Um 11,7 Prozent: EU einigt sich auf Vereinbarung zur Senkung des Energieverbrauchs bis 2030

Die EU möchte klimaneutral und unabhängig von fossilen Brennstoffen werden – und deswegen Energie sparen. Nun hat sich der Staatenbund ein ehrgeiziges Ziel gesetzt. Manchen geht das aber nicht weit genug.

Die EU-Länder haben sich am Freitag mit dem Europäischen Parlament auf eine Vereinbarung zur Senkung des prognostizierten Energieverbrauchs bis zum Jahr 2030 geeinigt. Die Vereinbarung ist ein wichtiger Bestandteil der ehrgeizigen Klimaziele der EU, die Treibhausgasemissionen bis zum Ende des Jahrzehnts im Vergleich zu 1990 um 55 Prozent zu senken. Dadurch erhofft sich die EU, bis zum Jahr 2050 klimaneutral zu werden. Kernstück der Vereinbarung ist das 11,7 Prozent-Ziel. Dieses sieht vor, dass die EU-Länder ihren Gesamtenergieverbrauch um etwa 1,5 Prozent pro Jahr senken müssen.

Referenzwert für die neuen Einsparziele ist demnach eine Prognose von 2020 für den Energieverbrauch des Jahres 2030. Jedes EU-Land ist nun dazu verpflichtet, zu den Sparzielen beitragen. Ab 2024 sollen die Länder daher durchschnittlich 1,5 Prozent ihres jährlichen Endenergieverbrauchs einsparen. Um dieses Ziel zu erreichen, sind die einzelnen Mitgliedsstaaten unter anderem dazu angehalten, die Renovierung alter Gebäude zu veranlassen. Da die meisten Gebäude in der EU mit fossilen Brennstoffen beheizt werden, ist diese Politik von entscheidender Bedeutung für die Bemühungen Brüssels zur Bekämpfung des Klimawandels.

Ebenso müssen Behörden und andere öffentliche Stellen künftig etwa berücksichtigen, wie energieeffizient eine Dienstleistung oder ein anzuschaffendes Produkt ist. Aber auch Firmen sollen Energie künftig effizienter nutzen. Dafür müssen große Verbraucher etwa ein Energiemanagementsystem einführen. "Dieses Abkommen wird sicherstellen, dass wir unsere Klimaziele erreichen, unsere Unabhängigkeit von importierten russischen fossilen Brennstoffen beschleunigen und die Schwächsten in unserer Gesellschaft schützen können", sagte ein Sprecher der EU-Kommission. Das neue Gesetz würde "einen echten Wandel zum Vorteil des Klimas und zum Nachteil von (Russlands Präsident Wladimir) Putin bedeuten", fügte er hinzu.

Die Einigung blieb jedoch hinter dem ursprünglichen 13 Prozent-Ziel zurück, das die Europäische Kommission im letzten Jahr als Reaktion auf die wachsende Energieknappheit infolge des Ukraine-Krieges genannt hatte. Das Europäische Parlament seinerseits stimmte im September 2022 dann dafür, den Energieverbrauch der EU um 14,5 zu senken. Das jetzige Verhandlungsergebnis liegt also viel näher an den Wünschen der nationalen Regierungen als an denen des Parlaments.

"Leider haben die Blockierer in den EU-Mitgliedsstaaten höhere Ambitionen blockiert", erklärte die deutsche EU-Abgeordnete Jutta Paulus (Bündnis 90/Die Grünen) auf Twitter. Nach Ansicht des Verhandlungsführers wurden diese allerdings gegen eine zusätzliche Kontrolle eingetauscht: "Wir haben eine starke Steuerung um das Ziel herum, sodass die Mitgliedsstaaten es ernst nehmen müssen", sagte Niels Fuglsang, ein dänischer Mitte-Links-Abgeordneter, der das Abkommen im Namen des Europäischen Parlaments ausgehandelt hat. 

Wirtschaftsweise und Aktivisten zeigten sich über die Verhandlungsergebnisse jedoch alles andere als zufrieden. "Nach langen Verhandlungen ist das Ergebnis der EED-Überarbeitung enttäuschend", kritisierte Verena Bax, Energiesparexpertin beim Climate Action Network Europe gegenüber Reportern. "Das von den politischen Entscheidungsträgern vereinbarte Energieeffizienzziel spiegelt nicht die aktuelle Krise der fossilen Brennstoffe wider, in der wir leben", fügte sie hinzu und warnte, dass das Gesetz zu einem "Papiertiger" geworden sei. Nach Ansicht der NGO-Expertin "besteht die Gefahr, dass die Länder das Ziel vor Ort nicht umsetzen."

"Die EU verbessert die derzeitige Energieeffizienzrichtlinie, aber nicht in dem Maße, wie es zur Erreichung der REPowerEU-Ziele erforderlich ist", bemängelte Arianna Vitali, Generalsekretärin der gemeinnützigen Koalition für Energieeinsparungen. Sie bezog sich dabei auf das Ziel der EU, bis 2027 aus den russischen fossilen Brennstoffen auszusteigen. Eine hervorzuhebende Errungenschaft des neuen Energieeffizienzgesetzes ist die Einführung einer offiziellen Definition von Energiearmut. Im Rahmen dieser Neudefinition werden die EU-Staaten dazu verpflichtet, Menschen und Haushalte mit niedrigem Einkommen mit Maßnahmen für eine effizientere Nutzung von Energie zu unterstützen. So sollen zum Beispiel Anlaufstellen für technische und finanzielle Hilfe eingerichtet werden.

"Die neuen Bestimmungen über die Befähigung der Verbraucher und die Energiearmut werden sicherstellen, dass unsere saubere Energiewende für alle zugänglich ist, auch für die Schwächsten", erklärte EU-Energiekommissarin Kadri Simson. Die Energiekrise hatte zuletzt ein grelles Schlaglicht auf das Fehlen eines EU-weiten Rahmens für Energiearmut geworfen, was die Unterstützung derjenigen erschwert, die es sich nicht leisten können, ihre Häuser ausreichend zu heizen.

Die Vereinbarungen werden nun dem Europäischen Parlament und den EU-Ländern zur endgültigen Abstimmung vorgelegt. Anschließend werden sie mit ihrer Veröffentlichung im EU-Amtsblatt wirksam.

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