Von Marinko Učur
Um die Lage in seinem Land weiter zu verkomplizieren und indem er in Hinblick auf die Präsidentschaftswahlen seine eigene Niederlage voraussah, während seine Partei, die Demokratische Partei der Sozialisten Montenegros (DPS) noch früher, nach der Wahlniederlage im Jahr 2020 in die Opposition gegangen war, kündigte er außerordentliche Parlamentswahlen an. Seine Absicht bestand angeblich darin, der Minderheitsregierung von Premierminister Dritan Abazović das Mandat zu verweigern, damit das Land nach den Neuwahlen eine relativ stabile Regierung und klare parlamentarische Mehrheiten bekäme und das instabile Schiff "Montenegro" in ruhigere Gewässer gelangen würde.
Der umstrittene langjährige ehemalige Präsident Đukanović, der zusammen mit seiner Partei Montenegro drei Jahrzehnte lang in verschiedenen Positionen souverän regierte, ist plötzlich allein und wurde von allen im Stich gelassen. Niemand, absolut niemand auf der politischen Bühne Montenegros ist bereit, nach den Wahlen Koalitionen mit der Partei jenes Führers einzugehen, dessen Name in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten in zahlreichen Affären erwähnt wurde, vom Tabak- und Drogenschmuggel bis hin zu dubiosen Geschäftsaktivitäten in Offshore-Standorten. Đukanović überlebte das alles, doch er kam mit dem Willen der Bürger nicht zurecht, die ihn offenbar in den politischen Ruhestand schicken wollten. Sie können seine frühere "Leistung" nicht vergessen, als er das Land – entgegen dem Mehrheitswillen der Bürger – von den beiden engsten befreundeten Ländern, Serbien und Russland, distanzierte. Er trieb die innenpolitischen Spannungen auf einen Höhepunkt, als Montenegro 2017 ohne Referendum der NATO beitrat. Es war ein Fehler, den ihm seine politischen Gegner und die Mehrheit der Bürger nicht verzeihen konnten, und vermutlich deshalb wurde er bei den gerade abgehaltenen Präsidentschafts- und Parlamentswahlen zum Verlierer.
Eine Gruppe von Personen – Liberale und Technokraten –, von denen einige Minister in der Regierung des vorherigen Ministerpräsidenten Zdravko Krivokapić waren, nutzte diese Entwicklung der Ereignisse und die Unzufriedenheit der Bürger und gründete die Bewegung "Europa jetzt" (PES). Gerade diese Bewegung wurde nun bei den Wahlen am Sonntag zur siegreichen Kraft. Dieses Detail erwähnte ich zu Beginn dieses Textes, als ich hervorhob, dass in Montenegro offenbar Wunder möglich und zu erwarten sind. Der Anführer dieser Bewegung, Jakov Milatović, bis unlängst noch Minister für wirtschaftliche Entwicklung, wurde inzwischen zum Parteivorsitzenden gewählt und entließ Milo Đukanović vom Thron, wodurch die Voraussetzungen dafür geschaffen wurden, dass seine Parteibewegung die stärkste politische Kraft im Land wurde und das Ruder der künftigen Regierung übernahm. Es ist eine im europäischen Raum beispiellose Absurdität, dass eine Gruppe jünger, im Westen ausgebildeter Liberaler und Technokraten zehn Monate nach der Parteigründung die Leitung des Landes übernommen hat.
Allerdings sind Jugend und Ehrgeiz das eine, das wirkliche Leben jedoch etwas ganz anderes. Mit der Bildung einer neuen Regierung wird Milojko Spajić, ein 1987 geborener Anführer dieser Bewegung "Europa jetzt" und Milatovićs engster Vertrauter, der bis vor Kurzem selbst Finanzminister war, wird darin keine leichte Aufgabe haben, sofern sein Parteikollege Milatović ihm das Mandat zur Bildung der Regierung überhaupt anvertrauen wird. Kenner der Lage tendieren, darauf hinzuweisen, dass es sich um eine Regierung mit begrenzter Amtszeit handeln werde.
Der Staat schuldet ausländischen Kreditgebern mehr als 4 Milliarden Euro, und die große Frage ist, wie die neue Regierung mit der Schuldenlast und der noch größeren Last ihrer Wahlkampfversprechen umgehen wird. Doch die Bürger entschieden sich für charmante und junge Menschen, die höhere Gehälter, Renten und zahlreiche andere Leistungen versprachen, auch wenn die schwer zu erreichen sein werden. Die schwache Wirtschaft, eine gespaltene Gesellschaft und leere eurofanatische Versprechungen stehen im Widerspruch zueinander. Das Wichtigste war, das Regime von Milo Đukanović zu stürzen, und das brachte die Bürger zunächst dazu, sich für eine neue Kraft zu entscheiden, die in ihnen neue Hoffnung weckte – bis zur nächsten Enttäuschung, die vielleicht nicht lange auf sich warten lassen wird.
Die diesjährigen Wahlen werden auch wegen einer historisch niedrigen Wahlbeteiligung in Erinnerung bleiben: sie überstieg keinesfalls 56 Prozent von insgesamt 542.000 Wahlberechtigten in Montenegro. Die von uns kontaktierten Bürger sind leicht optimistisch, erwarten jedoch keine wesentlichen Veränderungen, da sie sich der Kluft zwischen netten Wahlversprechen und realen Möglichkeiten durchaus bewusst sind. Die "Europäische Union" konzentriert sich momentan auf Brüssel, und die EU-Kommission in Brüssel ist nun mit einigen anderen Prioritäten sehr beschäftigt. Zwar kam die Unterstützung für die Gewinner aus diesem Umfeld, aber niemand glaubt, dass Wunder möglich sind und dass Montenegro, wie die neuen Führer versprachen, demnächst Mitglied der Europäischen Union werden wird.
Einer der Beobachter der Wahlen am Sonntag in Montenegro stellte fest, dass "die Herrscher sich geändert haben, die Art zu regieren jedoch nicht", und dies ist vielleicht das Hauptmerkmal dieser Wahl in einem Land, das einst das kleinste Mitglied der jugoslawischen Föderation war.
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