Wirtschaftskrise: Einzelhandelsverband warnt vor Brüsseler und Berliner Regulierungswut

Der mittelständisch geprägte "Handelsverband Deutschland" (HDE) befürchtet angesichts der Wirtschaftskrise allzu scharfe Regulierungen seitens der Europäischen Union. Wie der Einzelhandelsverband meint, helfen die Brüsseler Lösungsstrategien nicht aus der Krise.

Nach den Corona-Jahren stellten die Energiekrise und Inflation im gerade abgelaufenen Jahr 2022 die hauptsächlichen Faktoren dar, die den deutschen Einzelhandelsunternehmen zu schaffen machten. In einem Interview hatte Alexander von Preen, Präsident des Einzelhandelsverbandes HDE, kürzlich über den Kostendruck geklagt, der insbesondere durch die gestiegenen Energiepreise verursacht werde.

Zwar hätten die von der Politik angekündigten Strom- und Gaspreisbremsen für eine Aufhellung der Stimmung in der Branche gesorgt, doch solange diese Maßnahmen nicht in Kraft seien, bliebe nur Abwarten übrig. Im Oktober 2022 hatte das "HDE-Konsumbarometer", welches das Geschäftsklima messen soll, einen Tiefstand erreicht. Im November und Dezember schienen sich die Geschäftsaussichten wieder gebessert zu haben. Der Preisdruck auf die Handelsunternehmen werde auch 2023 anhalten. Um die äußeren Faktoren abzumildern, forderte von Preen Entlastungen von der Politik, wie die Deutschen Wirtschaftsnachrichten (DWN) schreiben.

Kritisch äußerte sich der Vertreter des Einzelhandels zur Berliner und Brüsseler Politik. Zwar sei man in guter Diskussion mit der Bundesregierung, die das Problem des durch die Corona-Maßnahmen in Mitleidenschaft gezogenen Handels erkannt habe. Doch wie der Verbandschef kürzlich erklärte, hätten seit 2019 in Deutschland 41.000 Händler ihr Geschäft aufgegeben. Viele Händler hätten in Corona-Zeiten ihre Rücklagen aufgebraucht. Der Ukraine-Krieg seit 2022 habe für den Handel die nächste Stufe einer intensiven Transformationsphase markiert. Die Teuerung stellt viele Händler vor existenzielle Probleme.

Der HDE-Chef verlangte deshalb von der Politik weitere Deregulierungen:

"Die Politik, die in der Corona-Pandemie zu Recht sehr aktiv war, um die Krise zu bewältigen, muss sich wieder zurücknehmen und Freiräume für unternehmerische Aktivitäten und Innovationen schaffen. Wenn Genehmigungsverfahren zu lange dauern oder Umbauten mit Auflagen erschwert werden, dann ist das nicht hilfreich. Die Innenstädte müssen attraktive Rahmenbedingungen für Handel, Gastronomie und Kultur bieten. Wir führen hierzu auf allen Ebenen und mit allen Stakeholdern Gespräche, vom Bundesbauministerium bis hin zu den Kommunen."

Nachdem in den Corona-Jahren weite Teile des Handels online abgewickelt wurden, sieht der HDE seine Rolle nun auch darin, die Innenstädte wieder attraktiver zu machen. Sie seien Orte des Austausches, den es woanders nicht mehr gebe. Für die Wiederbelebung der Innenstädte forderte von Preen allerdings "mehr Flexibilität bei den Arbeits- und Öffnungszeiten", so die DWN.

Eine Schwierigkeit für viele Händler stellen die Mieten dar, denn immerhin 64 Prozent der Geschäftslokale seien angemietet. Davon sei fast die Hälfte (46 Prozent) über Indexmietverträge an die Inflationsrate gekoppelt. Während man mit umsatzorientierten Mieten eine für Vermieter und Mieter tragfähige Kompromisslösung finden könne, würden die Auflagen aus Brüssel den Händlern mehr Kopfschmerzen bereiten. Die DWN zitieren von Preen mit folgender Befürchtung:

"Es droht ein regelrechter Regulierungs-Tsunami aus Brüssel. Von der 'Gebäudeeffizienz-Richtlinie' über die 'Verpackungsverordnung' und 'Abfall-Richtlinie' bis hin zur 'Reparierbarkeit von Geräten' oder der 'Taxonomie-Verordnung'. Das muss unbedingt wieder auf ein normales Maß zurückgeführt werden. Brüssel sollte die Regionalität und den unterschiedlichen Reifegrad der Märkte in Europa wieder stärker in den Blick nehmen. Auch hier gilt: Die Politik muss sich wieder zurücknehmen. Sie ist nicht der bessere Unternehmer."

Aber auch die deutsche Politik würde dem Handel das Leben schwer machen. Als Beispiele nannte der HDE-Vertreter das neu eingeführte Lieferkettengesetz, das für die Handelsunternehmen eine erhebliche Herausforderung darstelle. Die zuständigen Behörden, so seine Erwartung, möchten doch "mit Augenmaß" bei der Umsetzung der neuen Vorschriften vorgehen. Der Verband befürchtet weitere Belastungen durch eine geplante EU-Lieferkettenregulierung. Fraglich sei, ob und inwieweit die EU-Vorgaben in den Mitgliedsländern einheitlich umgesetzt werden würden. Schließlich, so der Verbandsvertreter, müsse auch der Zoll bei Importen – gerade aus asiatischen Ländern – strenger gegen gefälschte oder gefährliche Produkte vorgehen, um die Unternehmen zu entlasten.

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