Ein Gericht in Minsk hat Swetlana Tichanowskaja, die frühere Kandidatin der Opposition bei den weißrussischen Präsidentschaftswahlen im Jahr 2020, in Abwesenheit zu 15 Jahren Freiheitsentziehung verurteilt.
Pawel Latuschko, ein früherer politischer Zögling des Präsidenten Lukaschenko, der im Zuge der Unruhen im Herbst 2020 zur Opposition überlief und anschließend emigrierte, wurde in demselben Gerichtsverfahren zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt. Das berichten am Montag übereinstimmend mehrere Nachrichtenagenturen, unter anderem RIA Nowosti.
Im Januar hatte das Minsker Stadtgericht den Prozess gegen Tichanowskaja, Pawel Latuschko sowie die Leiterin von Tichanowskajas Hauptquartier, Maria Moros, und die Mitglieder Olga Kowalkowa und Sergej Dylewski eines Koordinierungsrates der Opposition wegen Umsturzversuchs und der Anstiftung zum Landfriedensbruch eröffnet. Alle Beschuldigten befinden sich derzeit außerhalb von Weißrussland, so dass die Gerichtsverhandlung in ihrer Abwesenheit stattfand.
Der Staatsanwalt Michail Kowaljow hatte in seinem Plädoyer Ende Februar beantragt, Tichanowskaja und Latuschko zu jeweils 19 Jahren Gefängnis zu verurteilen. Für Moros, Kowalkowa und Dylewski forderte der Ankläger je 12 Jahre Freiheitsentziehung. Tichanowskaja, Kowalkowa und Moros werden ihre Strafe voraussichtlich in einer allgemeinen Strafkolonie verbüßen, während Latuschko und Dylewski in einer Strafkolonie unter verschärftem Regime untergebracht werden, sollten die weißrussischen Behörden ihrer zur Verbüßung der Strafen habhaft werden. Die Staatsanwaltschaft hielt es für notwendig, gegen Tichanowskaja zusätzlich eine Geldstrafe von rund 13.000 Dollar zu verhängen. Alle Angeklagten wurden der Verschwörung zur verfassungswidrigen Ergreifung der Staatsgewalt, der Bildung und Führung einer extremistischen Vereinigung, des öffentlichen Aufrufs zu Sanktionen und der Aufstachelung zu sozialem Unfrieden verurteilt. Einige der Angeklagten waren zusätzlich wegen weiterer Straftaten angeklagt, so etwa Tichanowskaja wegen des Landesverrats.
Nach den Präsidentschaftswahlen in Belarus am 9. August 2020, die Alexander Lukaschenko zum sechsten Mal gewann, kam es in dem Land zu teils gewalttätigen Massenprotesten der Opposition. Nach der Niederschlagung der Unruhen reiste eine Reihe von Vertretern der Opposition ins Ausland, insbesondere nach Polen, Litauen und in die Ukraine.
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