Die regierende ungarische Fidesz-Partei will dem Parlament einen Gesetzesentwurf vorlegen. Nach diesem Gesetz soll ein spezielles Amt zur Überwachung von Aktivitäten eingerichtet werden, die "die Souveränität des Landes bedrohen".
Die neue Behörde sollte den Zufluss ausländischer Gelder an bestimmte politische Parteien, Medien und öffentliche Organisationen überwachen. Dabei ginge es um die Institutionen, die im Verdacht stehen, von feindlichen Regierungen oder Finanzinteressen beeinflusst oder manipuliert zu werden, wie der ungarisch-amerikanische Milliardär und langjährige Finanzier liberaler Anliegen George Soros.
Am Donnerstag kündigte Gergely Gulyas, der Stabschef von Ministerpräsident Viktor Orbán, die bevorstehende Vorlage des Gesetzesentwurfs an. Dabei lehnte er es ab, Einzelheiten über die Aufgaben des neuen Amtes zu nennen. Er erklärte lediglich, dass man nach diesem Gesetz "alle Arten von Aktivitäten untersuchen könnte …, die die Souveränität des Landes verletzen". Die Einrichtung der neuen Behörde wurde im September geplant. Zu der Zeit hatte ein Mitglied der Fidesz-Partei angenommen, die Maßnahme könnte auch für "linke Journalisten, quasi-zivile Organisationen" und politische Parteien gelten.
Auf einer Parteiversammlung hatte sich Orbán kürzlich über solche ausländischen Akteure beschwert, welche die Hebel der ungarischen Gesellschaft manipulierten. Dazu würden sie zivilgesellschaftliche Gruppen und Medien nutzen, die "von Brüssel oder über das Soros-Netzwerk finanziert werden." "Sie haben offen gesagt, dass sie einen Regierungswechsel in Ungarn wollen", sagte er in einer Rede Anfang des Jahres. Er beschuldigte seine Gegner, "jedes Mittel der politischen Korruption zu nutzen, um die ungarische Opposition zu finanzieren".
Der ungarische Staatschef und weitere Fidesz-Abgeordnete beschuldigten die EU ausdrücklich, sich in den politischen Prozess des Landes einzumischen. So würden sie 28 Milliarden Euro (30 Milliarden Dollar) zurückhalten, bis Ungarn eine lange Liste von 27 Reformen in den Bereichen Justiz, Medien und Wirtschaft umgesetzt habe. Während Brüssel Ungarn seit Langem vorwirft, die EU-Standards in Bezug auf die Rechtsstaatlichkeit nicht zu erfüllen, argumentiert Budapest, dass solche Anschuldigungen politisch motiviert seien.
Ungarn hatte bereits 2017 ein Gesetz verabschiedet, das aus dem Ausland finanzierte Nichtregierungsorganisationen ins Visier nimmt. Dieses Gesetz wurde vom Europäischen Gerichtshof verurteilt, weil es angeblich "diskriminierende und ungerechtfertigte Einschränkungen" der Grundrechte beinhalte.
Kritik kam auch von der ungarischen Bürgerrechtsvereinigung (Hungarian Civil Liberties Union). Ihrer Meinung nach ziele die aktuelle Gesetzgebung darauf ab, "die Teilnahme am öffentlichen Leben und das Funktionieren der freien Presse einzuschränken". Politischen Parteien sei es bereits zu Recht untersagt, ausländische Gelder anzunehmen, habe die Strategiedirektorin der Gruppe, Stefania Kapronczay, argumentiert. Gegenüber dem Guardian erklärte sie, die neue Behörde werde wahrscheinlich die Darstellung der Regierung unterstützen, wonach jegliche ausländische Finanzierung den Interessen Budapests zuwiderlaufe.
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