Von Thomas Röper
Der interessanteste Beitrag des wöchentlichen Nachrichtenrückblicks des russischen Fernsehens am Sonntagabend ist für mich immer der Korrespondentenbericht aus Deutschland, weil er einen Blick auf Deutschland zeigt, den man in den deutschen Medien nicht zu sehen bekommt.
So war mir zum Beispiel gar nicht klar, dass die deutschen "Qualitätsmedien" ihren Lesern und Zuschauern verheimlicht haben, dass Kanzler Scholz seine Gegner, die ihn bei einer Rede als Kriegstreiber beschimpft haben, wüst beschimpft hat. Die Medien haben, ich habe das anhand des Spiegel überprüft, ihren Lesern verheimlicht, dass Scholz die Leute angebrüllt hat, sie hätten "keinen Verstand im Hirn". Stattdessen haben die "Qualitätsmedien" nur die Parolen von Scholz, Putin habe einen provozierten Angriffskrieg begonnen, zitiert.
Dass der US-geführte Westen längst mit Russland im Krieg ist, ist kein Geheimnis und es ist den Politikern auch bewusst. Letzte Woche hat das Weiße Haus der Ukraine ganz offiziell grünes Licht gegeben, mit den vom Westen gelieferten Waffen auch das russische Hinterland – inklusive Moskau – anzugreifen. Selbst wenn man der Meinung ist, dass die Ukraine das Recht hat, gezielt Wohngebiete in Russland zu beschießen (was ein Kriegsverbrechen ist), kann man den Blankoscheck, genau das mit aus dem Westen gelieferten Waffen auch zu tun, nur als direkte Kriegsbeteiligung bezeichnen.
Zum Vergleich: Man stelle sich einmal vor, die USA würden eine "Militäroperation" gegen Mexiko durchführen und Mexiko bekäme aus Russland und China Langstreckenraketen geliefert und grünes Licht, mit diesen Raketen zum Beispiel Los Angeles zu beschießen. Würden die USA das als Kriegsbeteiligung werten?
Ja, natürlich, denn bei 9/11 war der Vorwand für den US-Angriff auf Afghanistan, dass dort jemand säße, der angeblich den Anschlag von 9/11 geplant hatte. Schon das war für die USA Grund genug, einen 20 Jahre dauernden Krieg vom Zaun zu brechen, obwohl nicht einmal die USA die damalige Taliban-Regierung beschuldigt haben, etwas mit 9/11 zu tun gehabt zu haben. Der Vorwurf war, dass sie Bin Laden im Land hatten, mehr nicht.
Wir müssen also nicht mehr darüber diskutieren, ob der Westen im Krieg mit Russland ist, denn nach den Maßstäben, die er bei sich selbst anlegt, ist er es längst.
Kommen wir nun zum russischen Korrespondentenbericht aus Deutschland, den ich übersetzt habe. Vor diesem Bericht gab es in der Sendung einen anderen Bericht über ukrainische Eliten und die Partys, die sie in Monaco feiern, denn in Monaco lassen es sich derzeit auch hohe ukrainische Regierungsvertreter gut gehen.
Beginn der Übersetzung:
Während sich die ukrainische Elite in Monaco amüsiert, bettelt Selenskij im Westen aktiv um Waffen und drängt geradezu in die EU und die NATO. Dort versprechen sie nichts, treiben aber alles in Richtung Krieg. Alle Mittel sind gut, bis hin zu Angriffen auf Wohnblocks. Selbst die Drohnenangriffe auf Moskau wurden weder in der NATO noch in Europa verurteilt.
Einer der ersten, der sich zu Wort meldete, war der britische Außenminister James Cleverly:
"Die Ukraine hat das legitime Recht, sich zu verteidigen. Sie hat das legitime Recht, das auf ihrem eigenen Territorium zu tun und über ihre Grenzen hinaus Gewalt einzusetzen, um Russlands Fähigkeit zu untergraben, Gewalt auf die Ukraine selbst zu richten."
Auch der deutsche Regierungssprecher Steffen Hebestreit sagte, Kiew könne Militäraktionen auf russischem Gebiet durchführen:
"Laut Völkerrecht sind solche Angriffe legitim. Es sagt, dass die Ukraine sich gegen den Angriff verteidigen kann."
Der NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg äußerte sich wie üblich als Falke. Er kommentierte die Angriffe auf russisches Gebiet so: "Unsere Position in dieser Frage ist unverändert: Die Ukraine hat das Recht, sich zu verteidigen."
Auch John Kirby, der Sprecher des Weißen Hauses, goss Öl ins Feuer:
"Wir stellen Ausrüstung zur Verfügung, wir bilden die ukrainischen Streitkräfte aus, wir geben ihnen Ratschläge und Empfehlungen. Wir halten sogar Kommandostabsübungen mit ihnen ab, um zu planen, was sie tun werden. Letztendlich ist es jedoch Sache des ukrainischen Präsidenten und seiner militärischen Befehlshaber zu entscheiden, was sie mit der ihnen zur Verfügung gestellten und nun in ihrem Besitz befindlichen Ausrüstung tun werden. Die USA haben der Ukraine sowohl privat als auch öffentlich sehr deutlich gemacht, dass wir Angriffe auf russisches Territorium nicht unterstützen."
Die Botschaft ist klar. Selenskij hat vom Westen praktisch einen Blankoscheck erhalten, Russland anzugreifen. Und er nahm das enthusiastisch auf und bettelte um neue, immer teurere und technisch ausgefeiltere Waffen. Was also haben die Europäer der Ukraine versprochen?
Die Antwort gibt der Bericht unseres Deutschland-Korrespondenten.
Mit Selenskijs Gesicht stimmte etwas nicht. Jeder hat den säuerlichen Gesichtsausdruck bemerkt, als er Moldawiens Präsidentin Sandu begrüßte. Er machte nicht einmal den Versuch, ein Lächeln zu zeigen. Aber normalerweise lächelt er.
Der Verdacht, dass Selenskij schlecht gelaunt zum Gipfeltreffen der Europäischen Politischen Gemeinschaft gekommen war, erhärtete sich erst recht nach seinem kurzen Gespräch mit dem serbischen Präsidenten Vučić und dem luxemburgischen Premierminister. Xavier Bettel legte ihm zunächst beruhigend die Hand auf die Schulter, was aber offenbar nicht half: Die folgenden Gesten ließen keinen Zweifel daran, dass Bettel Selenskij zum Schweigen bringen wollte.
Vučić seinerseits erklärte später gegenüber Reportern, er habe Selenskij kurz und korrekt erklärt, dass die Forderungen nach einem Beitritt Serbiens zu den antirussischen Sanktionen unrealistisch seien. Das ist nicht neu und kann die Erregung des Kiewer Gastes nur schwer erklären. Was war es dann? Im Grunde gibt es nur eine rationale Erklärung: Selbst Selenskij fühlte offenbar, dass ihn jene betrogen haben, die er als seine Freunde betrachtet, und nicht die, die er nicht als solche betrachtet.
"Heute müssen wir die Ukraine mit allen Mitteln unterstützen, die für eine wirksame Gegenoffensive erforderlich sind. Das wird vielleicht nicht ausreichen, und der Krieg wird weitergehen. Ich denke, wir müssen die Situation neu bewerten, um zu sehen, wie wir unsere Unterstützung zu diesem Zeitpunkt kalibrieren können", sagte der französische Präsident Emmanuel Macron.
Eine andere Meinung hatte der ungarische Ministerpräsident Orbán:
"Die Durchführung großer strategischer Offensiven bedeutet ein Blutbad. Selbst jemand wie ich, der nur anderthalb Jahre Erfahrung in der Armee hat, weiß, dass die angreifende Seite dreimal so viele Opfer hat wie die verteidigende Seite. Bevor die Ukrainer einen Gegenangriff starten, müssen wir alles, was in unserer Macht steht, tun, um einen Waffenstillstand zu erreichen und Friedensgespräche aufzunehmen."
Jetzt soll die Ukraine eigentlich in die Offensive gehen. Orbán und der Papst sind dagegen, aber ansonsten werden Geld und Waffen geschickt, der ganze Westen wartet, die Trommler in den Medien sind schon müde, für das Himmelfahrtskommando zu trommeln, aber man muss den Ukrainern ja erklären, wofür die unvermeidlichen und sehr großen Opfer gebracht werden sollen. Kiew braucht ein schillerndes und motivierendes politisches Ergebnis und – was am wichtigsten ist – eines, das nicht vom Ausgang der Schlacht abhängt.
"Auf dem NATO-Gipfel in Vilnius im Sommer muss eine klare Einladung zur Mitgliedschaft der Ukraine ausgesprochen werden", erklärte Selenskij. Wenn es keine Einladung gibt, drohte der ukrainische Präsident, wird er vielleicht gar nicht nach Vilnius kommen. Sehr witzig. Was bleibt ihm denn? Und alle wissen das sehr gut. Sie wissen, dass die derzeitige Ukraine nicht vom Haken kommt.
Einige gehen in ihren Gedanken noch weiter: Der Westen hat die Ukraine geopfert, um Russland zu schwächen. Schließlich funktioniert die Version, dass die russischen Aktionen "eine unprovozierte Aggression und imperialistische Ambitionen" sind, nur bei politischen Dilettanten. Es wurde geschrieben, dass Selenskij die Anwesenheit des georgischen Premierministers Garibaschwili bei dem Treffen in Moldawien ignoriert habe. Wenn das tatsächlich so ist, dann ist auch klar, warum.
"Was glauben Sie, warum hat Russland im Jahr 2022 die Invasion in der Ukraine gestartet?", wurde der georgische Premierminister Garibaschwili im Fernsehen gefragt.
"Ich denke, jeder kennt den Grund", antwortete Irakli Garibaschwili.
"Ich bin mir nicht sicher, ob ich ihn kenne. Was meinen Sie, was es ist?"
"Ich glaube, Sie wissen das sehr gut. Und das Publikum weiß es auch. Einer der Hauptgründe war die NATO, richtig? Die NATO-Erweiterung, richtig? Und viele andere Gründe."
Der Westen braucht die Ukraine zum jetzigen Zeitpunkt vor allem als ständige Quelle militärischer Bedrohung für Russland, als Objekt der Ablenkung, aber der Beitritt der Ukraine zur NATO widerspricht eindeutig dem Ziel, sich aus dem Konflikt herauszuhalten. Wenn mit Russland irgendetwas passieren würde, dann würden sich die Ziele ändern, und vielleicht würde die Ukraine einen Platz im Bündnis finden, weil das dann nicht mehr so furchterregend wäre.
"Frieden und Sicherheit sind in jedermanns Interesse, aber Russland ist eine Bedrohung für all unseren Frieden und unsere Sicherheit, ob wir das nun direkt spüren oder nicht. Das ist einfach eine Tatsache“, sagte der lettische Ministerpräsident Krišjānis Kariņš.
Während der Woche in Oslo haben die westlichen Diplomaten darüber nachgedacht, wie sie der Ukraine ihren wahren Zweck erklären können, ohne sie dabei allzu sehr zu verärgern. Eine endgültige Lösung wurde noch nicht gefunden. Und es wird schwierig, eine zu finden, denn weitere Gespräche mit dem Selenskij-Regime über das für sie wichtigste Thema sind nur möglich, wenn zwei offensichtliche Bedingungen erfüllt sind: die erste ist die Beendigung des Krieges, die zweite die Erhaltung der Ukraine.
Da die Beendigung des Krieges und die Erhaltung der Ukraine unter Berücksichtigung der Interessen Russlands für sie nicht in Frage kommen, bleibt nur noch eines übrig: ihre totale Militarisierung und weitere Nazifizierung. Sieht man einmal von der offiziellen Position Ungarns und des Vatikans ab, muss man zugeben, dass es in keinem dieser Punkte ernsthafte Meinungsverschiedenheiten zwischen den Verbündeten gibt. Es gibt jedoch einige interne Querelen.
Diese Woche sprachen die Bürger der Stadt Falkensee bei Berlin mit Scholz. Sie riefen ihm zu: "Hau ab, Kriegstreiber!" Sie nannten ihn einen Lügner und einen Banditen. Und er versuchte, ihnen die Waffenlieferungen an die Ukraine zu erklären: "Putin will die Ukraine zerstören und erobern. Wir, als Freunde der Freiheit, Demokraten und Europäer, werden das nicht zulassen."
Die deutschen Medien haben, als sie Videos des Treffens veröffentlichten, die Äußerungen des deutschen Bundeskanzlers über den nicht vorhandenen Verstand seiner Gegner auf dem Platz freundlich herausgeschnitten. In Anbetracht der Tatsache, dass zwischen 50 und 65 Prozent der Deutschen sowohl die Waffenlieferungen selbst als auch die Ausweitung der Lieferungen an die Ukraine ablehnen, sollte der Bundeskanzler darauf achten, was er sagt. Jedenfalls gibt es keine Anzeichen dafür, dass die öffentliche Meinung Einfluss auf die Politik von Scholz hat, denn die wird in Washington bestimmt.
Nach der Genehmigung der Lieferung von F-16-Kampfjets an die Ukraine und dem Beginn der Ausbildung ukrainischer Piloten denken die USA darüber nach, die Ukraine mit ATACMS-Langstreckenraketen zu beliefern, um das russische Hinterland zu treffen. Bis zu dieser Woche gab sich die Regierung Biden damit zufrieden, dass die Initiative für solche Waffen von den Briten ausgegangen war. Die Washington Post berichtet, dass Biden mit Hilfe von Außenminister Blinken und dem Nationalen Sicherheitsberater Sullivan den Appetit auf das Überschreiten einiger roter Linien geweckt hat, indem er behauptet, dass Moskau angeblich nicht über Erklärungen über eine Eskalation hinausgehen werde. Sie machen sogar Witze darüber.
"Der Kreml hat oft erklärt, dass Russland die zweitstärkste Militärmacht der Welt ist. Und viele haben das geglaubt. Jetzt ist die russische Armee die zweitstärkste in der Ukraine", scherzte Blinken.
Die USA und der Westen beliefern die ukrainische Armee mit allem, von Thermounterwäsche und Schutzwesten bis hin zu Panzern und Luftabwehrsystemen, von Kommunikationsausrüstung bis hin zu Satellitenaufklärung. Ein breiter Umfang von Dienstleistungen – selbst der Sprecher des Weißen Hauses Kirby hat sich verraten: In der einen Sekunde "tun wir nichts", in der nächsten "tun wir alles".
"Wir sagen ihnen nicht, wohin sie nicht schießen sollen. Wir sagen ihnen nicht, wie sie ihre Operationen durchführen sollen. Wir geben ihnen Ausrüstung. Wir geben ihnen Ausbildung. Wir geben ihnen Rat und Anleitung. Wir führen sogar Stabsübungen mit ihnen durch, um ihnen bei der Planung ihrer Einsätze zu helfen", erklärte Kirby.
Aber wenn sie aufhören zu helfen, ist das das Ende. Der EU-Chefdiplomat Borrell ist nicht der erste, der das so offen sagt, aber der Komiker Blinken hat offenbar keinen von ihnen gehört. "Ja, wir müssen den Frieden in die Ukraine zurückbringen. Aber nicht nur den Frieden. Ich weiß, wie man diesen Krieg beenden kann. Ich weiß, dass es ganz einfach ist. Wir stellen die Waffenlieferungen an die Ukraine ein – dann ist der Krieg in ein paar Wochen vorbei", glaubt Borrell.
Darum werden sie Waffen liefern. Die ideologische Basis dafür ist formuliert. Außen ist eine Hülle aus Gerede über Freiheit, Demokratie und Menschenrechte, aber wenn man an ihr kratzt, findet man darunter die feste Basis von Goebbels: Die Russen sind Barbaren und Untermenschen.
Der polnische Präsident Duda hat sich diese Woche in einem Interview mit dem Wall Street Journal ausführlich zu diesem Thema geäußert:
"Für die Russen bedeutet ein Menschenleben nichts – für die Ukrainer ist jedes Leben wertvoll. Das ist eine andere Kultur. Wir wissen, dass wir nur dann sicher sein werden, wenn wir Russland besiegen, insbesondere die baltischen Staaten und Polen, aber auch Westeuropa. Ich erinnere unsere deutschen Nachbarn daran, dass die Russen in Berlin waren. Ich erinnere meine französischen Kollegen daran, dass sie während der napoleonischen Epoche auch in Paris waren."
Hier hat noch einer zugegeben, dass Europa nur so tut, als wäre es nicht im Krieg mit Russland. In Wirklichkeit ist es im Krieg. Und Duda will – wie die meisten seiner Kollegen aus der europäischen Zivilisation – nicht, dass alles so endet wie beim letzten Mal, als die Russen in Berlin waren.
Es waren übrigens viele Ukrainer dabei, aber dieses Jahr haben sich ihre Nachkommen offiziell geweigert, den Großen Sieg über den Nazismus mitzufeiern – der 9. Mai, der Tag des Sieges, ist in Kiew jetzt der Europatag. So sehr wollen sie der europäischen Familie beitreten. Und so sehr warten sie auf eine Einladung. Nach jetzigem Stand hat Kiew auf dem Gipfel des Bündnisses nichts zu erwarten. Aber zumindest ein weiterer entscheidender Versuch, die NATO unter Druck zu setzen, zeichnet sich ab: Kurz vor dem Treffen in Vilnius versucht Selenskij, eine Art "Friedensgipfel zur Ukraine" einzuberufen.
Eingeladen sind alle außer Russland, was die Veranstaltung natürlich zu einem weiteren "Kriegsgipfel" macht.
Ende der Übersetzung
Zuerst veröffentlicht auf dem Medienportal Anti-Spiegel am 5. Juni 2023
Thomas Röper ist Herausgeber und Blogbetreiber der Webseite Anti-Spiegel.
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