Der Petersburger Dialog ist nun auch rein formell nicht mehr existent. Das wohl prominenteste Forum für Austausch, das seinerzeit von Präsident Wladimir Putin und Bundeskanzler Gerhard Schröder ins Leben gerufen wurde, ist nun komplett aufgelöst. Man befinde "sich damit im Liquidationsjahr" und werde im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben abgewickelt, teilte die Geschäftsstelle des Vereins am Donnerstagabend mit.
Der Vorstand wurde bis zuletzt vom früheren Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) geleitet. Das Forum wurde durch ihn und zahlreiche andere Vertreter des deutschen politischen Mainstreams insbesondere in den letzten Jahren sehr kontrovers geführt und auf deutsche Initiative schrittweise abgebaut. Bereits im Juli 2021, noch lange vor Beginn der russischen Militäroperation, setzte der deutsche Vorstand bilaterale Veranstaltungen aus. Im November teilte der Vorstand mit, dass der Petersburger Dialog sich im nächsten Jahr auflösen werde. Zur Begründung hieß es nun:
"Angesichts des verbrecherischen Angriffskrieges und der Frontstellung gegen die westlichen Demokratien ist ein Dialog in diesem Format nicht mehr möglich".
Der russische Botschafter Sergei Netschajew stellte in einem auf Twitter veröffentlichten Kommentar fest, dass dieser Schritt nicht unerwartet komme. Er halte den gegenwärtigen Stand der Dinge lediglich förmlich fest. Dies sei allerdings nicht Russlands Wunsch.
Der Diplomat betonte, dass deutsch-russische zivilgesellschaftliche Kooperation ausschließlich unter Druck der deutschen Behörden und des antirussisch gesinnten Mainstreams abgebaut werde.
"Der Dialog zwischen den Zivilgesellschaften sollte von Beginn an allwettertauglich sein und politischer Konjunktur standhalten können. Heute wird dieser Dialog ohne unser Verschulden maximal erschwert."
Mit dem Petersburger Dialog verliere die deutsche Seite einen weiteren zuverlässigen und direkten Draht zu russischen Sichtweisen, bedauerte der Botschafter. "In der Folge müssen die Menschen in Deutschland nun mit einer verdrehten Darstellung unserer Position vorliebnehmen, die von voreingenommenen "Experten" und Medien grobschlächtig präpariert ist". Damit schotte sich Berlin gegen Standpunkte ab, die nicht in die antirussischen Narrative der hiesigen Propagandisten passen, kritisierte der Diplomat.
Gleichzeitig äußerte er die Zuversicht, dass an die Stelle der zerstörten Formate neue Kooperationen treten werden. "Die Erwartung, dass der Dialog mit Russland fortgesetzt wird, ist in der deutschen Gesellschaft unstrittig vorhanden", so der Botschafter.
Die Umfragen zeigen zwar, dass viele Deutsche unhinterfragt strikt antirussische Positionen des Mainstreams übernehmen. So rechtfertigen sie beispielsweise deutsche Beteiligung am Krieg mit schweren Waffen, logistischer Unterstützung und Ausbildung der Soldaten – während Russland sich nicht im Krieg mit Deutschland befindet (Prof. Dr. Joachim Wernicke).
Auf der anderen Seite macht sich auch der Widerstand gegen diese Politik immer mehr bemerkbar – trotz andauernder Diffamierungskampagnen und juristischen Strafmaßnahmen gegen die "Abweichler" unter Experten, Journalisten oder Aktivisten. Die Massenkundgebung am 25. Februar vor dem Kanzleramt, die Blumenaktion am zerstörten Panzer vor der russischen Botschaft oder die Anti-NATO-Konferenzen des OKV sind nur ein kleiner Ausdruck davon, dass der Wunsch nach Frieden mit Russland auch unter derzeitigen Bedingungen weiter vorhanden ist.
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