Der tschechische Geheimdienst behauptet, im Besitz von Tonaufnahmen zu sein, die den AfD-Politiker Petr Bystron schwer belasten. Sie sollen eine Bestechung Bystrons durch ein prorussisches Netzwerk in Prag belegen. Das berichtet in einem Abo-Artikel die tschechische Zeitung Deník N unter Berufung auf Regierungsquellen. Demnach seien die Minister der tschechischen Regierung vom Geheimdienst dazu informiert worden.
Die AfD-Spitze fordert angesichts der Vorwürfe nun Aufklärung von ihrem Bundestagsabgeordneten und Europawahl-Kandidaten Bystron, berichtet das deutsche regierungsnahe Portal t-online weiter und zitiert aus einem Brief der beiden Parteivorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla, welcher der Redaktion vorliegt. Im Schreiben fordern sie Bystron auf, bis Donnerstag, 4. April, 14 Uhr schriftlich Stellung zu beziehen, "um sämtliche Vorwürfe zweifelsfrei ausräumen und von Seiten des Bundesvorstands unserer Partei entsprechend reagieren zu können".
T-online berichtet, dass die AfD-Spitze Bystron für kommenden Montag zum Gespräch einbestellt habe. Die Korruptionsvorwürfe sollen laut Daniel Tapp, dem Sprecher der AfD-Chefin Alice Weidel, am Montag Thema in der Sitzung des AfD-Bundesvorstands sowie des Fraktionsvorstands sein.
Bystron: "Ich habe mir nichts vorzuwerfen"
Bis vor Kurzem war Bystron Leiter des Arbeitskreises Außen in der AfD-Fraktion im Bundestag. Im Sommer wurde er auf Platz zwei der Liste für die Europawahl gesetzt. Sein Wechsel von Berlin nach Brüssel gilt laut t-online als sicher. Da er und viele seiner Parteikollegen aus der Fraktion als "russlandfreundlich" gelten, sieht er sich als Opfer einer entsprechenden Verleumdungskampagne.
Auf Anfrage des Mediums sagte Bystron am Mittwoch: "Dass sich die Kollegen aus dem Bundesvorstand aus erster Hand informieren wollen bei einer solchen medialen Kampagne, ist verständlich und richtig." Er werde dem Vorstand die Informationen, die er habe, gern zur Verfügung stellen. "Ich habe mir nichts vorzuwerfen."
Bystron bezeichnete die Vorwürfe als "Diffamierungskampagne" im Vorfeld der EU-Wahl, die sich gegen Parteien richte, die den Krieg in der Ukraine ablehnten. Sie fuße auf "unbelegten Anwürfen" des tschechischen Geheimdienstes. Er fordere den Geheimdienst auf, die "angeblichen Beweise endlich" zu veröffentlichen.
Koordinierte Kampagne mit Spiegel
Vergangene Woche hatten Deník N und der Spiegel unter Berufung auf den tschechischen Geheimdienst berichtet, dass europäische Politiker Geld aus einem prorussischen Netzwerk erhalten haben. Der Geheimdienst hatte ein von Moskau finanziertes angebliches Propagandanetzwerk um die in Prag ansässige Nachrichtenseite Voice of Europe ausgehoben.
Die Gruppe habe Voice of Europe genutzt, um Informationen zu verbreiten, die die Europäische Union davon abhalten sollten, der Ukraine im Kampf gegen die russische Armee Hilfe zu leisten, sagte Ministerpräsident Petr Fiala am Mittwoch. Tschechien gehört seit Beginn der russischen Militäroperation einem militanten EU- und NATO-Flügel an und liefert im großen Stil Waffen an die Ukraine.
Deník N berichtete, über das Netzwerk seien bei Besuchen in Prag auch Gelder in bar an Politiker übergeben worden. Es habe sich um Politiker aus Deutschland, Frankreich, Polen, Belgien, den Niederlanden und Ungarn gehandelt – alles Länder, in denen starker Stimmenzuwachs der russlandfreundlichen und EU-skeptischen Parteien aus dem sogenannten rechten Spektrum zu verzeichnen ist. Ausdrücklich wurde die AfD genannt, ohne zunächst Namen von Politikern anzugeben. Der Spiegel hat in einem parallel erschienenen Artikel Bystron und den EU-Abgeordneten Maximilian Krah mit Kontaktschuld zum ehemaligen ukrainischen Unternehmen und Politiker Wiktor Medwedtschuk belastet.
Auf der Plattform Voice of Europe waren unter anderem Interviews mit mehreren AfD-Politikern erschienen – neben Bystron auch mit Maximilian Krah und weiteren EU-Abgeordeten, wie Joachim Kuhs. Krah und Kuhs hatten t-online auf Anfrage erklärt, dass sie kein Geld erhalten hätten. Bystron bezeichnete die Recherche als Verleumdung. Auf seiner Facebookseite schrieb er:
"Im Bundestagswahlkampf war es der deutsche Geheimdienst, im EU-Wahlkampf der tschechische. Früher war man ein Rechtsextremist, jetzt ein Agent Moskaus... Die Variablen ändern sich, die Blaupause bleibt dieselbe. 'It's Wahlkampf, Baby!'"
Laut Deník N soll für die Barzahlungen an die Politiker und für den Betrieb des Portals ein sechsstelliger Eurobetrag aufgewendet worden sein. Das Geld soll entweder über Krypto-Währungen oder bei Treffen in Prag bar geflossen sein. Geldgeber sei der "prorussische Oligarch" Wiktor Medwedtschuk.
Ist es tatsächlich ein "Abhörskandal"?
Medwedtschuk war in den Jahren 2018-2022 leitende Figur in der ukrainischen Partei "Oppositionsplattform fürs Leben" und trat für eine friedliche Koexistenz der Ukraine und Russlands auf. Für seine Ansichten wurde er vom Selenskij-Regime bereits Jahre vor dem Beginn der Militäroperation politisch verfolgt. Die von ihm mitfinanzierten Fernsehsender wurden 2021 verboten, er selbst unter Hausarrest gestellt. Nach Beginn des russischen Militäreinsatzes in der Ukraine wurde Medwedtschuk gefangengenommen und Monate später im Rahmen eines Gefangenenaustauschs an Moskau ausgeliefert. Medwedtschuk steht auf der US-Sanktionsliste ‒ die ukrainische Staatsbürgerschaft samt seinem Firmenbesitz sind ihm von der Kiewer Regierung entzogen worden.
Als Leiter der Bewegung "Andere Ukraine" ist Medwedtschuk derzeit medial sehr aktiv. Die AfD-Politiker Bystron und Krah kennt er in der Tat persönlich. Doch, dass sie von ihm mit eher kleineren Summen bestochen werden konnten, erscheint extrem unrealistisch. Petr Bystron stammt aus einer tschechischen Dissidentenfamilie. Er und Krah sind bekannt für ein selbstbewusstes und unabhängiges Auftreten, und ihre Positionen zu außenpolitischen Fragen haben sich im Laufe der Jahre nicht geändert. Als einer der wenigen in der Bundespolitik hat Petr Bystron die Banderisierung der Ukraine noch im Jahr 2018 scharf verurteilt und trat für ein gutes und wirtschaftlich vorteilhaftes Verhältnis zu Russland auf.
Auch die "Beweislage" gegen Bystron ‒ mit anonymisierten Quellen und zumindest bislang nicht veröffentlichten angeblichen Telefonaten und anderen möglichen Beweisstücken ‒ lässt zu wünschen übrig. Dass das Abgehörte veröffentlicht werden kann und muss, wenn es darum geht, einen Skandal zu provozieren, zeigt nicht zuletzt die Abhöraffäre um die Angriffspläne der Bundeswehr gegen russische Ziele.
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