Einstellung des Gastransits durch die Ukraine ist vorteilhaft für Russland

Ein Krieg an der Energiefront ist wohl ebenso wirksam wie ein Krieg auf dem Schlachtfeld. Genau wie die Truppenbewegungen auf der Kriegskarte verändert er die geopolitische Realität auf dem europäischen Kontinent und trägt dazu bei, die Neugestaltung der Welt zu beschleunigen.

Von Gleb Prostakow

Es gibt keine Ungewissheit mehr über die Perspektiven des ukrainischen Gastransportsystems nach 2024, wenn der derzeitige fünfjährige Gastransitvertrag ausläuft. Der Vertrag wird nicht verlängert werden. Theoretisch bedeutet dies nicht, dass der Transit vollständig eingestellt wird: Gas kann auch ohne Vertrag gepumpt werden, und zwar auf der Grundlage gegenseitig vereinbarter Gasgebote unter Beteiligung irgendeines europäischen Vermittlers. Die derzeitige militärische und politische Lage spricht jedoch eher für einen vollständigen Abbruch der Gasbeziehungen zwischen Kiew und Moskau.

Die türkische Öl- und Gasgesellschaft TBNG bereitet sich bereits darauf vor, die über die Ukraine gelieferten russischen Gasmengen zu übernehmen. Nach Angaben des Leiters des türkischen Öl- und Gasunternehmens Sinan Furat kommen derzeit 48 Prozent des russischen Pipelinegases für den europäischen Bedarf durch die Ukraine und 52 Prozent durch die Türkei. Im Falle einer vollständigen Einstellung der ukrainischen Gasroute würden alle Rohstoffe von Gazprom durch das türkische Gastransportsystem fließen. Und Moskau wird sich dem wahrscheinlich nicht widersetzen.

Die Einstellung des Gastransits durch die Ukraine ist eine beiderseitige Entscheidung. Für die Ukraine – aus politischen Gründen (Handel mit dem Aggressor), für Russland – aus militärischen und politischen Gründen. Letzteres ist noch zu erläutern.

Die Einstellung des Transits durch die Ukraine entspricht der gleichen Logik wie die neuerlichen Angriffe auf die ukrainische Energieinfrastruktur. Es sieht so aus, als hätte sich Moskau mit der unvermeidlichen Degradierung der ukrainischen Gebiete im Zuge des gegenwärtigen Konflikts abgefunden, selbst jener Gebiete, die es als seine ureigenen Territorien betrachtet. Dies ist die Logik dieses Zermürbungskrieges, der nicht mehr mit "weißen Handschuhen" geführt werden kann. Und die Einstellung des ukrainischen Gastransportsystems ist eine der Schlüsselkomponenten für den bevorstehenden Zusammenbruch des ukrainischen Energiesystems und der ukrainischen Wirtschaft insgesamt.

Ohne russisches Gas wird das System nicht funktionieren können. Das in der Ukraine produzierte Gas reicht nicht einmal aus, um den erforderlichen Druck in der Leitung aufrechtzuerhalten. Gleichzeitig hängt das Funktionieren des Verteilernetzes, das mit Rohren großen Durchmessers zu einem Ganzen verbunden ist, weitgehend vom Betrieb der Hauptgaspipelines ab. Dies bedeutet, dass es zwangsläufig zu Unterbrechungen bei der Gaslieferung an die Endverbraucher (hauptsächlich in ländlichen Gebieten) und vor allem an die gasbefeuerten Wärmekraftwerke kommen wird. Letztere sind eine der wenigen verbleibenden sogenannten Rangierkapazitäten (nach der Liquidierung der größten Wasserkraftwerke und kohlebefeuerten Wärmekraftwerke), die es ermöglichen, das Energiesystem während der Spitzenlastzeiten irgendwie auszugleichen.

Die Destabilisierung des ukrainischen Energiesystems hat oberste Priorität, und die Verluste von Gazprom spielen keine Rolle. Zumal diese Verluste bereits minimiert wurden. Ausgehend von der derzeitigen Lieferdynamik könnten 20–25 Milliarden Kubikmeter Gas im Jahr 2024 in die EU geliefert werden – ein Klacks im Vergleich zu den ehemaligen Spitzenlieferungen von 170 Milliarden Kubikmetern. Auch für die Ukraine sind die Verluste gering: sie erhält 1–1,5 Milliarden US-Dollar (vorher 4,5–5 Milliarden US-Dollar) aus dem Gastransit, während 60–70 Prozent dieses Betrags für die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit dieses veralteten Systems ausgegeben werden. Dieses Geld ist ein Tropfen auf den heißen Stein im Vergleich zu den "Hilfen" aus den USA und der EU, mit denen nicht nur die ukrainische Armee, sondern auch der Staatsapparat unterhalten werden. Die Einstellung des Gastransits wird zweifelsohne als ein weiterer wegweisender "Sieg" und eine asymmetrische Antwort im ungleichgewichtigen Kampf mit Russland dargestellt werden.

Die Verlagerung des Gastransits in die Türkei liegt auch in Russlands langfristigem Interesse. Ein Erzfreund wie die Türkei muss in der Nähe gehalten werden. Der Interessenunterschied zwischen Moskau und Ankara sowie ihr unvermeidlicher Konflikt in einem riesigen Gebiet, das vom Nahen Osten bis nach Zentralasien reicht, erfordert ernsthafte Sicherheitsvorkehrungen, um zu verhindern, dass dieser Unterschied in eine offene Konfrontation umschlägt. Schließlich ist die Türkei ein NATO-Land, das nach den USA über das zweitgrößte militärische Potenzial innerhalb des Blocks verfügt.

Eine solche Sicherheitsvorkehrung bietet nur eine enge wirtschaftliche Zusammenarbeit und die Durchführung von großen Infrastrukturprojekten. Der Bau des Atomkraftwerks "Akkuyu" und der stabile Touristenstrom aus Russland werden durch einen Gashub in Thrakien verstärkt, dessen Einrichtung Präsident Putin im letzten Jahr angekündigt hat. Dazu sind einige Investitionen in die Infrastruktur erforderlich, darunter der Bau einer Verbindungsleitung zwischen dem russischen Territorium und dem türkischen Gastransportsystem auf dem Schwarzmeergrund. Ein Teil dieser Infrastruktur wurde bereits früher im Rahmen des nicht realisierten South-Stream-Projekts gebaut, sodass die Kosten zwar nicht unerheblich, aber durchaus akzeptabel sein werden.

Das gemeinsame Gasprojekt wird Russland und die Türkei noch enger miteinander verbinden und ihre gegenseitige Abhängigkeit verstärken. Dies wird es Russland ermöglichen, eine Eskalation der Beziehungen zu Ankara nicht befürchten zu müssen – oder zumindest zu gewährleisten, dass sie nicht bis zu einer offenen Konfrontation eskalieren. Unter bestimmten Umständen wird dies sogar zu einer Veränderung der außenpolitischen Position der Türkei und – angesichts der neuen geopolitischen Realitäten – zu einer zurückhaltenden Annäherung an Russland beitragen.

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Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 27. April 2024 zuerst in der Zeitung Wsgljad erschienen.