Nach einem traurigen Rekord bei tödlicher Schusswaffengewalt im vergangenen Jahr erlebt Schweden erneut eine Welle der Gewalt. In der Hauptstadt Stockholm kam es in den vergangenen Tagen immer wieder zu nächtlichen Schüssen und vorsätzlich herbeigeführten Explosionen.
In der zweiten Nacht in Folge wurde im Stockholmer Randbezirk Farsta am frühen Freitagmorgen eine Wohnung beschossen, ohne dass jemand verletzt wurde. Wenige Stunden zuvor war in einem Treppenhaus in Årsta – ebenfalls im Süden Stockholms – eine Sprengladung explodiert. Nach Angaben der Zeitung Aftonbladet wurden Reste einer Handgranate gefunden. Verletzt wurde auch hier niemand. Festnahmen gab es nicht. Auch Grimsta, am westlichen Rand der schwedischen Hauptstadt, war in den vergangenen Wochen betroffen gewesen.
Schweden ringt seit einigen Jahren mit einer um sich greifenden Bandenkriminalität, die sich immer wieder in Schüssen und Explosionen zeigt. 2022 kam es in dem EU-Land zu 388 Schießereien mit 61 Toten und 90 Anschläge mit Sprengstoff. Opfer und Täter sind dabei immer häufiger Minderjährige. Gegenüber dem Vorjahr ist die Zahl der Todesopfer um ein Drittel gestiegen.
In Stockholm nahmen die Schüsse und Detonationen seit Weihnachten spürbar zu. Die Hintergründe dieser Taten werden unter anderem in einem Konflikt um den Drogenmarkt in der Stadt Sundsvall knapp 400 Kilometer weiter nördlich vermutet. Dem Rundfunksender SVT und dem Aftonbladet zufolge hat dort ein 24-Jähriger mit einem kriminellen Netzwerk das Sagen, doch ein berüchtigter, in der Türkei lebender 36-Jähriger und sein Umfeld wollen ihm diese Position streitig machen. Mehrere der Taten sollen sich demnach gegen Angehörige der beiden Hauptakteure in diesem Konflikt richten.
Die Lage ist nach Polizeiangaben aber überaus komplex. Man habe es nicht nur mit einem, sondern mit gleich mehreren Konflikten zu tun, die parallel vor sich gingen, sagte der kommissarische regionale Polizeichef Mattias Andersson am Freitag auf einer Pressekonferenz. "Wir arbeiten an vielen, vielen Fronten." Oberste Priorität habe, die Gewaltspirale zu durchbrechen. Daher habe man beschlossen, das Ganze nun als Sonderlage einzustufen – das bedeutet, dass die Ermittlungen eine eigene Leitung und zusätzliche Kräfte erhalten können.
Die Bandengewalt in ganz Stockholm, bei denen es drei Tote und mehrere Verletzte gab und durch die Anwohner sich unsicher fühlen, auch wenn sie nicht selbst das Ziel sind, war das bestimmende Thema des letzten Wahlkampfs. Der neue Ministerpräsident Ulf Kristersson, dessen Mitte-Rechts-Minderheitsregierung im Parlament von den rechtsextremen Schwedendemokraten (SD) unterstützt wird, hatte versprochen, das Problem in den Griff zu bekommen, und eine Reihe von Verschärfungen in der Strafjustiz angekündigt. Die Häufung der Vorfälle erfolgt zeitlich denkbar ungelegen, da Schweden in den ersten sechs Monaten des Jahres den Vorsitz im Rat der Europäischen Union innehat.
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(rt de/dpa)