Von Alexei Latyschew und Jelisaweta Komarowa
Die ukrainische Regierung brachte einen Gesetzentwurf in die Rada ein, der eine Erweiterung der Minderheitenrechte gemäß der Empfehlung des Europarats thematisiert, teilte der Vertreter des Ministerkabinetts im Parlament, Taras Melnitschuk, mit.
"Registriert durch das Ministerkabinett der Ukraine als Subjekt der gesetzgebenden Initiative bei der Werchowna Rada der Ukraine wurde der Entwurf des Gesetzes 'Über die Eintragung von Änderungen in bestimmte Gesetze der Ukraine bezüglich der Berücksichtigung der Experteneinschätzung des Europarats und seiner Organe für die Rechte nationaler Minderheiten (Gemeinschaften) in einzelnen Sphären'", schrieb er auf seinem Telegram-Kanal.
Im Erklärungsschreiben zum Dokument heißt es, dass die Änderungen vorgeschlagen werden zur Anpassung der Gesetzgebung an die Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention von 1950, des Rahmenübereinkommens des Europarats zum Schutz nationaler Minderheiten von 1995 und der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen von 1992. Darüber hinaus seien Änderungen für die Erfüllung der Empfehlungen der Venedig-Kommission notwendig.
Das in der Rada unter der Nummer 10288 angemeldete Dokument sieht die Korrektur mehrerer Gesetze vor, darunter jene über die lokale Selbstverwaltung, über das Verlagswesen, über die Medien sowie über die mittlere und höhere Ausbildung.
Insbesondere sollen nach dem Gesetzentwurf Organe der lokalen Selbstverwaltung das Recht erhalten, Minderheitensprachen in Gemeinden zu nutzen, in denen die Vertreter dieser Minderheiten traditionell leben oder in denen sie einen bedeutenden Bevölkerungsanteil stellen.
Darüber hinaus schlägt die Regierung vor, das Recht auf Nutzung der Minderheitensprachen neben der Staatssprache im Bildungswesen zu garantieren sowie das Recht zu regeln, Grundbildung und mittlere Berufsbildung in den Minderheitensprachen zu erhalten (ausgenommen sind Fächer, die mit dem Studium der ukrainischen Sprache, Literatur und Geschichte verbunden sind).
Die Regierungsinitiative gewährt privaten Hochschulen das Recht, eine Unterrichtssprache aus der Liste der offiziellen Sprachen der Europäischen Union zu wählen. Dennoch bleibt die ukrainische Sprache dabei als eigenständiges Fach verpflichtend.
Schließlich schlugen die Autoren des Gesetzentwurfs vor, die Verbreitung von Wahlwerbung in den Sprachen der einheimischen Völker und der nationalen Minderheiten der Ukraine zu erlauben.
Bezeichnenderweise erstrecken sich die Vorschläge des Gesetzentwurfs ebenso wie das im September erneuerte Gesetz über nationale Minderheiten nicht auf Russen und die russische Sprache.
Zugeständnisse an Brüssel
Am 29. Dezember 2022 hatte Wladimir Selenskij das Gesetz über nationale Minderheiten unterzeichnet und erfüllte damit Brüssels Forderung nach einer Anpassung der ukrainischen Gesetze in diesem Bereich an die Standards der EU.
Analytiker erklären diese Forderung damit, dass Kiew seit 2014 im Rahmen seiner Ukrainisierungspolitik eine Reihe diskriminierender Gesetze verabschiedete, darunter im Bereich Bildung und Medien. Dies beeinträchtigte unter anderem die ungarische Gemeinde der Ukraine und verärgerte Budapest. Ungarn stellt regelmäßig die Frage nach dem Schutz der Rechte seines Volks in der Ukraine sowohl im Rahmen von Verhandlungen in der EU als auch bei Kontakten mit Kiew.
Das Ende vergangenen Jahres verabschiedete Gesetz entsprach letztendlich nicht vollständig den Forderungen der EU. Nach einem Einspruch Ungarns und Rumäniens entschieden Experten der Venedig-Kommission, dass einige Bestimmungen des Dokuments und der Bildungs-, Sprach- und Minderheitengesetze den internationalen Menschenrechtsabkommen widersprechen.
Im September 2023 veranlasste die Werchowna Rada Änderungen am Gesetz. In der neuen Fassung wird erlaubt, öffentliche Veranstaltungen in den Sprachen der Minderheiten zu organisieren. Ebenso wurde das Verbot von Werbung in Minderheitensprachen in Siedlungen, wo sie traditionellerweise leben, aufgehoben.
Parallel dazu wurden im Gesetz Bedingungen genannt, unter denen die Rechte und Freiheiten der Minderheiten eingeschränkt werden können. Insbesondere ist dies "zum Schutz der territorialen Integrität und der öffentlichen Ordnung" möglich.
Tarnung zur Diskriminierung
Russischsprachigen Bürgern verweigert Kiew offiziell das Recht, als eine nationale Minderheit zu gelten. So behauptete am 9. November die stellvertretende Ministerpräsidentin für Angelegenheiten der europäischen und euroatlantischen Integration, Olga Stefanischina, dass im Land angeblich keine russischsprachige Minderheit existiere und dass die EU von Kiew nicht fordere, deren Rechte im Rahmen der Beitrittsverhandlungen zu respektieren. Laut Stefanischina gebe es im Land lediglich Ukrainer, von denen ein Teil Russisch spricht.
"In der Ukraine gibt es keine russische Minderheit. Sie existiert nicht. Es gibt keine einzige rechtlich organisierte Gesellschaft, die sich als russische Minderheit identifizieren würde", sagte sie.
Eine ähnliche Meinung äußerte auch der Vorsitzende der Werchowna Rada, Ruslan Stefantschuk:
"Wenn dieses Volk keinen Respekt, sondern – im Gegenteil – eine Aggression gegenüber der Ukraine zeigt, sollen seine Rechte in dieser Hinsicht eingeschränkt werden. Deswegen gibt es in der Ukraine keine russischen nationalen Minderheiten und kann es keine geben."
Nach Ansicht von Oleg Matwejtschew, Mitglied der Duma-Kommission zur Bekämpfung der äußeren Einmischung, widersprechen diese Äußerungen der ukrainischen Politiker den historischen Tatsachen.
"Nehmen wir Neurussland als Beispiel. Zur Zeit von Katharina II. wurden in diese damals wenig besiedelten Gebiete aus zentralrussischen Gouvernements mehrere Millionen Menschen übersiedelt. Menschen, die heute in Neurussland leben, sind Nachkommen dieser Übersiedler. Bis heute wird der Großteil der Anfragen in Online-Suchmaschinen in diesen Regionen auf Russisch getätigt. Auch im Alltag wird Russisch gesprochen, denn sie sind tatsächlich Russen", erklärte er in einem Gespräch mit RT.
Wie der Beauftragte des russischen Außenministeriums für Angelegenheiten der Verbrechen des Kiewer Regimes, Rodion Miroschnik, erklärte, trage nicht nur Kiew, sondern auch Brüssel Verantwortung für die Diskriminierung der russischsprachigen Bevölkerung. In einem Gespräch mit RT sagte er:
"Es gibt hier auch eine Schuld der EU, die vor der selektiven Anwendung der Menschenrechte in der Ukraine die Augen verschließt. Faktisch befand es Brüssel als zulässig, die europäische Menschenrechtskonvention auf Russen nicht anzuwenden. Hierin kommen Doppelstandards und Keime des Neofaschismus zum Vorschein. Würde sich die EU strikt an die Satzung der UNO halten, würde sie sich zu allen Völkern, Nationalitäten und Staaten gleich verhalten."
Miroschnik fügte hinzu, dass diese selektive Herangehensweise der Ukraine ermögliche, ihre diskriminierenden Handlungen zu tarnen und das nazistische Wesen des Kiewer Regimes zu verdecken, um Hindernisse für einen EU-Beitritt auszuräumen.
"Das ist ein Versuch, das Wesen des Nazismus subtil zu tarnen, der in der Ukraine auf der angeblichen Größe der Titularnation und der erniedrigten Stellung aller anderen Völker basiert", meint Miroschnik.
Seinerseits äußerte der Politologe Wladimir Kornilow die Ansicht, dass die Gesetzesänderungen die tatsächliche Lage der nationalen Minderheiten in der Ukraine nicht beeinflussen werden.
"Bisher verleugnete die Ukraine sogar die Tatsache der nationalen Diskriminierung, obwohl sie in der Praxis die Rechte der nationalen Minderheiten einschränkte. Dieser Gesetzentwurf ändert gar nichts. Kiew wird auch weiter eine solche Politik führen", vermutet Kornilow.
Er äußert auch Zweifel, dass die Annahme dieser Gesetzesänderungen den EU-Beitritt der Ukraine näherbringen wird.
"Das reicht nicht. Das ist nur eine von zahlreichen Bedingungen, die die Ukraine erfüllen soll. Die EU legte Kiew eine lange Liste von Reformen vor, die es durchführen muss. Doch viele davon können während des gegenwärtigen Kriegszustands in der Ukraine nicht umgesetzt werden. Deswegen hat niemand Illusionen bezüglich des EU-Beitritts der Ukraine. Allem Anschein nach ist in dieser Lage nicht das endgültige Ziel wichtig, sondern der Prozess des Beitritts", schlussfolgerte der Spezialist.
Übersetzt aus dem Russischen.
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