Unter Leitung der spanischen Ratspräsidentschaft teilte die EU-Kommission am Mittwochmorgen mit, dass die zuständigen Vertreter der EU-Staaten und des Europaparlaments die sich seit Jahren hinziehenden Diskussionen über eine dringend erforderliche Reformierung des europäischen Asylsystems mit einer Einigung beenden konnten. So sollen unter anderem zukünftig einheitliche Grenzverfahren an den EU-Außengrenzen gelten, insbesondere bei der Behandlung von Menschen aus Ländern, die als sichere Herkunftsländer gelten.
Roberta Metsola informierte als Präsidentin des Europäischen Parlaments im Rahmen eines X-Postings:
"Ein Tag, an dem die EU eine bahnbrechende Einigung über ein neues Regelwerk zur Steuerung von Migration und Asyl erzielt hat. Ich bin sehr stolz darauf, dass wir mit dem Migrations- und Asylpakt Lösungen gefunden und umgesetzt haben."
Die angekündigten Modifikationen müssen jedoch noch vom Plenum des Europaparlaments und von den EU-Mitgliedsstaaten bestätigt werden, dies gilt jedoch als absehbar reine Formalität. Laut einer Pressemitteilung sollen die Ergebnisse "die Solidarität zwischen den Mitgliedsstaaten stärken, indem sie die Mitgliedsstaaten, in denen die meisten Migranten ankommen, entlasten werden".
Eine damit anvisierte Schwerpunktmaßnahme ist die Vereinheitlichung der Grenzverfahren an den EU-Außengrenzen. Asylsuchende sollen zukünftig bis zur endgültigen Entscheidung über den gestellten Asylantrag in haftähnlichen Bedingungen in sogenannten Auffanglagern untergebracht werden können. Damit soll erreicht werden, dass Asylbewerber mit geringer Bleibechance schneller und direkt abgeschoben werden können. Die ARD-Tagesschau fasst zu den Reformbeschlüssen zusammen:
"Haben Menschen eine Staatsangehörigkeit, deren Anerkennungsquote für Asyl bei unter 20 Prozent liegt, sollen sie an der Grenze festgehalten werden. Ihr Anspruch auf Asyl soll dann direkt vor Ort und innerhalb von zwölf Wochen in einem Schnellverfahren geprüft werden. Wer keine Aussicht auf Asyl hat, soll direkt abgeschoben werden."
Das Thema einer Verteilungsquote von Asylsuchenden unter den EU-Staaten wird den Plänen zufolge durch einen "Solidaritätsmechanismus" neu definiert. Jene EU-Länder, die sich weigern, Flüchtlinge aufzunehmen, müssen zukünftig auf anderem Wege Unterstützung leisten, etwa in Form von Geldzahlungen. Die Reform soll vor allem Hauptankunftsländer wie Italien und Griechenland nachhaltig entlasten. Eine sogenannte "Krisenverordnung" soll zukünftig regeln, wie EU-Staaten bei einem weiteren Anstieg der Migrationszahlen verfahren. Ankommende dürfen dann unter anderem länger an der Grenze festgehalten werden.
Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock kommentierte, dass die Verkündung aus Brüssel "längst überfällig" gewesen sei, um jedoch zugleich anzumerken, dass "sich Deutschland in den abschließenden Verhandlungen bei pauschalen Ausnahmen von Kindern und Familien aus den Grenzverfahren nicht habe durchsetzen können". Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz teilte mit einem X-Posting mit:
Die Bundesministerin des Innern Nancy Faeser kommentierte, dass das gemeinsame Europäische Asylsystem "der Schlüssel sei, um Migration insgesamt zu steuern und zu ordnen, humanitäre Standards für Geflüchtete zu schützen und die irreguläre Migration zu begrenzen".
An der Reform wurde seit der Migrationskrise im Jahr 2015 gearbeitet. Die unkontrollierte Weiterreise von Hunderttausenden von Asylsuchenden hätte nach der damals geltenden sogenannten Dublin-Verordnung untersagt werden müssen, da ursprünglich Asylbewerber dort hätten registriert werden müssen, wo sie die Europäische Union zuerst betreten haben. Eine einheitliche neue EU-Regelung erfolgt nun erst acht Jahre später.
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