Von Maria Fedorowa und Alex Männer
Die Hauptakteure im Machtkampf um die Mandate im "Sejm", dem polnischen Parlament, sind erneut die Regierungspartei "Recht und Gerechtigkeit" (Prawo i Sprawiedliwość, PiS), die von Jarosław Kaczyński angeführt wird, und der Oppositionsblock "Bürgerkoalition" (Koalicja Obywatelska, KO), an dessen Spitze der ehemalige Premierminister Donald Tusk und seine "Bürgerplattform" (Platforma Obywatelska, PO) stehen. Schon bei den letzten Wahlen 2019 konnten sie knapp 60 Prozent der Stimmen auf sich vereinen. Hervorzuheben ist ebenfalls, dass die Beziehungen zwischen den beiden Lagern auf der politischen Bühne eine lange und sehr schwierige Geschichte haben.
Die ursprünglich aus der polnischen Bürgerrechtsbewegung "Solidarność" (Solidarität) hervorgegangenen Parteien sind nämlich seit 2005 auf einem Konfrontationskurs, was Experten auch als den "polnisch-polnischen Krieg" bezeichnen. Denn das Verhältnis zwischen Kaczyńskis rechtsnationalem Bündnis und Tusks liberal-konservativer Opposition bringt nicht nur hitzige Debatten, Skandale oder Proteste, sondern es offenbart und charakterisiert zugleich eine Spaltung innerhalb der polnischen Gesellschaft. Und obwohl diese politischen Kräfte nach wie vor gemeinsame Ankerpunkte in diversen Bereichen der Politik aufweisen, wie etwa bei der Sozialpolitik, Gesundheit oder Bildung, verfolgen sie dennoch unterschiedliche Konzepte, um ihre Ziele zu erreichen.
Zu den wichtigsten Unterschieden zählt dabei die Vorstellung über die Rolle Polens auf der internationalen Ebene, insbesondere in Bezug auf die Europäische Union und die Kooperation mit den Vereinigten Staaten. Die Bürgerkoalition setzt sich traditionell für eine stärkere Zusammenarbeit mit der EU ein, vor allem im Sicherheitsbereich, was offenbar das Hauptthema des Wahlkampfs ist. Die PiS hingegen setzt in ihrem Programm auf die Zusammenarbeit mit den USA sowie die weitere Unterstützung der Ukraine im Kampf gegen Russland. Beide Parteien haben zudem angekündigt, die Armee zu modernisieren, wobei die Fragen diesbezüglich allem Anschein nach vor allen anderen Vorrang haben.
Wie bereits erwähnt, werden die Wahldebatten mehr als nur sehr hitzig geführt, was die These des polnisch-polnischen Krieges bestätigt. Auch die Rhetorik der Spitzenkandidaten klingt dabei immer härter. So zitierte etwa die polnische Wochenzeitung Wprost kürzlich den amtierenden Premier Mateusz Morawiecki, der Tusk als "gefährlichen Mann" bezeichnete, da letzterer versuchen würde, die Lage in der polnischen Armee zu destabilisieren.
Vonseiten der PiS wirft man dem Gegner zudem vor, mit Deutschland und damit zulasten der polnischen Interessen kooperieren zu wollen. Tusk wiederum bezeichnete die PiS-Führung während einer Debatte Wprost zufolge als "Feiglinge" und wies auf die Misserfolge der Regierung hin, einschließlich des Krieges in der Ukraine.
Was die Wahlen betrifft, so lautet die wichtigste Frage: Verliert die PiS die Macht im Sejm oder hat die Bürgerkoalition durchaus Chancen, die Dominanz der Rechtsnationalen zu beenden? Laut aktuellen Umfragen liegt die Regierungspartei derzeit in der Wählergunst nur wenige Prozentpunkte vor der Opposition. Es zeichnet sich also ein sehr knappes Rennen ab.
Falls die PiS gewinnt, könnte sie dennoch einen Partner brauchen, um weiterregieren zu können. In diesem Fall würde der rechte Block "Konföderation" (Konfederacja Wolność i Niepodległość) in Betracht kommen, wobei diese politische Kraft zum Königsmacher werden könnte.
Ob die kommende Wahl für die polnische Gesellschaft aber tatsächlich eine Schicksalsentscheidung bedeutet, wie die Regierung und die Opposition behaupten, ist eher fraglich. Dafür müsste Polen bei zahlreichen Aspekten schon einen rigorosen Kurswechsel vollziehen und etwa seine Politik in Bezug auf die Ukraine und Russland überdenken. Dass dies nicht zu erwarten ist, behaupten zahlreiche polnische Experten wie zum Beispiel der Politiker und Publizist Mateusz Piskorski. Er ist der Ansicht, dass es selbst im Falle eines Sieges der Opposition keine politischen Kursänderungen geben wird, weil nämlich beide Lager "vom Westen abhängig sind und die atlantische Variante umsetzen."
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