EU kehrt zur Austeritätspolitik zurück – weiteres verlorenes Jahrzehnt droht

Das EU-Parlament hat für die Wiedereinführung der Austeritätsregeln grünes Licht gegeben. Die Spielräume werden zwar etwas erweitert, im Grundsatz bleiben jedoch Investitionen dem Schuldenabbau untergeordnet. Es droht der soziale Kahlschlag, die EU befindet sich weiter in der Abwärtsspirale.

Angesichts der Corona-Krise hatte die EU die Schuldenregeln ausgesetzt. Aufgrund der ökonomischen Verwerfungen infolge des EU-Sanktionsregimes ging die Aussetzung in die Verlängerung. Ab dem kommenden Jahr sollen die Mitgliedstaaten der EU jedoch im Grundsatz wieder zu den im Maastricht-Regeln zurückkehren.

Das EU-Parlament hat einer überarbeiteten Version des Stabilitäts- und Wachstumspakts zugestimmt. Damit zerschlagen sich die Hoffnungen derjenigen, die auf eine grundlegende wirtschaftspolitische Neuorientierung der EU gehofft hatten. Im Kern bleibt alles wie gehabt, auch wenn die einzelnen Regelungen etwas mehr Spielraum erlauben. Der Schuldenabbau steht im Vordergrund, ihm werden Investitionen untergeordnet. Die Kritiker wurden erneut nicht gehört. Unter diesen befindet sich auch der vom ökonomischen Saulus zum Paulus gewandelte Mario Draghi, ehemaliger Chef der EZB und zu Zeiten der Griechenlandkrise eifriger Verfechter drastischer Spardiktate. Er beschreibt diese Politik inzwischen als Fehler. 

"Wir haben bewusst versucht, die Lohnkosten im Vergleich zueinander zu senken – und in Kombination mit einer prozyklischen Fiskalpolitik hat das unter dem Strich nur dazu geführt, dass unsere eigene Binnennachfrage geschwächt und unser Sozialmodell untergraben wurde", kritisiert Draghi inzwischen seine eigene Politik. 

Doch aus den Fehlern der Vergangenheit will man in der EU nichts lernen und setzt auf ihre Wiederholung, geht allerdings davon aus, dass mit leichten Modifikationen grundsätzlich andere Ergebnisse erzielt werden können. Die völlig willkürlich gesetzte Schuldengrenze von 60 Prozent des BIP bleibt erhalten. Länder mit einer Schuldenquote von über 90 Prozent müssen die Verschuldung jährlich um ein Prozent, Länder mit einer Verschuldung zwischen 60 und 90 Prozent um ein halbes Prozent pro Jahr senken. Die Rechtfertigungspflicht gegenüber der EU-Kommission bleibt; die Willkür, die damit einzog, auch. Die EU-Kommission benutzt ihre Macht über die Haushalte zur Steuerung der Politik in den EU-Staaten. 

Schon jetzt ist klar, dass die Rückkehr zu den Maastricht-Kriterien einen weiteren EU-weiten Rückbau der sozialen Sicherungssysteme zur Folge haben wird. Die EU-Staaten befinden sich in einem Dumping-Wettbewerb, der die sozialen Standards immer weiter nach unten drücken wird. 

Trotz der Wiedereinführung der strengen Schuldenregeln besteht die EU dennoch auf Aufrüstung. Damit droht für die EU nach 15 verlorenen Jahren durch die Griechenland- und die Corona-Krise ein weiteres verlorenes Jahrzehnt. Die EU fällt international immer weiter zurück.

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