Von Wladislaw Ugolni
Am Samstag vor einer Woche gab das russische Verteidigungsministerium bekannt, dass Awdejewka – lange Zeit eine wichtige Hochburg der Streitkräfte der Ukraine (AFU) nordwestlich der Stadt Donezk – eingenommen wurde. Das Gebiet galt bereits 2014 als strategisch wichtig, nachdem Kiews Truppen gegen lokale Separatisten den Kampf aufgenommen hatten. Nach Beginn der russischen Militäroperation im Jahr 2022 eskalierte die Situation in der Umgebung von Awdejewka erneut und in den vergangenen zwei Jahren tobten dort heftige Kämpfe.
An der jüngsten Konfrontation, die am 10. Oktober vergangenen Jahres begonnen hatte und mit der Niederlage der ukrainischen Garnison endete, waren russische Truppen beteiligt, die aus der Richtung Liman verlegt worden waren und unter dem Kommando von Generaloberst Andrei Mordwitschew standen.
Die ukrainische Armee, die den russischen Vormarsch nicht aufhalten und der Garnison keine nachhaltige Versorgung bieten konnte, floh überstürzt aus Awdejewka und ließ etwa 850 Verwundete zurück, darüber hinaus zahllose Leichen und eine Menge militärische Ausrüstung. Den Ukrainern blieb auch keine Zeit, die Hochhäuser in der Gegend zu sprengen, von denen aus die russischen Truppen nun einen klaren Blick auf die künftigen Verteidigungslinien der AFU haben. Die Zahl der während der Schlacht und im Verlauf des Abzugs getöteten ukrainischen Soldaten ist bisher nicht bekannt. Nach Angaben des russischen Verteidigungsministers Sergei Schoigu verlor die AFU in den 24 Stunden vor der Einnahme von Awdejewka mehr als 1.500 Mann.
Die Tatsache, dass russische Truppen die Stadt erfolgreich erobern konnten, verändert die operative Situation in Richtung Donezk. Die Befreiung von Awdejewka verringert nicht nur die Zahl möglicher ukrainischer Angriffe auf Donezk, Makejewka und Jasinowataja mit Artillerie, da die Frontlinie nach Westen und nach Norden verschoben wurde, sondern ermöglicht Russland auch die Inbetriebnahme sowohl der Autobahn Donezk – Gorlowka als auch des wichtigen Eisenbahnknotenpunkts in Jasinowataja. Darüber hinaus war die AFU gezwungen, sich auf neue, weniger stark befestigte Stellungen zurückzuziehen.
Dieser Sieg hat unter anderem die Moral der Einwohner von Donezk erheblich gestärkt und ihnen Hoffnung gegeben, dass das Leben allmählich wieder normal werden kann und der Artillerieterror, unter dem sie seit vielen Jahren zu leiden haben, der Vergangenheit angehört. Um die Freude und Erleichterung dieser Menschen vollständig zu verstehen, müssen wir in die Vergangenheit eintauchen. Wenn es Ihnen also nichts ausmacht, nehme ich mir kurz Zeit, um einen historischen Hintergrund zu vermitteln.
Krieg im Donbass und die Minsker Abkommen
Vor Ausbruch des Krieges im Donbass im Jahr 2014 war Awdejewka eine typische ostukrainische Industriestadt. Das am nördlichen Stadtrand von Awdejewka gelegene Kokerei- und Chemiewerk Awdejewka – das später der AFU als Stützpunkt diente – war einst eine der größten metallurgischen Anlage in der Ukraine.
Als der Bürgerkrieg ausbrach, geriet die Stadt vorerst unter die Kontrolle der Volksrepublik Donezk (DVR). Awdejewka war von strategischer Bedeutung, da es zwischen Donezk – der Hauptstadt der DVR – und Gorlowka lag, einer der größten von den Aufständischen kontrollierten Städte. Im Juli 2014 kam es zu den ersten Kämpfen um Awdejewka. Den prorussischen Milizen gelang es jedoch nicht, die Kontrolle über die Stadt aufrechtzuerhalten, die infolgedessen am 28. Juli von der AFU besetzt wurde, die daraufhin weiter in Richtung Jasinowataja vorrückte.
Die Vereinbarungen von Minsk I – ein Versuch, den internen Konflikt in der Ukraine durch Diplomatie und mithilfe Russlands, Frankreichs und Deutschlands zu lösen – sahen vor, dass Awdejewka unter der Kontrolle der Ukraine bleiben sollte. Die Stadt wurde in der Folge zusammen mit dem Gebiet rund um den Flughafen Donezk und dem Dorf Peski in der Nähe von Donezk zum wichtigsten Stützpunkt der AFU. Gemäß der ersten Minsker Vereinbarung mussten sich die ukrainischen Streitkräfte aus einigen dieser Gebiete zurückziehen, um eine Pufferzone zu schaffen. Diese Stellungen wollte die AFU jedoch nicht aufgeben, um Donezk und andere Teile der DVR weiterhin mit Artilleriefeuer angreifen zu können.
Dies stellte eine erhebliche Bedrohung für die DVR dar. Nach Beginn der zweiten Phase der Feindseligkeiten, im Januar und Februar 2015, stürmten die Truppen der DVR die Hauptgebäude des Flughafens Donezk und versuchten erfolglos, Peski und Awdejewka anzugreifen. Zu dieser Zeit erfuhr das Donezker Militär erstmals von dem Bunkerkomplex Zenit – einem ehemaligen sowjetischen Stützpunkt der Luftverteidigung, der einst für eine globale Konfrontation zwischen der NATO und dem Warschauer Pakt errichtet und ausgerüstet worden war. Die dort stationierte ukrainische Garnison stellte fest, dass eine Kolonne der Miliz vom Dorf Spartak aus in Richtung des Mikrobezirks Chimik – später als "die Festung" bekannt, ein Gebiet mit mehrstöckigen Wohngebäuden, während der Rest der Stadt hauptsächlich aus Industriegebäuden und Privathäusern bestand – bei Awdejewka vorrückte. Der Angriff wurde in der Folge vereitelt.
Auch im Winter 2015 gelang es den Streitkräften der DVR nicht, Awdejewka zu befreien, worauf die Kontaktlinie "eingefroren" wurde, was während des "Waffenstillstands" zu blutigen Stellungskriegen führte. Die Nähe der Stadt zu strategisch wichtigen Orten wie der Autobahn Donezk – Gorlowka und der "Gabelung von Jasinowataja" führte zu permanenten Spannungen zwischen den Konfliktparteien. In den Jahren 2016 und 2017 kam es zu heftigen Kämpfen um die Kontrolle über den Lüftungsschacht der Mine Butowka und die Stellungen Almazy und Promka, die sich im Industriegebiet von Awdejewka befanden.
Im Winter 2017 hätte die Eskalation in der Nähe von Awdejewka beinahe zu einer Wiederaufnahme aktiver Feindseligkeiten geführt. Allerdings halfen die Garanten der Minsker Vereinbarungen damals, die Situation zu beruhigen. Die Frontlinie konnte bis 2022 stabilisiert werden und die Anzahl der Waffenstillstandsverstöße ging zurück. Trotz der Pattsituation konnte die Ukraine dies als Erfolg verbuchen, da sie sowohl die Kontrolle über Awdejewka behalten hatte – mit Ausnahme eines kleinen Teils von Promka, der unter der Kontrolle der Streitkräfte der DVR blieb – als auch die Autobahn zwischen Donezk und Gorlowka blockieren konnte.
Die Ukraine kontrollierte zudem auch die lokale Anlage, die das Wasser für die Bewohner des Stadtgebiets von Donezk aufbereitete. Die Kiewer Streitkräfte gingen zu Erpressungspraktiken über und verwehrten dem in der DVR lebenden Personal den Zutritt zu der Anlage. Infolgedessen musste in dieser humanitären Krise, das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) die Rolle eines Vermittlers übernehmen.
Der Beginn der russischen Offensive und die erste Phase der Schlacht um Awdejewka
Nachdem Russland die Republiken des Donbass anerkannt und 2022 seine Militäroperation eingeleitet hatte, wurde der Großteil der Streitkräfte im südlichen Teil der Front zusammengezogen – in Wolnowacha und Mariupol. Obwohl dies zu einem großen strategischen Erfolg für Moskau führte, durch den der sogenannten "Landkorridor zur Krim" gebildet werden konnte, nutzte die AFU diese Zeit, um ihre Verteidigungsanlagen in der Region um Donezk zu befestigen. Infolgedessen konnten die russischen Truppen Awdejewka nicht sofort angreifen und erobern.
Im März vergangenen Jahres begann die erste Phase der Schlacht um Awdejewka. Russlands Streitkräfte durchbrachen zunächst die ukrainische Verteidigung östlich der Stadt. Später wurde dieses Gebiet als Nordflanke der Einkesselung bekannt und verhalf der russischen Armee schließlich zum Sieg in dieser Schlacht. Am 23. März wurde das Dorf Werchnetorezkoje befreit. Im darauffolgenden Mai gelang es, auch die Dörfer Troizkoje, Nowoselowka und Nowoselowka II sowie einen Teil des Dorfes Nowobachmutowka unter die Kontrolle der DVR zu bringen.
Im Juni waren die Truppen der DVR nicht mehr in der Lage, weiter vorzurücken. Einheiten der Volksmiliz, einschließlich jener, die in der Nähe von Awdejewka positioniert waren, wurden zur Verstärkung der Truppen der Lugansker Volksmiliz verlegt, die im Gebiet Lissitschansk-Sewerodonezk gegen die ukrainische Garnison kämpfte. Am 3. Juli 2022 wurde Lissitschansk durch die russischen Truppen befreit und die Einheiten des Donezker 1. Armeekorps kehrten in die DVR zurück und bereiteten sich auf die zweite Phase der Schlacht vor.
Das 1. Armeekorps errang zwar einen wichtigen Sieg in der Lugansker Volksrepublik, aber die Tatsache, dass man sich für fast zwei Monate aus Awdejewka zurückziehen musste, ermöglichte es der AFU, ihre Garnison zu verstärken. Allerdings konnten russische Truppen mehrere Dörfer besetzen und die Sicherheitslage rund um Jasinowataja stabilisieren.
Die zweite Phase der Schlacht: Die Südflanke
Im Juli 2022 lancierte Russland eine Offensive am westlichen Stadtrand von Donezk: Awdejewka, Peski, Newelskoje und Marjinka. Dies kann als zweite Phase der Schlacht um Awdejewka eingestuft werden. Die Kämpfe waren erbittert und konnten mit dem Stellungskrieg verglichen werden, wie er aus dem Ersten Weltkrieg bekannt ist, bei dem jeder dem Feind abgerungene Quadratkilometer gefeiert wurde.
Dieses Mal konzentrierten sich die Streitkräfte hauptsächlich südwestlich von Awdejewka, während die Aktivitäten an der nordöstlichen Flanke als Täuschungsmanöver dienten. Russische Truppen besetzten umgehend den Lüftungsschacht der Mine von Butowka, stießen dann aber auf ukrainische Stellungen entlang der Donezker Ringstraße und im befestigten Gebiet Zenit.
Russische Truppen lancierten außerdem eine Offensive rund um den Flughafen Donezk, wodurch sie einen Teil des Territoriums unter ihre Kontrolle bringen konnten. Diese Stellungen waren als "Ameisenhaufen" bekannt und befanden sich in der Nähe der Dörfer Wodjanoje und Opytnoje. Schließlich konnte das gesamte Gebiet des Flughafens Donezk im November 2022 von russischen Truppen besetzt werden.
Drittens zogen sich die Kämpfe um das Dorf Peski, das zwischen der Stadt Donezk und der Donezker Ringstraße liegt, etwa einen Monat lang hin. Peski war von strategischer Bedeutung, da die Ukraine der Ort als Brückenkopf für einen Angriff auf Donezk hätte nutzen können und er außerdem den Verteidigungspositionen Kiews vorgelagert war. Dieses Dorf an vorderster Front, in dem sich die Datschen (Wochenendhäuser) der oberen Mittelschicht von Donezk befanden, wurde seit Beginn der Kämpfe im Jahr 2014 fast vollständig verlassen und komplett militarisiert.
Nach der Befreiung von Peski und der Einnahme der ukrainischen Festung namens "Republik der Brücken", überquerten russische Truppen die Donezker Ringstraße und drangen in die östlichen Außenbezirke des Nachbardorfes Pjerwomaiske ein. Allerdings stehen die Kämpfe um Pjerwomaiske, die bis heute andauern, nicht im direkten Zusammenhang mit der Schlacht um Awdejewka, abgesehen von irreführenden Manövern zur Ablenkung des Feindes.
Nachdem die russische Armee die Donezker Ringstraße erreicht hatte, rückte sie weiter nach Norden in Richtung der Dörfer Wodjanoje und Opytnoje vor. Zu diesem Zeitpunkt stellte sich ein Mangel an Munition ein und die russische Luftwaffe verfügte noch nicht über eine ausreichende Anzahl Gleitbomben. Die Offensive geriet ins Stocken und kam recht langsam voran. Doch am 15. November konnten russische Truppen Opytnoje erobern und am 14. Dezember 2022 geriet auch der östliche Teil von Wodjanoje unter russische Kontrolle. Die Kämpfe um die Kontrolle über den westlichen Teil des Dorfes sind bis zu diesem Zeitpunkt noch im Gang.
Während dieser Zeit griff die ukrainische Armee unablässig Donezk mit Artillerie und Raketen an, was zahlreiche Todesopfer unter der Zivilbevölkerung forderte. Einige dieser Angriffe wurden aus dem Gebiet in der Nähe von Awdejewka durchgeführt. Zu diesem Zeitpunkt hatten die russischen Behörden wiederholt erklärt, dass eines der Ziele der Militäroperation der Schutz der Menschen im Donbass sei – und dies wäre ohne die Verdrängung der ukrainischen Artillerie aus der Stadt Donezk unmöglich gewesen.
Nachdem die Einheiten des 1. Armeekorps an der Südwestflanke einige Fortschritte erzielen konnten, hatten sie ihr Angriffspotenzial – unter anderem aus Gründen des Munitionsmangels – erschöpft und reduzierten ihre Intensität der Angriffsoperationen. Im Laufe des folgenden Jahres weiteten die russischen Streitkräfte ihren Kontrollbereich um etwa zwei Kilometer nördlich und westlich der Linie Wodjanoje – Opytnoje aus, gerieten jedoch an die Verteidigungsstellungen der AFU, die sich zwischen Wodjanoje – Opytnoje und dem Dorf Tonenkoje befanden.
Die dritte Phase der Schlacht im Frühjahr 2023: Die Nordflanke
Anfang 2023 begann für beide Seiten eine unruhige Zeit. Die Ukraine verlor die Kontrolle über Soledar und die Position der AFU in Artjomowsk (Bachmut) sah nicht gut aus. Zu dieser Zeit war das Gebiet Schauplatz heftigster Kämpfe und beide Seiten konzentrierten sich vornehmlich auf die Versorgung ihrer Streitkräfte. Was Russland betrifft, so war es am Aufbau von Verteidigungslinien im Süden und in der Lugansker Volksrepublik beteiligt und hatte sich zum Ziel gesetzt, die ukrainischen Reserven im "Fleischwolf von Bachmut" zu vernichten.
Um einen weiteren Brennpunkt zu schaffen und die AFU von Artjomowsk abzulenken, unternahm die russische Armee Ende Februar 2023 einen weiteren Angriffsversuch auf Awdejewka. Dabei verlagerte sich der Schwerpunkt auf die nordöstliche Flanke. Bis April hatten die Russen das Dorf Nowobachmutowka erobert und errichteten ihre Verteidigung gegenüber der städtischen Siedlung Nowgorodskoje – in der Ukraine als New York bekannt – entlang der auf den Höhen verlaufenden Eisenbahnlinie. Dies wurde für den Fall organisiert, dass die AFU versuchen würde, von Norden aus einen Gegenangriff zu lancieren und die russischen Streitkräfte zurückzudrängen.
Die russischen Truppen überquerten später die Autobahn Donezk – Kostantinowka und eroberten zunächst die Dörfer Weseloje, Krasnogorowka und schließlich Kamenka. Ein weiterer Vorstoß war zu diesem Zeitpunkt aufgrund des Beginns der Gegenoffensive der Ukraine in der Nähe von Artjomowsk und dann im Gebiet von Rabotino und auf der Wremjewski-Landzunge unmöglich. Der Fokus der russischen Armee hatte sich erneut in andere Richtungen verlagert.
Die vierte Phase der Schlacht: Ein Versuch, Awdejewka einzukreisen
Nach dem Scheitern der Gegenoffensive der Ukraine im Sommer 2023, richtete das russische Kommando seine Aufmerksamkeit erneut auf Awdejewka. Neben dem strategischen Wert dieser Stadt ähnelten die teilweise eingekesselten Stellungen der ukrainischen Truppen der Situation in Artjomowsk, einer Stadt, die Kiew so lange wie möglich zu halten versuchte, was das Leben vieler Soldaten kostete.
Zu diesem Zweck wurden die 2. und die 41. Kombinierte Waffenarmee des zentralen russischen Militärbezirks als Verstärkung aus Richtung Liman nach Awdejewka verlegt. Generaloberst Mordwitschew, der an der Erstürmung von Mariupol beteiligt war und die 8. Kombinierte Waffenarmee befehligte, zu der auch das 1. Armeekorps gehört, das Awdejewka gestürmt hat, war für die Operation verantwortlich. Für die Ukraine kam diese Truppenverschiebung überraschend. Der Militärexperte Konstantin Maschowets, der dem Geheimdienst der Ukraine angehört, schrieb:
"Der Feind verlegt weiterhin Einheiten der 2. Kombinierten Waffenarmee aus der Richtung Liman. Soweit ich das beurteilen kann, verschleiert er die Bewegung seiner Truppen mit jeder Menge an Desinformation. Wenn man versucht, ihren Standort ausschließlich auf der Grundlage von Open-Source-Daten zu bestimmen, sieht es so aus, als ob sie sich an mehreren Orten gleichzeitig befinden."
Die neu eingetroffenen russischen Einheiten verstärkten die Nordflanke, ließen die südwestliche Flanke jedoch in einem relativ schwachen Zustand zurück. Das erste Ziel war eine riesige Schlackendeponie, die von der Kokerei- und Chemiefabrik Awdejewka zwischen der Fabrikanlage und Krasnogorowka angelegt worden war. Dabei handelte es sich um eine von Menschenhand geschaffene Erhebung, die die russischen Truppen aus taktischen Gründen einnehmen mussten, um weiter nach Westen vorzudringen. Im Zuge mehrerer Angriffe wurde die Erhebung am 19. Oktober erobert.
Anschließend rückten die russischen Truppen auf die Eisenbahnlinie Awdejewka – Ocheretino vor, wo die AFU Verteidigungspositionen errichtet hatte. Die Kämpfe dauerten dort den ganzen Herbst über an und die Ukrainer begannen damit, Reserven an diesen Ort zu verlegen, darunter die 47. Mechanisierte Brigade Bradley, die zuvor an der Offensive in der Region Saporoschje beteiligt war.
Die AFU konnte ihre Stellungen entlang der Eisenbahnlinie nicht halten und die russischen Streitkräfte kämpften um die Kontrolle über das Dorf Petrowskoje (Stepnoje), wo sie feststeckten. Bis zum 18. Februar konnte Petrowskoje nicht eingenommen werden. Fortschritte in dieser Richtung wurden dadurch erschwert, dass die AFU Kameras und Funkverstärker an den Gebäuden und Anlagen der Kokerei Awdejewka installiert hatten und diese als unbesiegbare Festung nutzte. Da es der russischen Armee nicht gelang, Petrowskoje einzunehmen, rückte sie stattdessen entlang der Eisenbahn nach Nordwesten in Richtung Ocheretino vor und kam bis auf vier Kilometer an diesen Ort heran. Infolgedessen konnte Ocheretino nicht mehr als rückwärtiger Versorgungsstützpunkt für die ukrainische Garnison in Awdejewka dienen.
Gleichzeitig griff die russische Armee die gegenüberliegende Seite von Awdejewka an, um die Aufmerksamkeit der nördlich des Chemiewerks konzentrierten ukrainischen Truppen abzulenken. Das Ziel war, das befestigte Gebiet Promka einzunehmen – ein Konglomerat von Industriegebäuden zwischen Awdejewka und Jasinowataja, das zum Zeitpunkt der Minsker Vereinbarungen durch die Frontlinie in zwei Teile getrennt war. Die AFU errichtete dort eine starke Befestigung, aber da die ukrainischen Truppen sich auf die Verteidigung ihrer Stellungen auf der anderen Seite der Stadt konzentrierten, verloren sie diesen Stützpunkt bis zum 25. November.
Bis Januar 2024 versuchten russische Truppen, in den Gebieten Petrowskoje und Ocheretino vorzudringen, konnten jedoch nicht das gewünschte Ergebnis erzielen und dadurch verzögerte sich die Operation. Es war somit an der Zeit, eine neue Lösung zu finden.
Die letzte Phase der Schlacht
Bis Anfang 2024 konnte die ukrainische Armee mehrere russische Versuche, Awdejewka zu umgehen, einzukreisen und alle Versorgungswege abzuschneiden, erfolgreich verhindern. Allerdings wurden die innerhalb der Stadt stationierten ukrainischen Truppen zunehmend geschwächt, da sie über weniger Versorgungslinien verfügten und durch russische Artillerie-, Luft- und Drohnenangriffe sowie Angriffsoperationen erhebliche Verluste erlitten.
Die russischen Streitkräfte drängten in der Nähe von Petrowskoje weiter vor und richteten die Aufmerksamkeit auch auf das Gebiet der Kläranlagen zwischen Krasnogorowka und Awdejewka. Die niedrig gebauten Privathäuser in dieser Gegend ermöglichten es der AFU, in praktisch jedem davon Verteidigungsstellungen zu errichten, boten aber auch Schutz für russische Truppen, die sich somit nicht über offene Felder bewegen mussten. Die Kämpfe in diesem Gebiet begannen im Dezember und endeten für die ukrainische Garnison schließlich tödlich.
Die russische Armee rückte entlang der Kläranlagen vor und drang in den nördlichen Teil der Stadt ein, wo die einzige größere befestigte Stellung das Chemiewerk von Awdejewka war. Russische Truppen lancierten daraufhin eine Angriffsoperation in Richtung des ehemaligen Cafés Brewno am Eingang von Awdejewka, entlang der einzigen asphaltierten Straße, über die die AFU noch die Kontrolle hatte. Dieses Manöver zwang die ukrainische Garnison, im Wohnviertel der Stadt zu bleiben, was sie von der Chemiefabrik abschnitt, die sowohl als Befestigungsanlage als auch als Rückendeckung der ukrainischen Garnison diente.
Während russische Truppen im Norden langsam vorrückten, lancierten sie auch von Süden her einen weiteren Angriff, dieses Mal auf die ukrainische Stellung namens Zarskaja Ochota (Jagdgebiet des Zaren). Bei einer waghalsigen Operation am 21. Januar bahnten sich russische Sturmtruppen ihren Weg durch ein unterirdisches Rohrnetz, gelangten in den hinteren Teil der Stellung bei Zarskaja Ochota und nahmen sie im Nahkampf ein. Sie drangen zudem in die Wohnviertel der Stadt vor und erlangten die Kontrolle über einen Teil der Straßen Sobornaja, Sportiwnaja und Tschernyschewski. Durch diesen Angriff wurden mehrere wichtige ukrainische Stellungen südwestlich von Awdejewka – darunter der Komplex Zenit – von der Versorgung komplett abgeschnitten.
Die ukrainischen Truppen führten einen Gegenangriff durch und versuchten, die Russen zurückzudrängen. Daran beteiligte sich sogar eine Formation der 47. Mechanisierten Brigade, die mit Bradley-Kampffahrzeugen ausgestattet war. Dieses Gefecht war jedoch für beide Seiten nicht erfolgreich: Die russischen Streitkräfte konnten nicht weiter vorrücken und die Streitkräfte der Ukraine konnten die Russen nicht verdrängen, während sich unterdessen die Situation für die ukrainische Garnison zusehends verschlechterte.
Schließlich veröffentlichten ukrainische Drohnenpiloten am 2. Februar ein Video, das den Vormarsch russischer Truppen in der Nähe der Kläranlagen zeigte – die Russen hatten somit praktisch den nördlichen Teil der Stadt erreicht. Als die Analysten des ukrainischen Projekts "DeepState" die Ergebnisse am 4. Februar zusammenfassten, machten sie auf Awdejewka aufmerksam und verglichen die Situation mit der Auswahl eines ukrainischen Kandidaten für den Eurovision Song Contest: "In Awdejewka führt der Tod seinen eigenen Auswahlprozess durch."
Am nächsten Tag hieß es außerdem: "Trotz bestimmter offizieller Aussagen verschlechtert sich die Lage in der Stadt weiter. Heute sind die Wi***er buchstäblich aus allen Ritzen gekrochen. Die Katsaps – ein abfälliger ukrainischer Begriff für Russen – konzentrieren sich darauf, ihre Positionen zu sichern und mehr Personal nach Staraya Awdejewka und einer Siedlung in der Nähe der Kokerei und Chemiefabrik Awdejewka zu bringen."
Am 7. Februar wurde die Situation für die ukrainische Garnison kritisch – russische Truppen befanden sich nur noch einen Kilometer von ihrer Hauptversorgungslinie entfernt, während ukrainische Analysten die Lage in Awdejewka als "chaotisch" bezeichneten.
Zu diesem Zeitpunkt schickte das ukrainische Kommando, das sich nicht aus der Stadt zurückziehen wollte, die 3. Separate Elite-Sturmbrigade nach Awdejewka in der Hoffnung, einen Gegenangriff auf die russischen Truppen durchführen zu können und sie von der Kommunikations- und Versorgungslinie zu verdrängen. Die Wetterbedingungen wären für den Abzug der Garnison sehr günstig gewesen, da in der Gegend Nebel herrschte. Doch trotz der Kämpfe innerhalb der Stadt und des entscheidenden Vormarsches der russischen Truppen, befahl das ukrainische Kommando der Armee immer noch nicht, sich zurückzuziehen.
Die Kommandeure der 3. Separaten Angriffsbrigade hatten jedoch keine Lust, sich an schweren urbanen Kämpfen zu beteiligen, zu einer Zeit, in der die russische Luftwaffe bekanntermaßen pro Tag eine Rekordzahl an Gleitbomben abwarf. Deshalb schlug der Stabschef der Brigade auf seiner Social-Media-Seite einen Alternativplan vor – einen Flankenangriff aus Nowgorodskoje (New York). Das Oberkommando ignorierte jedoch diese Vorschläge, die unrealistisch erschienen, da die Verteidigungsstellungen der Ukraine in der Stadt zusammengebrochen waren, während die 3. Separate Elite-Sturmbrigade, die an beiden Flanken des russischen Keils positioniert war, versuchte, die Front zu stabilisieren. Aufgrund mehrerer Faktoren, einschließlich der Unterbesetzung einiger neu gebildeter Bataillone, wurden die Einheiten der Brigade umzingelt. Ein gefangen genommener ukrainischer Offizier eines dieser neuen Bataillone sagte, er sei erst wenige Wochen zuvor zur 3. Brigade versetzt worden und seine Kompanie habe aus 14 Mann bestanden.
Zu diesem Zeitpunkt drangen die russischen Streitkräfte in das Industriegebiet am Industrialnij Prospekt ein, besetzten später die Position nahe des ehemaligen Cafés Brewno und lancierten einen Angriff in Richtung der Siedlung Lastotschkino außerhalb von Awdejewka. Dadurch schnitten sie der ukrainischen Garnison den Zugang zum einzigen befestigten Versorgungsweg ab. Gleichzeitig begannen an der Südflanke Kämpfe um die Stellungen Zenit, Tscheburaschka und Vinogradniki-2. Die ukrainische Garnison war am Ausbluten, erhielt aber noch immer keinen Befehl zum Rückzug.
Am 17. Februar schließlich erkannten der Kommandeur der operativ-strategischen Gruppe Tawria, Brigadegeneral Tarnawskij, und der neu ernannte Oberbefehlshaber der ukrainischen Streitkräfte, Generaloberst Syrsky, dass die Blockade nicht aufgehoben werden konnte, und befahl den verbliebenen Streitkräften den Rückzug aus Awdejewka.
Aussichten
Die Befreiung von Awdejewka wird das Potenzial der AFU verringern, Donezk, Jasinowataja und Makejewka mit Artillerie zu beschießen. Um jedoch die Sicherheit der Zivilbevölkerung in diesen Gebieten zu gewährleisten, muss die Front noch weiter weg von diesen Städten verschoben werden, da die AFU über Langstreckenraketen verfügt.
Auf operativer Ebene wird die Autobahn Donezk – Gorlowka nach Durchführung der notwendigen Reparaturen wahrscheinlich wieder in Betrieb genommen. Außerdem wird der wichtigste Eisenbahnknotenpunkt der Region in Jasinowataja nun besser vor Angriffen geschützt sein. Wenn sich die Front noch weiter nach Westen verschiebt, wird Russland zudem in der Lage sein, den wichtigen Eisenbahnknotenpunkt Donezk freizugeben und somit die Logistik zu verbessern. Außerdem hatten die Ukrainer keine Zeit, die mehrstöckigen Wohngebäude und die Gebäude des Chemiewerks Awdejewka in die Luft zu sprengen, wodurch sie nun als dominierende Höhen zur Beobachtung der Positionen der AFU genutzt werden können, die sich bis zu 15 Kilometer westlich der Stadt befinden.
Ebenso bestehen viele Zweifel an den "vorbereiteten Positionen", auf die sich die AFU zurückgezogen hat. Seit dem 18. Februar kämpfen russische Truppen um die Siedlung Lastotschkino, das westlich von Awdejewka liegt und höchstwahrscheinlich bald unter russische Kontrolle geraten wird. Im Allgemeinen ermöglicht das Gelände die Errichtung von Verteidigungsstellungen entweder entlang des Durnaja-Balkens – etwa fünf Kilometer von Awdejewka entfernt – oder entlang des Flusses Woltschja, der etwa 15 Kilometer von der Stadt entfernt liegt.
Schlussfolgerung
Am 17. Februar gewann die russische Armee eine wichtige Schlacht um eine Stadt, in der viel Blut vergossen wurde. Die Zahl der in der dieser Schlacht getöteten Soldaten ist unbekannt. Ebenso wissen wir bisher nicht, wie viele ukrainische Soldaten gefangen genommen wurden. Den vorläufigen Informationen zufolge erbeuteten russische Soldaten in Awdejewka zahlreiche Kriegstrophäen, die – wie auch die erhaltenen Hochhäuser – aufgrund des überstürzten Abzugs der AFU zurückgelassen wurden.
Wir wissen auch nicht, wie viele Einwohner von Awdejewka die Kämpfe in der Stadt überlebt haben. Derzeit werden Zivilisten evakuiert und ihnen wird Hilfe geleistet. Jene, die sich weigern, die von der russischen Armee eroberten Städte zu evakuieren und dort zu bleiben, vertreten in der Regel prorussische Ansichten. Angesichts der Schäden, die ihrer Heimatstadt zugefügt wurden, werden sie diese jedoch höchstwahrscheinlich verlassen und woanders ein neues Leben beginnen müssen.
Die Menschen im Donbass behandeln die Befreiung von Awdejewka mit ehrfürchtigem Respekt – für sie hat Awdejewka mittlerweile eine fast heilige Bedeutung. Besucher werden von den übrig gebliebenen Bewohner durch die ehemaligen Festungsgebiete Zenit, Zarskaja Ochota und Promka geführt – Namen, die ihnen seit zehn Jahren vertraut sind.
Aus dem Englischen
Wladislaw Ugolni ist ein russischer Journalist und Militäranalytiker, geboren in Donezk. In der Vergangenheit diente er als Milizionär der Volksrepublik Lugansk.
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