Die Reisefreiheit im Schengen-Raum ermöglicht es den Bürgern, sich unkontrolliert in jedem Mitgliedsland aufzuhalten. Die Forderung, russische Diplomaten auf ihre Zielländer innerhalb der EU zu beschränken, ist nicht neu. Jetzt würde auch die tschechische Regierung dafür argumentieren, berichtete Der Spiegel unter Berufung auf ein Papier, das Prag Mitte April bei einem Treffen in Brüssel vorgelegt hatte. "Spionage und Propaganda sind die Hauptaufgabe zahlreicher russischer Diplomaten in der EU", heißt es in dem Dokument.
"Hunderte" russischer "Agenten" könnten sich derzeit praktisch unkontrolliert in der EU bewegen, warnte Prag und forderte, dass Mitarbeiter russischer diplomatischer Vertretungen künftig nur noch Visa für ihre Zielländer erhalten sollen. Jeder Diplomat, der durch die EU reist, sollte dann gezwungen werden, an internationalen Kontrollpunkten seinen Personalausweis und eine Reisegenehmigung vorzulegen, heißt es in dem Papier.
Prag betrachte Moskaus diplomatisches Personal als "Spione", die nach möglichen Schwachstellen suchten. "Die Bewegungsfreiheit russischer Spione im gesamten Schengen-Raum ist kein diplomatisches Privileg", heißt es.
Die tschechischen Behörden versuchten seit dem vergangenen Sommer, die Bewegungsfreiheit russischer Diplomaten einzuschränken, heißt es in dem Artikel. Der Außenminister des Landes, Jan Lipavský, habe das Thema im April bei einem Treffen des EU-Außenministerrats in Luxemburg erneut angesprochen.
Die Initiative sei bei anderen EU-Mitgliedsstaaten, darunter Deutschland, auf Skepsis gestoßen, da die Maßnahme schwierig umzusetzen sei und zu Vergeltungsmaßnahmen Moskaus führen könne.
Berichten zufolge haben die tschechischen Behörden diese Argumente zurückgewiesen und argumentiert, dass eine spiegelgleiche Reaktion Moskaus eine Verletzung des internationalen Rechts darstellen würde. Die Risiken durch mögliche russische Vergeltungsmaßnahmen seien "eindeutig kleiner" als der Schaden, den "Moskaus Agenten in Europa" anrichteten.
Russland hat sich bisher nicht zu den vorgeschlagenen Reisebeschränkungen geäußert.
"Auch beim deutschen Verfassungsschutz, im Inland für die Spionageabwehr zuständig, geht man davon aus, dass fast alle in Deutschland akkreditierten Diplomaten zumindest nebenher für die russischen Geheimdienste arbeiten", hieß es ferner.
Der Bericht erschien wenige Wochen nach der Festnahme von zwei Deutschrussen in Bayern, die verdächtigt werden, für Russland zu arbeiten. Dem Hauptbeschuldigten werden Planungen zu einer Sprengstoffexplosion sowie zur Brandstiftung, Agententätigkeit zu Sabotagezwecken und Ausspähen militärischer Anlagen vorgeworfen. Nach Angaben der deutschen Generalstaatsanwaltschaft soll mindestens einer der beiden Verdächtigen einen Kontakt zum russischen "Geheimdienst" gehabt haben.
Moskau wies die Vorwürfe einer russischen Beteiligung zurück und bezeichnete sie "als offene Provokation, die darauf abzielte, den bereits grassierenden Spionagewahn in Deutschland zu schüren" und die russisch-deutschen Beziehungen weiter zu zerstören.
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