Mehrere spanische Medien melden, dass es in der Nacht zum Dienstag zu einem Brandanschlag auf die Villa des im Exil lebenden ukrainischen Oppositionellen und Journalisten Anatoli Scharij gekommen ist.
So schreibt die katalanische Zeitung ABC, die Mossos d'Esquadra – die katalanische Polizei – untersuchten den Molotowcocktail-Anschlag auf das Haus des "prorussischen ukrainischen Bloggers" Scharij. Der Vorfall habe sich in einem Haus in Roda de Berà (in der katalanischen Provinz Tarragona) ereignet, in dem er mit seiner Familie lebt. Die katalanische Polizei versucht nun, zu klären, was passiert ist, wie die Polizei besagter Zeitung bestätigte.
Ersten Informationen zufolge hatte sich eine Person in den frühen Morgenstunden dem Anwesen genähert, um die Brandsätze zu werfen, wobei es zu Schäden, aber keinen Verletzten kam.
Scharij hat den Vorfall am späten Nachmittag auf seinem Telegram-Kanal bestätigt und Aufnahmen der Überwachungskameras veröffentlicht, auf denen man sieht, wie die Villa nach Brandsatzwürfen von Flammen erfasst wird. Der Journalist vermutet ein ukrainisches "Kartell" dahinter, gegen das sich seine journalistischen Recherchen zuletzt gerichtet hätten.
In dem Begleittext zum Video schreibt er:
"Nennen wir diese Schönheit 'Auslieferung des Chefs eines Drogenkartells, Rücktritt des Geheimdienstchefs und andere Probleme dummer Kamikaze'. Ich für meinen Teil danke der Führung der spanischen Sonderdienste für die kompetenten Ermittlungen, die qualitativ hochwertige Suche nach Verdächtigen im Zusammenhang mit dem Terroranschlag und den Zugang zur Zusammenarbeit mit Kollegen in anderen Ländern, nicht nur in der EU. Wenn wir können, werden wir alles und jeden informieren und zeigen."
Scharij, damals ein bekannter ukrainischer Journalist, war noch während der Amtszeit des Präsidenten Wiktor Janukowitsch aus der Ukraine geflohen und hatte sich nach Aufenthalten in den Niederlanden und in Litauen an der katalanischen Mittelmeerküste niedergelassen. Seinem Bekunden nach war ein Konflikt mit der Polizei Grund für seine Flucht gewesen.
Nach dem Sieg des Maidan im Februar 2014 spezialisierte er sich in seinem Blog auf das Aufdecken von Fakes und Manipulationen ukrainischer Medien und forderte lautstark ein Ende des Krieges im Donbass. Durch diese Tätigkeit erreichte er schnell hohe Popularitätswerte und Leserzahlen, seinen später durch den US-Konzern gelöschten Youtube-Kanal hatten zwischenzeitlich über vier Millionen Nutzer abonniert.
Im Jahr 2019 gründete Scharij, der sich selbst als proeuropäisch und libertär definiert, eine oppositionelle Partei eigenen Namens, die sich ein Ende der Gesetzlosigkeit und Willkür in der Ukraine, die Schaffung eines demokratischen Rechtsstaats nach europäischem Vorbild, den Ausgleich mit Russland und den Schutz der russischen Sprache auf die Fahnen schrieb. Der Partei gelang bei Kommunalwahlen der Einzug in mehrere kommunale Parlamente.
Der ukrainische Staat reagierte auf den anfänglichen Erfolg der Partei mit Repressionsdruck und Straßengewalt durch Rechtsradikale, gegen Scharij selbst wurden die unter Janukowitsch eingeleiteten Strafverfahren weitergeführt und neue eingeleitet. In Spanien beantragte Kiew die Auslieferung des Politikers und Journalisten. Nach kurzer Auslieferungshaft wurde er auf Beschluss eines spanischen Gerichts wieder entlassen, dem Auslieferungsgesuch kam Spanien nicht nach.
Nach Beginn der russischen militärischen Intervention in der Ukraine wurde Scharijs Partei am 16. Juni 2022 verboten, wobei ihre Tätigkeit schon zuvor behördlich unterbunden war. Scharij selbst änderte seine Auffassungen im gleichen Zeitpunkt radikal und kritisierte Russland scharf für sein Vorgehen. Einige Beobachter führen die radikale Meinungsänderung darauf zurück, dass sich der Oppositionelle unter dem Druck der Auslieferung an die Ukraine von einem oder mehreren westlichen Diensten hat anwerben lassen, wofür es jedoch keine Belege gibt.
Wegen seiner Tätigkeit und seiner fortdauernden Kritik am Maidan-Regime, Präsident Wladimir Selenskij und dem ukrainischen Nationalismus bleibt er auch weiterhin Hassobjekt ukrainischer Rechtsradikaler, die ihm mehrfach drohten. Ob die Hypothese über einen Racheakt eines unpolitischen Kartells zutrifft oder es sich bei der Brandstiftung um eine politisch motivierte Gewalttat handelt, muss daher den Ermittlungen der spanischen Polizei vorbehalten bleiben.
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