"Unverschämt": Polen kritisiert Pfizer und die EU-Kommission

Die EU hat im Namen ihrer Mitgliedsstaaten ein neues "COVID-19-Impfstoffabkommen" mit der Pharmaindustrie ausgehandelt. Polen weigert sich nun, dem Abkommen beizutreten und kritisierte die EU und Pfizer scharf. Pfizer fordert, dass auch für nicht gelieferte Impfstoffdosen der halbe Preis bezahlt wird.

Polen weigert sich, dem neuen COVID-19-Impfstoffabkommen, das die EU im Namen ihrer Mitgliedsstaaten ausgehandelt hat, beizutreten. Grund ist die Forderung Pfizers, für vertraglich vereinbarte, aber nicht mehr gelieferte Impfstoffdosen den halben Preis zu bezahlen. 

Die EU-Kommission hat am vergangenen Freitag bekannt gegeben, dass sie mit den Pharmakonzernen Pfizer und BioNTech eine Einigung über die bereits zugesagten COVID-19-Impfstoffdosen erzielt hat. Darin sei vorgesehen, dass die im Rahmen der EU-Impfstoffstrategie 2020 vereinbarten Lieferungen reduziert und die Zeitspanne, in der die Mitgliedsstaaten die Impfstoffe erhalten können, verlängert wird.

Das Abkommen enthält offensichtlich auch Ausgleichszahlungen für nicht gelieferte und nicht mehr zu liefernde Mengen an Impfstoff. Pfizer hatte zuvor gefordert, mit Zahlungen in Höhe der Hälfte des Preises des Impfstoffs für die nicht mehr zu liefernden Mengen entschädigt zu werden. Mit anderen Worten: Die Mitgliedsstaaten sollen für die gelieferten und noch zu liefernden Mengen den vollen und für die ursprünglich bestellten, nun jedoch abbestellten Mengen den halben Preis bezahlen.

Polens Gesundheitsminister Adam Niedzielski bezeichnete die Forderung Pfizers nach Zahlungen für nicht gelieferte Dosen als "unverschämt".

"Die Bedingungen, die die Kommission im Namen der Mitgliedsstaaten mit Pfizer ausgehandelt hat, sind absolut unbefriedigend, und wir werden dem Abkommen nicht beitreten", sagte Niedzielski am Donnerstag, wie die Polnische Presseagentur (PAP) am Wochenende berichtet.

Polen steht an der Spitze eines Konsortiums europäischer Länder, die darauf drängen, die Verträge mit dem US-Pharmakonzern neu zu verhandeln. Anfang dieses Jahres hatte es als erstes EU-Land grünes Licht erhalten, seinen Impfstoffvertrag mit Pfizer allein neu auszuhandeln.

Dennoch verhandelte die Europäische Kommission gleichzeitig für die gesamte EU. Die Gespräche seien vom "Gemeinsamen Verhandlungsteam" geführt worden, das sich aus Vertretern der Kommission und mehrerer Mitgliedsstaaten zusammensetze, hieß es aus Kommissionskreisen im März gegenüber EURACTIV.pl.

Seit April 2022 handelt Polen aufgrund der veränderten Pandemie-Lage und des Zustroms von Flüchtlingen aus der Ukraine unter den Bedingungen "höherer Gewalt" und verweigert deshalb die Annahme neuer Lieferungen des Pfizer-Impfstoffs, so Niedzielski. Er argumentierte, dass die ursprünglichen Verträge so schlecht formuliert seien, dass sie die Länder praktisch dazu zwingen, Hunderte Millionen Dosen zu akzeptieren, die niemand mehr brauche.

Niedzielski warf dem Pharma-Unternehmen mangelnde Kulanz vor. Pfizer sei nicht bereit, "ein zufriedenstellendes Maß an Flexibilität zu zeigen und realistische Vorschläge zu machen", um auf die veränderte Gesundheitssituation in Europa zu reagieren.

Dem Minister zufolge teilen mehrere EU-Mitgliedsländer, darunter Ungarn und Rumänien, die Kritik Warschaus an der Vereinbarung der Kommission. 

Er stellte zudem klar, dass die Probleme nur einen Impfstofflieferanten beträfen. Mit allen anderen habe man sich über "wesentliche Kürzungen" der Lieferungen verständigen können, so der Minister.

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