Internes Konzeptpapier der EU: Militärhilfe für die Ukraine bekommt Auflagen und Ausstiegsklausel

EU-Sicherheitsexperten haben in einem internen Konzeptpapier Risiken und Nutzen einer weiteren militärischen Unterstützung der Ukraine formuliert. Gemäß den geplanten Auflagen könne Militärhilfe nur noch erfolgen, wenn der Waffenhandel unterbunden werde und die Ukraine sich an das humanitäre Völkerrecht halte. Bei Verstößen behalte die EU sich vor, die Militärhilfe auszusetzen.

von Felicitas Rabe

EU-Diplomaten bewerten die Chancen der ukrainischen Streitkräfte im Kampf gegen die russische Armee intern geringer ein als das öffentlich dargestellt wird. Die Sicherheitsexperten der Europäischen Union sehen die ukrainische Armee weiterhin in der Defensive. Darüber berichtete Telepolis am Dienstag in einer ausführlichen Analyse.

Telepolis liegt demzufolge exklusiv ein internes Konzeptpapier des Europäischen Auswärtigen Dienstes vor. Das EU-Dokument "zur Unterstützung der ukrainischen Streitkräfte durch die Bereitstellung von Munition" gehe ebenso wie die kürzlich im Internet aufgetauchten US-Geheimdokumente von einem massiven Munitionsmangel bei den ukrainischen Streitkräften aus.

Laut einem Bericht der Washington Post über die geleakten Dokumente würde auch die US-Regierung bei einer Frühjahrsoffensive nicht von größeren Erfolge im Kampf gegen Russland ausgehen. Obendrein würden die US-Unterlagen Zweifel der Biden-Regierung am Fortgang des Krieges offenlegen. Dies könnte Forderungen nach einer Verhandlungslösung stärken. Gemäß der internen EU-Analyse, sei "die erfolgreiche Gegenoffensive der ukrainischen Streitkräfte" zwar ermutigend, aber "noch kein Wendepunkt", und demnach sei "weitere militärische Hilfe der EU dringend erforderlich."

Munitionsmangel bei den ukrainischen Streitkräften

Schätzungen in den Unterlagen offenbaren, dass das ukrainische Militär monatlich mindestens 357.000 Schuss Munition vom Kaliber 155 mm bräuchte, um seine Kampfziele zu erreichen. Stattdessen stünden ihm vom Kaliber 155 mm nur etwa 110.000 Schuss pro Monat zur Verfügung.

Wie der US-Regierungssender Radio Free Europe/Radio Liberty unter Berufung auf EU-Dokumente im März berichtete, hätten die russischen Streitkräfte zuletzt täglich zwischen 20.000 und 50.000 Artilleriegeschosse abgefeuert, während die ukrainischen Verteidiger nur 4.000 bis 7.000 Artilleriegeschosse pro Tag verbrauchten.

Risiko-Nutzen-Analyse für die militärische Unterstützung der Ukraine

In dem internen EU-Konzept hat der Europäische Auswärtige Dienst zur Bewertung weiterer Militärhilfe für die Ukraine eine Risiko-Nutzen-Analyse erstellt, indem Nachteile und Vorteile einer Unterstützung aufgelistet werden. Zu den Risiken der Militärhilfe gehörten demnach die Verstärkung des Konflikts und die Verstärkung des Gewaltkreislaufs. Außerdem bestehe die Gefahr, dass die Ausrüstung in die falschen Hände gerate. Ein weiteres Risiko bestehe darin, dass die ukrainischen Einheiten mit dem Material Verstöße gegen die internationalen Menschenrechtsnormen oder gegen das humanitäre Völkerrecht begehen könnten.

Bei der militärischen Unterstützung sei dagegen vorteilhaft, dass die bereitgestellte Ausrüstung den operativen Erfordernissen entspreche. Die ukrainischen Streitkräfte seien zudem besser in der Lage, die Zivilbevölkerung in ihrem Hoheitsgebiet zu schützen. Die gemeinsame Beschaffung gewährleiste eine koordinierte Zuweisung von Ressourcen der EU-Mitgliedsstaaten.

In dem Konzept finden sich seitens der EU-Außen- und Sicherheitsexperten auch Auflagen für die ukrainische Seite, um "die Wahrscheinlichkeit und/oder die Auswirkungen der Risiken [zu] verringern." So werde den ukrainischen Streitkräften auferlegt, Verstöße gegen internationale Menschenrechtsnormen und das humanitäre Völkerrecht durch Einheiten, die EU-Waffen erhalten, "aktiv zu überwachen, zu verfolgen und strafrechtlich zu ahnden."

Bei bestätigten Völkerrechtsverstößen kann Militärhilfe beendet werden

Um zu verhindern, dass die Ausrüstung in "falsche Hände" gerate, müssten die westlichen Rüstungsgüter sicher gelagert und EU-Diplomaten Kontrollen vor Ort gewährt werden. Zudem dürfe die militärische Ausrüstung "ohne vorherige Genehmigung durch den Hohen Vertreter weder an ukrainische Einrichtungen außerhalb der Streitkräfte weitergegeben noch in ein Drittland wieder ausgeführt" werden. Diesbezüglich fordern die EU-Diplomaten die ukrainische Regierung auf, ein Abkommen zur Unterbindung des Waffenhandels zu ratifizieren.

Bei "bestätigten Verstößen gegen das Völkerrecht" werde die EU sich vorbehalten, die Lieferung von Ausrüstung "in Teilen oder vollständig auszusetzen und/oder zu beenden." Dem internen Konzeptpapier zufolge halte sich die EU die Beendigung der Militärhilfe auch offen, "wenn die politische und sicherheitspolitische Lage es nicht mehr zulässt, die Unterstützungsmaßnahme unter Sicherstellung ausreichender Garantien durchzuführen, oder die Fortsetzung der Unterstützungsmaßnahme nicht mehr den Zielen der Union dient oder nicht länger in ihrem Interesse liegt."

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