Schweiz: Beschlagnahme russischer Vermögen für Wiederaufbau der Ukraine abgelehnt

Der US-Botschafter Scott Miller fordert von der Schweiz, weitere 50 bis 100 Milliarden Schweizer Franken an russischem Vermögen zu beschlagnahmen. Das Geld solle für den Wiederaufbau der Ukraine verwendet werden. Die Direktorin des Schweizer Staatssekretariats für Wirtschaft lehnt das ab.

Die Schweizer Regierung wird – abgesehen von den bereits eingefrorenen Geldern – keine weiteren russischen Guthaben blockieren. Es fehle der Nachweis, dass sie unter die Sanktionen fallen, sagte die Direktorin des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO), Helene Budliger Artieda, am Dienstag in einem Interview mit der Neuen Zürcher Zeitung.

Sie reagierte damit auf frühere Äußerungen des US-Botschafters in der Schweiz Scott Miller. Dieser hatte das SECO im vergangenen Monat kritisiert, weil es nicht genug für die Umsetzung der Sanktionen gegen Russland tue. Der US-Botschafter sagte, Bern könne weitere 50 bis 100 Milliarden Schweizer Franken an russischen Vermögenswerten blockieren und sie für den Wiederaufbau der Ukraine verwenden.

"Die Zahl von 50 bis 100 Milliarden Franken wurde zunächst als mögliche Schätzung der russischen Gelder unter [Schweizer] Verwaltung verbreitet, aber es handelte sich nicht um eine Schweizer Schätzung. Nicht alle Russen sind von den Sanktionen betroffen, sondern nur eine kleine Minderheit", so Budliger Artieda gegenüber der NZZ.

Bern hat russische Vermögenswerte im Wert von 7,5 Milliarden Schweizer Franken (8,3 Milliarden Dollar) eingefroren, seit die EU im Zuge des Militäreinsatzes in der Ukraine Sanktionen gegen Moskau verhängt hat. Nach Angaben der SECO-Chefin machten die gesperrten Gelder "gut ein Drittel" der in der gesamten Europäischen Union eingefrorenen 21,5 Milliarden Euro (23,4 Milliarden Dollar) aus. Für ein weiteres Einfrieren von Vermögenswerten müsste jedoch nachgewiesen werden, dass die Gelder mit sanktionierten Einrichtungen oder Personen in Verbindung stehen.

"Wir rufen die USA und alle Partnerländer immer wieder auf: Wenn ihr wertvolle Hinweise habt, gebt sie uns. Wir werden diesen dann nachgehen. Bis heute haben wir von den Amerikanern noch keine Hinweise erhalten", teilte sie im Interview mit. Auf die Frage, ob die eingefrorenen Vermögenswerte beschlagnahmt werden könnten, um den Wiederaufbau der Ukraine zu finanzieren, wiederholte die Beamtin frühere Erklärungen der Schweizer Behörden. Ein solcher Schritt würde Eigentumsrechte verletzen und wäre aus Sicht des Schweizer Rechtssystems illegal. Sie erklärte:

"Die Beschlagnahmung von privaten Vermögenswerten ist in der Schweiz nicht zulässig, wenn die Vermögen rechtmäßiger Herkunft sind und keinen nachgewiesenen kriminellen Hintergrund haben. Ihre Beschlagnahmung würde der Bundesverfassung und der geltenden Rechtsordnung widersprechen und die internationalen Verpflichtungen der Schweiz verletzen."

Außerdem sei es unwahrscheinlich, dass die Schweizer Regierung Druck auf die Finanzinstitute des Landes ausübt, damit diese keine russischen Kunden mehr bedienen. "Wir schreiben keiner Bank oder Firma vor, mit wem sie Kundenbeziehungen unterhalten darf", machte die Direktorin des Schweizer Staatssekretariats für Wirtschaft klar.

Der Gedanke, eingefrorene russische Vermögenswerte für den Wiederaufbau der Ukraine zu beschlagnahmen, wird bereits seit einiger Zeit von westlichen Ländern diskutiert. Doch bisher wurden keine konkreten Schritte unternommen. Viele befürchten, dies könnte einen gefährlichen Präzedenzfall im globalen Rechtssystem schaffen. Russland hat wiederholt vor solchen Maßnahmen gewarnt und erklärt, dass sie im Prinzip Diebstahl bedeuteten.

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