Von Marinko Učur
In Montenegro, dem mit 620.000 Einwohnern kleinstem Balkanstaat, fanden am vergangenen Wochenende Präsidentschaftswahlen statt. Von den sieben angemeldeten Kandidaten erhielt erwartungsgemäß keiner die absolute Mehrheit, sodass im zweiten Wahlgang entschieden wird, welcher der beiden Kandidaten mit den meisten Stimmen den Präsidentenstuhl übernehmen wird.
Der derzeitige Präsident und langjähriger Führer Montenegros, Milo Đukanović, mit 35 Prozent der gewonnenen Stimmen, verhehlt nicht seinen Ehrgeiz, seine derzeitige Position zu behalten, aber sein Gegner ist der junge und ehrgeizige Jakov Milatović (Jahrgang 1986), der 29 Prozent der Bürgerstimmen erhielt. Das Paradoxe ist, dass der Gegenkandidat Đukanovićs zu der Zeit geboren wurde, als der unbestrittene montenegrinische Führer seine politische Karriere begann, die ununterbrochen seit 35 Jahren andauert.
Den "Titel" des langlebigsten Herrschers hat sich Đukanović längst verdient, nicht nur auf dem Balkan, sondern auch in Europa. Bedeutet die Tatsache, dass der Kandidat der Bewegung "Evropa sad" (Europa jetzt), Milatović, überzeugend in die zweite Runde geht, dass Montenegro an der Schwelle eines historischen Wendepunktes steht? Und was wird diese Wende, sofern es zu ihr kommt, im Wesentlichen bedeuten? Das sind jene Fragen, auf die wir Antworten abwarten werden, die nach der zweiten Runde der Präsidentschaftswahlen am 2. April vorhergesagt werden könnten.
Man gewinnt den Eindruck, dass die Bürger Montenegros die langjährige autoritäre Herrschaft von Đukanović und seiner Demokratischen Partei der Sozialisten (DPS), die auf den Ruinen der ehemaligen kommunistischen Partei entstanden sind, satthaben. Deshalb schickten sie seine Partei bei den Parlamentswahlen im August 2020 in die Opposition, wo sie bis heute steht. So scheint der Mehrheitswille der Bürger entschlossen zu sein, auch Đukanović in den politischen Ruhestand zu schicken.
Es ist symptomatisch, dass der jahrzehntelange erste Mann des Landes, der Montenegro im Jahr 2017 ohne Referendum in die NATO geführt und damit die Gunst des Westens erlangt hatte, sich immer noch Sorgen um seine Zukunft macht. Dass er sich der Unterstützung des Westens wie auch seines Sieges im zweiten Wahlgang nicht sicher ist, zeigte sich, indem er wenige Tage vor den Präsidentschaftswahlen am 19. März das derzeitige Parlament auflöste, was der Auftakt zu den vorgezogenen Parlamentswahlen war.
Mit anderen Worten, er benötigt weiterhin Immunität, die ihn im Falle einer Strafverfolgung wegen der zahlreichen fragwürdigen Praktiken, die ihn von seinen politischen Gegnern vorgeworfen werden, schützen würde. Bei den anstehenden Sonderwahlen wird er mit Sicherheit als Parteivorsitzender hervorgehen und ein Mandat als Abgeordneter erhalten, das ihn weiterhin vor strafrechtlicher Verfolgung schützen wird. Zur Erinnerung: Die Öffentlichkeit trägt ihm Tabakschmuggel und Drogenhandel nach, was jedoch nie offiziell bewiesen wurde.
Offensichtlich steht Montenegro vor einem historischen Wendepunkt, und Đukanović stehen schwierige Zeiten bevor. Sofern dieser autoritäre Herrscher, der zu dubiosen Geschäften am Rande des Gesetzes neigt, für die er einst Gegenstand einer Untersuchung der italienischen Justiz war, politisch überleben wird, dann dank der Tatsache, dass er immer noch der Anführer der stärksten Einzelpartei im Parlament ist und dass seine Parteifreunde ihn um jeden Preis schützen werden, sei es auch nur als Abgeordneten. Aber das wird ihn sicherlich nicht vor den angekündigten Untersuchungen bezüglich seines weitverbreiteten Machtmissbrauchs und der Korruption, die seine Regierungszeit geprägt haben, schützen. Die Öffentlichkeit glaubt, dass er aus Angst, dass er strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden könnte, unangekündigt die vorgezogenen Parlamentswahlen ausgerufen hat. Das ordentliche Wahljahr ist das Jahr 2024.
Obwohl ihm seine politischen Gegner im Wahlkampf eine Zukunft im Gefängnis prophezeiten, ist klar, dass der langjährige Leader Montenegros eine "harte Nuss" für die uneinige Opposition ist, die vier weitere Kandidaten ins Rennen um das Präsidentenamt warf. Damit verringerten sich die Chancen des favorisierten Milatović und des Kandidaten der Parteien des serbischen Blocks in Montenegro, Andreia Mandić, Đukanović bereits in der ersten Runde zu besiegen.
Đukanovićs Niederlage rückt näher, da sind sich Analysten einig, denn dieses Mal ist er im Gegensatz zu früheren Wahlzyklen, als er sich bereits in der ersten Runde die Macht gesichert hatte, nun auf geringe 35 Prozent der Wählerunterstützung "zurückgefallen". Die gespaltene Opposition war sich schließlich in etwas einig: Sie alle wollen den Rücken von Đukanović sehen und das könnte offenbar am 2. April passieren.
Bis dahin muss sein Gegenkandidat Milatović das Vertrauen aller Parteien aus dem Oppositionsblock gewinnen, die ihm deklarativ ihre Unterstützung zugesagt haben. Auf dem Balkan, insbesondere in Montenegro, ist jedoch bis zum letzten Augenblick alles fraglich, sodass Wunder möglich sind. Sofern die angekündigte Unterstützung für den 37-jährigen Milatović aufrichtig ist, wird eine einfache Mehrheit der Stimmen von Đukanovićs Gegnern aus dem ersten Wahlzyklus für seinen Sieg reichen.
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