Russland hat von Deutschland gefordert, Verbrechen des Dritten Reiches im Zweiten Weltkrieg, darunter die Leningrader Blockade, als Völkermord an nationalen und ethnischen Gruppen der Sowjetunion anzuerkennen. Wie die Nachrichtenagentur TASS unter Berufung auf ein entsprechendes Dokument berichtete, stelle Moskau fest, dass sich die Vorgehensweise der deutschen Behörden in dieser Frage als widersprüchlich erweise. Während Berlin seine Gräueltaten zu Kolonialzeiten als Völkermord eingestuft habe, bleibe dieselbe Entscheidung in Bezug auf Verbrechen gegen die Bevölkerung der Sowjetunion immer noch aus.
In dem Dokument wurde zudem auf die Erklärung des deutschen Außenministeriums anlässlich des 80. Jahrestages des Endes der Leningrader Blockade aufmerksam gemacht. Damals hatte das Ministerium die langjährigen Forderungen vonseiten Russlands unbeantwortet gelassen, die humanitären Zahlungen, die derzeit ausschließlich an jüdische Überlebende der Blockade geleistet würden, auf alle Überlebenden auszuweiten. Der Meldung zufolge betrachte die russische Seite diese Praxis als Diskriminierung aus ethnischen Gründen. Die Aussagen Berlins, die Frage sei durch die Zahlung von Reparationen nach dem Zweiten Weltkrieg geregelt worden, halte Moskau für absolut inakzeptabel und nicht überzeugend. TASS zitierte das offizielle russische Schreiben:
"Es kann im Prinzip keinen rechtlichen Zusammenhang zwischen den Reparationen in der Nachkriegszeit und der Wiederherstellung menschlicher Gerechtigkeit für alle Überlebenden der Leningrader Blockade geben, unabhängig von ihrer Nationalität. Die seit langem versprochene, aber immer noch nicht realisierte 'humanitäre Geste' der deutschen Regierung an die Überlebenden der Leningrader Blockade ist mit dem Ausmaß der Leningrader Tragödie nicht vergleichbar."
Außerdem wurde in dem Dokument auf die "amoralische Logik" Deutschlands verwiesen, die seit Jahrzehnten ehemaligen Soldaten des Dritten Reiches, SS-Mitgliedern und Kollaborateuren Sozialleistungen gezahlt habe. Dies lasse Zweifel an der Aufrichtigkeit der Erklärungen Deutschlands über seine historische Verantwortung für die schrecklichen Verbrechen des Naziregimes auf dem Territorium der Sowjetunion aufkommen. Dennoch werde Russland die Rechte der Opfer der Naziverbrechen weiterhin entschlossen verteidigen. Von der deutschen Seite werde eine sachliche Antwort auf die Erklärung erwartet.
Zur Frage des Genozids an den Völkern der Sowjetunion hatte sich Ende Februar auch Maria Sacharowa geäußert. Die Sprecherin des russischen Außenministeriums erinnerte daran, dass allgemeinen Schätzungen zufolge rund 80 Millionen Sowjetbürger von der Tragödie der deutschen Besatzung betroffen waren. Knapp 13,7 Millionen von ihnen kamen ums Leben, wurden in die Sklaverei entführt oder mussten eines Hungertodes sterben. Die Leningrader Blockade allein forderte 1.093.000 Menschenleben.
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