Laut Angaben französischer Medien und Behörden wurden 994 Personen in der Nacht von Freitag auf Samstag festgenommen und 79 Polizisten und Gendarmen verletzt, so die Meldung aus dem französischen Innenministerium. Die landesweiten Krawalle dynamisierten sich nach dem Tod eines Jugendlichen bei einer Verkehrskontrolle in einem Pariser Vorort vor wenigen Tagen.
Nach jüngsten Zahlen wurden bei den gewalttätigen Auseinandersetzungen in den Innenstädten von mehrheitlich jüngeren Franzosen laut Le Monde 1.350 Fahrzeuge angezündet, 234 Gebäude in Brand gesteckt oder beschädigt und 2.560 Brände auf öffentlichen Straßen gezählt. Das Innenministerium betonte, dass es sich dabei um eine "vorläufige nationale Bilanz" handele. Die Zeitung Le Parisien berichtete von 3.880 Bränden in der Nacht von Donnerstag auf Freitag.
Trotz der massiven Polizeipräsenz von zuletzt rund 45.000 Einsatzkräften und dringenden Appelle zur Ruhe und Ordnung aus der Politik zog sich die Spirale der Gewalt vor allem durch die Städte Lyon, Grenoble und Straßburg. Die heftigsten Ausschreitungen der Nacht wurden jedoch aus Marseille gemeldet.
Bereits im Verlauf des Freitags wurde dort die größte Bibliothek zerstört:
Als Reaktion auf die ausufernde Gewalt wurden die Präfekten der betroffenen Regionen aufgefordert, am Freitagabend ab 21 Uhr den Verkehr von Bussen und Straßenbahnen einzustellen, so die Anordnung des französischen Innenministers Gérald Darmanin. Zudem wurden mehrere Großveranstaltungen abgesagt.
Ein mahnender Appell in einem längeren Text erfolgte durch die Spieler der französischen Nationalmannschaft, der am Freitagabend von Kylian Mbappé, dem Kapitän von Les Bleus, auf Twitter weitergeleitet wurde. Die Spieler erklärten, dass sie "vom brutalen Tod des jungen Nahel geprägt und schockiert" seien, riefen jedoch "zur Beruhigung, zur Bewusstwerdung und zur Übernahme von Verantwortung" auf und versicherten, dass die Gewalt "anderen friedlichen und konstruktiven Arten, sich auszudrücken" weichen müsse. Weiter heißt es in dem Text:
"Die Zeit der Gewalt muss aufhören, um der Zeit der Trauer, des Dialogs und des Wiederaufbaus Platz zu machen."
Auf die Ausrufung eines nationalen Notstands hat Präsident Emmanuel Macron bisher verzichtet. Diese Option war 2005 bei ähnlichen Unruhen von der französischen Regierung eingesetzt worden. Macron hatte am Freitag auf einer Krisensitzung eine "inakzeptable Instrumentalisierung des Todes eines Jugendlichen" kritisiert und dabei für sich erkannt, dass "rund ein Drittel der Festgenommenen jung, manchmal sehr jung sind". Macron appellierte daher an die Eltern, "dafür zu sorgen, dass sich ihre Kinder nicht an den gewaltsamen Protesten beteiligten".
Der tödliche Polizeischuss auf den 17-Jährigen in Nanterre hatte die bereits seit Jahrzehnten anhaltenden Spannungen zwischen Politik, den Sicherheitsbehörden und der jugendlichen Bevölkerung in Frankreichs benachteiligten Stadtvierteln und Vorstädten erneut massiv aufflammen lassen.
Gegen den mutmaßlichen Schützen wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Ihm wird laut Staatsanwaltschaft "vorsätzliche Tötung" vorgeworfen. Die Beisetzung Nahels ist für den heutigen Samstag geplant, teilte Nanterres Bürgermeister Patrick Jarry mit. Die Behörden stellen sich auf eine weitere Nacht mit landesweiten Gewaltexzessen ein.
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