Mehr als hundert Jahre lang, in den Jahren 1809 bis 1917, war Finnland ein Teil des Russischen Reiches. Nach dem Ausscheiden aus dem russischen Staat erbte Finnland eine Schöpfung zaristischer Ingenieure: Die Eisenbahn, die dem Land in den mehr als hundert Jahren der finnischen Unabhängigkeit gute Dienste geleistet hat. Aber jetzt solle damit Schluss sein – wie auch mit allem "Russischen" im Lande.
Laut dem staatlichen Fernsehsender Yle prüft das finnische Ministerium für Verkehr und Kommunikation nun die Frage der Umstellung auf europäische Standardspuren im Schienenverkehr. Auf diese Weise wolle Helsinki die "militärische Mobilität" im Rahmen der Zusammenarbeit mit der NATO verbessern. In einem Gespräch mit Yle erklärte Lulu Ranne, die Ministerin für Verkehr und Kommunikation:
"Wir bereiten einen Bericht darüber vor, wie schnell, mit welchen Technologien und mit welchem Budget eine schrittweise Umstellung auf die europäische Spur möglich wäre."
Ranne zufolge ist die Umstellung von der "zaristischen" Eisenbahnspur auf die europäische wichtig für die Sicherheit in Krisensituationen und wird eine "positive Veränderung für Finnland" bedeuten. Dabei bleibt keineswegs verborgen, dass die "europäische" Eisenbahn vor allem für die schnelle Verlegung von NATO-Truppen wichtig ist. An die russischen Grenzen, sollte man meinen. Yle stellt explizit fest, dass die NATO "die Entwicklung von Infrastrukturprojekten im Norden fördert" und berichtet:
"Finnland hält es für wichtig, aus Sicherheitsgründen eine zusätzliche Eisenbahnverbindung nach Schweden zu haben. Es wird erwogen, die Eisenbahnlinie, die derzeit in der finnischen Gemeinde Kolari endet, bis zur nordschwedischen Stadt Kiruna zu verlängern und so eine Verbindung zum norwegischen Hafen Narvik herzustellen. Die Strecke könnte für den zivilen und militärischen Eisenbahnverkehr genutzt werden."
"Die Nutzung der europäischen Spurweite könnte für den zivilen und militärischen Schienenverkehr von Vorteil sein und die Truppenbewegungen und den Gütertransport zwischen den Ländern beschleunigen."
Die Europäische Kommission schlug dem Land bereits im Jahr 2022 den Bau neuer Gleise mit einer Spurweite von 1.435 Millimetern vor, also fast neun Zentimeter schmaler als die derzeitigen Bahnschienen. Allerdings galt das Projekt in Finnland damals als unmöglich, denn es gab weder Geld noch Ressourcen dafür. Jetzt argumentieren finnische Politiker, dass sich die Welt in zwei Jahren "sehr verändert" habe. Offenbar stehen ihnen nun auch überraschenderweise mehr Geld und Ressourcen zur Verfügung.
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