Kiew scheint Hemmungen zu haben, eine Großoffensive gegen die russischen Verteidigungsstellungen in Gang zu bringen. So lautet die Einschätzung des ehemaligen Chefs des estnischen Auslandsnachrichtendienstes (VLA), Rainer Sachs, zu den Ereignissen der letzten beiden Wochen. Sachs sagte:
"Die Ukraine hat versucht, die russische Verteidigungslinie [im Süden der Frontlinie] an drei Stellen zu durchbrechen. Nicht mit großen, energischen Manövereinheiten, sondern eher vorsichtig, mit Artilleriebeschuss. Ich würde von einem solchen Angriff keine sehr schnellen und tiefgreifenden Fortschritte erwarten."
Sachs glaubt, dass Kiew seine Hauptstreitkräfte bei der Gegenoffensive, die es Anfang dieses Monats gestartet hat, noch nicht zum Einsatz gebracht hat. Nachdem die ersten Vorstöße keinen Durchbruch erzielen konnten, werde nun anscheinend eine Pause eingelegt und "versucht, die russischen Kräfte mit Angriffen aus größerer Entfernung und verdeckten Operationen auszudünnen", so seine Vermutung.
Der Experte sagte, er erwarte nicht, dass Kiew angesichts der russischen Luftherrschaft eine amphibische Operation über den Dnjepr starten werde. Eines der Probleme der Ukraine ist, dass russische Kampfhubschrauber Ziele aus einer Entfernung angreifen können, die außerhalb der Reichweite der ukrainischen Luftabwehr liegt.
Die Piloten riskieren manchmal den Abschuss von Raketen aus kürzerer Entfernung, was die Präzision der Schläge erhöht, fügte er hinzu. Dies könne in einigen Fällen auch zu Verlusten auf russischer Seite führen.
Russlands Präsident Wladimir Putin bestätigte am Mittwoch, dass die Feindseligkeiten aufgrund der schweren Verluste der ukrainischen Seite in den letzten zwei Wochen "pausiert" hätten. Er deutete an, dass Kiew seine Kräfte derzeit neu gruppiert und seine Strategie überdenkt. Putin erklärte:
"[Das ukrainische] Potenzial für offensive Aktionen ist noch nicht ausgeschöpft. Der Gegner hat Reserven und überlegt, wo und wie er sie einsetzen kann."
Putin zufolge würden die russischen Truppen der Ukraine dennoch keine Chance geben, das Blatt zu wenden. Auch dieser Umstand trage zu Kiews "Irritation" und Zögern bei.
Mehr zum Thema - Ukraine sucht erfolglos nach Schwachstellen in russischer Verteidigung