Mindestens 500 Migranten und Obdachlose wurden aus der Hauptstadt in ländliche Gebiete und Kleinstädte in Frankreich verbracht, während sich Paris auf die Ausrichtung der Olympischen Sommerspiele 2024 im Juli und August vorbereitet. Menschenrechtsaktivisten und einige örtliche Verwaltungen sehen darin einen Versuch, die Obdachlosen vor dem Ereignis zu verstecken.
Einige regionale Bürgermeister haben ihren Sorgen angesichts der Neuankünfte in ihrer Region Ausdruck verliehen. Serge Grouard, der Bürgermeister von Orléans in Zentralfrankreich, einer Stadt mit etwas über 100.000 Einwohnern, bestätigte am Montag gegenüber Reportern, es gebe Gerüchte, dass es bei dem Schritt darum gehe, in der Hauptstadt vor den Spielen "das Deck zu putzen".
Grouard sagte, in seiner Stadt seien ohne vorherige Ankündigung bis zu 500 obdachlose Migranten eingetroffen. "Ich bin mir nicht sicher, aber das Zusammentreffen ist offenkundig verstörend," fügte er hinzu. Den Neuankömmlingen wird für drei Wochen ein Hotel auf Staatskosten finanziert, aber danach sind sie auf sich gestellt, erklärte er. Die stellvertretende Bürgermeisterin von Straßburg, Floriane Varieras, sagte gegenüber AFP, sie stehe dem gleichen Problem gegenüber, und nannte die Situation "undurchsichtig".
Auch einige Menschenrechtsaktivisten haben diesen Schritt mit den kommenden Sommerspielen verknüpft und erklärten, die Regierung habe die Kampagne gestartet, um die französische Hauptstadt "präsentabler" zu machen. "Wenn es darum geht, das Elend und die Obdachlosigkeit einfach zu verstecken und vor Olympia die Luft zu reinigen, dann funktioniert das auf der humanitären Ebene wirklich nicht," sagte Paul Alauzy von der NGO Ärzte der Welt zu Euronews.
Die regionalen Sicherheitsbehörden des Staates wiederholten am Donnerstag, die jüngsten Umsiedlungen seien das Ergebnis dessen, dass die Notunterkünfte an ihre Grenzen gestoßen seien, und fügten hinzu, die Maßnahme habe nichts mit den Olympischen Spielen zu tun.
Einige der Umgesiedelten bestätigten gegenüber Euronews, dass ihnen geraten wurde, das Gebiet zu wechseln, wobei Überfüllung als Grund angegeben worden sei.
In Frankreich wurden 2023 167.000 Asylanträge gestellt, das ist die zweithöchste Zahl in der EU, wobei die Migranten vor allem aus Afrika, Südasien und dem Nahen Osten kamen.
Da die Nachfrage nach kurzfristigen Notunterkünften bei Weitem das Angebot übersteigt, entstehen rund um die Hauptstadt regelmäßig provisorische Lager, die ebenso regelmäßig von der Polizei durchsucht und aufgelöst werden.
Frankreich wäre nicht das erste olympische Gastgeberland, das zu dieser Art Maßnahmen greift. 2008 führte Olympia in Peking dazu, dass Hunderte Bettler und Wohnungslose von den Straßen entfernt wurden, wobei viele in ihre Ursprungsregionen verbracht wurden. Als Brasilien 2016 die Spiele beherbergte, wurden die Obdachlosen in Rio de Janeiro aus den Touristengebieten entfernt. Auch der damalige Londoner Bürgermeister Boris Johnson wurde 2012 für seine Bemühungen kritisiert, Obdachlose und Straßenprostituierte zu vertreiben.
Mehr zum Thema – Eine "soziale Wende" in der EU – Wer hat die denn gesehen?