In Polen herrscht Empörung über den früheren deutschen Botschafter in Warschau, Arndt Freytag von Loringhoven. Dieser hatte vor einer Woche in einem Gastbeitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) die dauerhafte Stationierung deutscher Truppen in Polen vorgeschlagen. Im Text des früheren Diplomaten und Geheimdienstlers heißt es wörtlich:
"Bei der anstehenden Stärkung der NATO-Ostflanke liegen eine engere Verzahnung der Streitkräfte, längerfristig auch eine dauerhafte Verlegung von Truppen nach Polen, im beiderseitigen Interesse."
Insbesondere das bei den jüngsten Parlamentswahlen unterlegene konservative Lager wirft dem früheren Diplomaten nun vor, mit seinem Vorschlag an die deutsche Besetzung Polens im Zweiten Weltkrieg anknüpfen zu wollen. Jacek Saryusz-Wolski, EU-Abgeordneter der PiS, schrieb auf X/Twitter, dass derartige Pläne Assoziationen weckten.
Noch deutlicher wurde die Verfassungsrichterin Krystyna Pawłowicz. Sie schrieb ebenfalls auf X/Twitter:
"Bald wird Deutschland dank des neuen EU-Vertrags wieder
'dauerhaft' die Gebiete (West-) Polens besetzen (...)Jahre später werden Hitlers Träume ohne Gewaltanwendung wahr (...)"
Andere Beobachter verwiesen darauf, dass Polen bereits vor einem Jahr (also unter der PiS-Regierung) der zeitweiligen Stationierung von Patriot-Systemen der Bundeswehr in Polen zugestimmt habe. Tatsächlich wirken die zitierten Reaktionen einigermaßen hysterisch, wenn man sich Freytag von Loringhovens Text in seiner Gesamtheit ansieht.
Der Ex-Botschafter nimmt den Wahlsieg der liberalen Kräfte bei den Wahlen im Oktober zum Anlass, für einen Neuanfang in den deutsch-polnischen Beziehungen zu werben, in deren Zentrum eine gegen Russland gerichtete "gemeinsame Ostpolitik" stehen soll:
"Eine gemeinsame Ostpolitik wäre der beste Neuanfang nach Jahren des Misstrauens, in denen Berlin durch seine von Warschau immer kritisierte 'Russia first'-Politik viel verspielt hat. Nach der deutschen 'Zeitenwende' liegen unsere Positionen hier so eng beieinander wie nie zuvor."
Freytag von Loringhoven spricht ausdrücklich von einem "Containment" Russlands:
"Eine Verständigung mit Polen auf eine neue, die langfristige Einhegung von Putins Russlands hinauslaufende Containment-Strategie wäre die Konsequenz einer nüchternen Analyse der wahrscheinlichen Entwicklung des Landes."
Dabei müssten geeinte Bemühungen im Mittelpunkt stehen, "der Ukraine zum Sieg zu verhelfen". Des Weiteren sei ein gemeinsamer Plan für den Wiederaufbau der Ukraine nötig, ebenso deren "baldige Integration in EU und NATO". Auch die dauerhafte Stationierung deutscher Truppen in Polen soll laut dem Ex-Diplomaten im NATO-Kontext erfolgen.
Den deutsch-polnischen Streit um mögliche Reparationen will Freytag von Loringhoven durch "kreative und menschliche Lösungen" beilegen: etwa einen Sonderfonds zugunsten der wenigen Überlebenden, die Restitution geraubter Kulturgüter und eine deutsche Beteiligung am Wiederaufbau des Sächsischen Palais in Warschau. Auch eine Zusammenarbeit bei den Themen erneuerbare Energien, Netzinfrastruktur und der gemeinsame Bau eines Hochgeschwindigkeitszuges schweben dem früheren Botschafter vor.
Mehrmals betont Freytag von Loringhoven, dass Polen bei dieser neuen Zusammenarbeit gegen Russland kein "Juniorpartner" mehr sein soll:
"Wir müssen zeigen, dass wir die Lehre aus unserer verfehlten Russlandpolitik tatsächlich umsetzen und Polen und die anderen östlichen Nachbarn stärker einbeziehen. Es ist Zeit, auf Polen als vollwertigen Partner deutscher Außenpolitik zuzugehen."
Arndt Freytag von Loringhoven war von 2020 bis 2022 deutscher Botschafter in Warschau. Zuvor war er Vizepräsident des Bundesnachrichtendienstes (BND), Botschafter in Tschechien und Beigeordneter Generalsekretär der NATO. Freytag von Loringhovens Ernennung verzögerte sich seinerzeit, weil Warschau Bedenken wegen seines Vaters geäußert hatte.
Dieser, Bernd Freytag von Loringhoven, war bis Ende April 1945 als Adjutant in Hitlers Führerbunker in Berlin. Die Berufung seines Sohnes zum Botschafter in Polen wurde deshalb in konservativen Kreisen als Provokation aufgefasst. Der PiS-Vorsitzende Jarosław Kaczyński soll Freytag von Loringhoven sogar als potenziellen "Besatzungsoffizier" gesehen haben.
Allerdings erinnern die jüngsten Vorschläge des Ex-Botschafters weniger an den deutschen Überfall auf Polen 1939 als an die vorhergehende Phase der Verständigung mit Warschau zu einem geplanten gemeinsamen Vorgehen gegen die Sowjetunion.
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