Von Irina Alksnis
Emmanuel Macron setzt seine unaufhaltsame Flut von Verlautbarungen und Initiativen fort. Nach der Ankündigung, Russland einen Waffenstillstand während der Olympischen Sommerspiele in Paris anzubieten (wobei man sich fragt, was unser Land mit den Spielen zu tun hat), und der Bereitschaft, mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zu sprechen, wenn er anruft, kehrte der französische Präsident zum Thema der westlichen militärischen Beteiligung an den Kämpfen in der Ukraine zurück. In einem kürzlichen Interview mit Le Parisien gab Macron zu, dass er Einsätze zur "Konfrontation mit russischen Truppen" nicht ausschließe.
Die Aktivitäten des französischen Staatschefs haben eine Reihe von Widersprüchen und Problemen innerhalb der EU ans Licht gebracht. Laut der britischen Zeitung The Telegraph besteht der Hauptgrund für die Wandlung des Franzosen von einer Friedenstaube zu einem Falken in den Meinungsverschiedenheiten mit Berlin über nicht eingehaltene Vereinbarungen und in dem Wunsch von Paris, seine Rolle als strategischer Anführer im Verbund mit Deutschland (dem durch eben diese Vereinbarungen die Rolle des wirtschaftlichen Anführers zugewiesen wird) wiederzuerlangen. Grundsätzlich ist Europa in der Frage des weiteren Vorgehens in dem Konflikt gespalten: Auf der einen Seite hat sich eine Gruppe von Falkenstaaten gebildet (zu denen vor allem die "baltischen Tiger" gehören), auf der anderen Seite lehnt der Rest der EU-Länder einen offenen Krieg mit Russland kategorisch ab. Und die öffentliche Meinung ist beeindruckend einhellig: Fast niemand ist glücklich über die Aussicht auf die Eröffnung einer "Ostfront".
Angesichts der plötzlichen Nüchternheit, die sogar von russophoben Ländern wie der Tschechischen Republik an den Tag gelegt wurde, mag es so aussehen, als ob all dies mit leerem Geschwätz enden wird und die Globalisten, die ihrer Ziele wegen Europa in einen Krieg mit Russland treiben, ihre Ziele nicht erreichen können werden.
Es ist jedoch nicht nur ein bedeutender Teil des eigenen Establishments, das keineswegs nationalen Interessen dient, sondern es sind auch viel größere und tiefer liegende Faktoren – wie Demographie und Wirtschaft –, die gegen die Europäer arbeiten.
Die Bevölkerung der Europäischen Union beträgt etwa 450 Millionen. Und diese fast eine halbe Milliarde hat in den letzten Jahrzehnten das beste Leben der Welt geführt. Europa ist die wohlhabendste, stabilste, am weitesten entwickelte und am besten ernährte Region der Erde, zumindest war sie das bis vor kurzem. Selbst die USA konnten sich nie eines solchen Niveaus an sozialer Sicherheit und Wohlfahrt für die gesamte Bevölkerung rühmen ‒ die USA haben traditionell ein viel strengeres System des "Sozialdarwinismus".
Wie jedoch jedem offensichtlich geworden ist, lebte die Pracht des europäischen Sozialismus auf Kosten anderer, einschließlich der billigen russischen Energieressourcen. Und gerade jetzt hört dieses System auf zu existieren: Die Industrie in der EU stirbt, die Wirtschaft degeneriert, die Staaten verzehren ihre Reserven, und die Bevölkerung verpulvert das angesammelte Sicherheitspolster. Und dieser Prozess schreitet schnell voran und wird allem Anschein nach nur noch wenige Jahre dauern.
In sozioökonomischer Hinsicht wird Europa um Jahrzehnte zurückgeworfen. Die wohlhabendste halbe Milliarde Menschen auf dem Planeten wird ihren Lebensstandard und ihre Lebensqualität rasch und radikal reduzieren müssen. Und damit stellt sich für die örtlichen Behörden die Frage, wie sie die Kontrolle über die Situation und die Bevölkerung selbst behalten können, die, den wachsenden Protesten nach zu urteilen, bereits unzufrieden mit den Veränderungen ist, die ihr widerfahren. Es ist offensichtlich, dass es nur noch schlimmer werden kann. Übrigens ist es bezeichnend, dass die Europäer das Hauptversuchsfeld für die aggressive Förderung der "fortschrittlichsten" Themen der westlichen Agenda darstellen, wie etwa die Ablehnung von Fleisch zugunsten des Verzehrs von Heuschrecken und anderen Alternativen.
Hunderte Millionen Menschen, die für die schrumpfende Wirtschaft nicht gebraucht werden und nicht sonderlich wohlgenährt sind, sind jedoch nicht nur eine gefährliche Belastung für die Behörden, sondern auch eine nützliche Ressource, wenn ein Kanal für ihre Verwendung und Verwertung gefunden wird. Genau dieser Prozess ist derzeit in Bezug auf die Bevölkerung der Ukraine zu beobachten. Für die Europäer gibt es praktisch keine Chance, dem gleichen Schicksal zu entgehen.
Das geopolitische und wirtschaftliche Zentrum des Planeten verlagert sich in den asiatisch-pazifischen Raum. Die Hauptaufgabe der USA bleibt die Konkurrenz mit China. Den "Fleischwolf" im Westen Eurasiens von der Ukraine auf das paneuropäische Regime zu verlagern, um Russland, wenn schon nicht zu besiegen, so doch zumindest teilweise die Hände zu binden, scheint eine vielversprechende Strategie zu sein.
Was die Hoffnung betrifft, dass die verwöhnten Europäer nicht in einen solchen kollektiven Selbstmord verfallen, so verändern Hunger, Kälte und eine ruinierte Wirtschaft die Menschen sehr schnell. Und die Ereignisse der letzten Jahre, einschließlich der Ablehnung von russischem Gas, haben gezeigt, dass der Selbsterhaltungssinn dort ziemlich gering ausgeprägt ist.
Europa, ohne zur Besinnung zu kommen, bewegt sich konsequent und zügig auf einem Weg, der zum Krieg mit Russland führt. Und genau darauf muss sich unser Land vorbereiten.
Übersetzt aus dem Russischen und zuerst erschienen bei RIA Nowosti am 17. März 2024.
Irina Alksnis ist eine russische Politologin und Publizistin.
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