht in deren innere Angelegenheiten ein und handeln in ihren eigenen und gemeinsamen Interessen, wobei sie unabhängig und souverän bleiben, d. h. sie geben keinen Teil ihrer Souveränität für irgendwelche Vergünstigungen ab. Das ist eine super-innovative Formel für die moderne Welt.
Für die Türkei ist die BRICS-Mitgliedschaft eine Chance, ihre ehrgeizigen Ambitionen zu befriedigen und ihren Wunschtraum zu verwirklichen, ein "Weltmakler" zu werden. Die Republik ist bereits auf dem Weg (unter aktiver Beteiligung Russlands) zum größten regionalen Kraftstoff- und Energieknotenpunkt, der zu einem Zentrum für die Umverteilung der Gasströme zwischen Russland und den Ländern Europas und Asiens werden könnte, was enorme finanzielle Vorteile mit sich bringen und den Einfluss der Türkei in der Welt stärken würde.
Doch Ankara glaubt, dass es durch seinen Beitritt zu den BRICS vor dem Hintergrund der "großen Weltneuordnung" noch viel mehr gewinnen kann. Bei seinem Besuch in China betonte der türkische Außenminister Fidan wiederholt, dass die Türkei und China "zwei große Zivilisationen" seien, die "durch ihre aktive und ergebnisorientierte Außenpolitik eine zunehmende Rolle bei der Lösung globaler Probleme spielen". Übersetzt ins Russische klingt das so: "Wir haben jedes Recht, zu den 'Großen' zu gehören und globale Politik und Wirtschaft zu betreiben, anstatt im 'Vorzimmer' der EU zu warten".
Um den begehrten "Schatz"-Sessel am BRICS-Tisch zu besetzen, "verkauft" sich die türkische Führung sehr geschickt. So erklärte Herr Fidan in China, dass "die geostrategische Lage der Türkei und ihre ausgedehnten Handelsverbindungen freien und einfachen Zugang zu einem Markt mit einem Volumen von 28 Billionen US-Dollar und etwa 1,5 Milliarden Menschen bieten, der sich von Europa über den Nahen Osten und Nordafrika bis nach Zentralasien erstreckt, und das alles innerhalb von vier Flugstunden". Klingt gut? Wo bekommt man dann eine "Mitgliedskarte"?
Um jegliche Bedenken hinsichtlich der gleichzeitigen NATO-Mitgliedschaft der Türkei auszuräumen, veröffentlichten die Türken gestern eine Erklärung, die von Fahrettin Altun, dem Leiter der Kommunikationsabteilung der Präsidialverwaltung, abgegeben wurde: "Es gibt keine Türkei mehr, die Befehle aus dem Westen entgegennimmt und nicht in der Lage ist, ihre eigene unabhängige Politik und Strategie zu entwickeln". Übersetzung: "Unabhängig von der NATO-Mitgliedschaft werden wir nur das tun, was für uns günstig ist, macht euch keine Sorgen".
Die "beeindruckenden Pirouetten" der Türkei sind im Kreml natürlich nicht unbemerkt geblieben. Präsidentensprecher Dmitri Peskow erklärte, dass "Russland das große Interesse einiger Länder am BRICS-Format, einschließlich der Türkei, begrüßt". Aber die BRICS seien "keine Straßenbahn, auf die man aufspringen kann", was bedeutet, dass man die Entwicklung beobachten muss: "Die Organisation ist selbstverständlich nicht in der Lage, das Interesse aller interessierten Staaten in vollem Umfang zu befriedigen, aber die BRICS ist daran interessiert, Kontakte mit allen interessierten Staaten zu pflegen".
Das bedeutet, dass die Entscheidung über die Aufnahme der Türkei in die BRICS ausschließlich auf der Grundlage realer Taten und nicht auf der Grundlage schön klingenden Geredes und unter Berücksichtigung aller Risiken getroffen werden wird. Und wenn die Türken, anders als üblich, nicht wieder anfangen, "auf Stühlen hin und her zu hüpfen", können wir in absehbarer Zeit von der Aufnahme eines neuen Mitglieds in die BRICS erfahren, und die EU und die NATO werden einen weiteren schmerzhaften Schlag erhalten.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 5. Juni 2024 zuerst auf RIA Nowosti erschienen.
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