Bauernproteste in Polen: Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Pro-Putin-Plakat und Sowjetfahne

Bei den Bauernprotesten in Polen gegen die Einfuhr von ukrainischem Getreide kam es zu einem Vorfall: Ein Bauer bat auf einem Plakat Putin um Hilfe und bekam umgehend Ärger mit der Polizei. Der polnische Innenminister machte den "Skandal" schnell zur "Chef-Sache".

Mehr als 100 landwirtschaftliche Traktoren blockierten am Dienstag die Straße vor der Autobahnausfahrt der A1 im polnischen Gorzyczki unweit der tschechischen Grenze. Während des Protests kam es zu einem Vorfall: Auf einem der Traktoren war eine UdSSR-Flagge mit Hammer und Sichel sowie eine an Putin gerichtete Forderung zu sehen, berichtete die Zeitung Gazeta Wyborcza, die einen Korrespondenten vor Ort hatte. 

"Putin, räum in der Ukraine und in Brüssel auf — und auch mit unserer Regierung", lautete der Schriftzug auf dem Plakat. Für die Urheber hatte das Konsequenzen. 

Das Transparent wurde von der Polizei auf Video aufgezeichnet. Nach Informationen der Zeitung wurde gegen den Plakatbesitzer Anzeige wegen Propagierung eines totalitären Staatssystems erstattet, wie wenig später Marcin Kierwiński, der Minister für innere Angelegenheiten und Verwaltung, öffentlich bestätigte. Im sozialen Netzwerk "X" verwies er auf den Fall.

"Zur Information – das skandalöse Banner, dessen Foto im Internet kursierte, wurde sofort entfernt und von der polnischen Polizei sichergestellt. Die Polizei und die Staatsanwaltschaft führen Maßnahmen gegen den Urheber durch. Es wird keine Zustimmung zu solchen kriminellen Handlungen geben", teilte Kierwiński mit.

Andere X-Nutzer stellten angebliche Fotobeweise ins Netz, die belegen sollen, dass die Polizei nicht schnell genug auf den "Skandal" reagierte. 

In Polen und auch in der Slowakei kommt es seit Monaten zu Protesten von Landwirten und Lkw-Fahrern gegen ukrainische Getreideimporte in die EU, weil sie Einbußen durch billigere Konkurrenz befürchten.

Die polnischen Landwirte wollen ihre Proteste gegen die Erleichterung der Importe aus der Ukraine in die EU und nach Polen mit einer umfassenden Grenzblockade wieder verstärken. "Es wird eine totale Blockade aller Grenzübergänge geben", verkündete ein Sprecher der Bauerngewerkschaft, der Unabhängigen selbstverwalteten Gewerkschaft einzelner Landwirte, Solidarność.

Militärische Hilfsgüter würden dann durchgelassen, der Lkw- und Personenverkehr aber blockiert. Es werde Blockaden in den Häfen und auf den Autobahnen geben.

"Das ist inakzeptabel. Wir müssen die strengsten Normen einhalten: von Milch über Weizen bis hin zu Mais und Raps, was Geld kostet und sich im Preis niederschlägt. Die ukrainischen Produkte entziehen sich jeder Kontrolle und jeder Norm, sie sind billiger und verdrängen unsere Produkte", zitiert die Zeitung einen Bauern mit Familienbetrieb. 

Ukrainische Spediteure kündigten einen Gegenprotest an drei Grenzübergängen an. Agrargüter zählen zu den wichtigsten Einnahmequellen der Ukraine. Wegen des Krieges gegen Russland versucht das Land, diese Produkte statt über das umkämpfte Schwarze Meer verstärkt über den Landweg zu exportieren.

Der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij hat die Proteste an der ukrainisch-polnischen Grenze als "Hohn" bezeichnet. Der Politiker hält sie für einen Vorwand. Den Protestierenden gehe es um "Politik, nicht um Getreide". Angesichts der Lage an der Front erscheine der Disput absurd, kritisierte Selenskij.

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