Von Wladislaw Sankin
Im Jahr 2021 stellten NATO-Analysten öffentlich die These und Praxis der kognitiven Kriegsführung vor, die insbesondere die Idee eines Kampfes zur Kontrolle der kognitiven Prozesse der Mehrheit der Bevölkerung gegnerischer Länder vertrat. Demzufolge sollen die kognitiven Schläge zum Zweck der Manipulation die Gefühls- und Denkprozesse der Menschen beeinflussen. Demotivation, Angst und das Gefühl der Unsicherheit sollten verhindern, die auf eine Person niederprasselnden Informationen kritisch wahrzunehmen.
In diesem Ansatz kommt bei der Übermittlung von Informationen den sogenannten Meinungsführern als Generatoren oder Verstärker eine zentrale Bedeutung zu. Angewandt wird die sogenannte Hass-Rede (Hate-Speech). Zwar ist Hass-Rede mittlerweile ein Begriff aus dem Strafrecht, und eine abwertende Ansprache für eine ethnisch definierte Gruppe gehört zu deren häufigsten Erscheinungsformen. Also gilt Hass-Rede definitiv als etwas Schlechtes – jedenfalls dann, wenn sie gegen jene Gruppen angewandt wird, die im westlichen Politmainstream als schützenswert angesehen werden.
Die Russen gehören nicht mehr zu einer solchen Gruppe, im Gegenteil. Für antirussische Hass-Rede besteht jetzt große Nachfrage. Insbesondere wenn sie so medienwirksam vorgetragen wird, wie dies beim ukrainischen Präsidenten Wladimir Selenskij der Fall ist. Seine verbalen Ansprachen werden mehrfach täglich auf Internet-Plattformen, im Fernsehen, vor westlichen Parlamenten oder auch Universitäten verbreitet. Das macht Selenskij im Westen zum prominentesten Meinungsführer im Zusammenhang mit dem Ukraine-Konflikt.
Dieser Sachstand geht aus einer Studie des russischen analytischen Portals SONAR 2050 hervor. Die Arbeit wurde unter dem Titel "Inhaltsanalyse der Texte von Wladimir Selenskij aus dem Zeitraum März-Dezember 2022" auf einer Webseite des Projekts veröffentlicht. In der Präambel zur Studie wird der Begriff folgendermaßen definiert:
"Bei Hass-Rede geht es um Definitionen, Epitheta und Metaphern, die negative Emotionen und Aggressionen hervorrufen sollen."
Die charakteristischen Merkmale der Hass-Rede bestünden darin, dass ein falsches Bild des Objekts (hier der Russischen Föderation, von Putin oder den Russen) geschaffen wird. Die lexikalischen Instrumente seien dabei "harte Worte, Beleidigungen, lebhafte emotionale, abwertende, Neusprech und Witze, Vergleiche und Parallelen, z. B. mit Nazi-Deutschland".
Experten des Portals haben insgesamt 473 Texte von Wladimir Selenskij mit 107.000 Lexemen aus der Kategorie Schlüsselwörter und Töne analysiert. Die Analyse der am häufigsten benutzten Wörter zeigt, dass in den Texten von Selenskij vor allem das Mythologem des Krieges mit Russland als das absolute Böse auf der Welt gebildet wird.
In einer überwältigenden Anzahl von Texten werden Russland, die russische Armee und deren Oberbefehlshaber in einer stark negativen, beleidigenden Form zitiert. Es werden Fakten angeführt, die bereits als unwahr widerlegt wurden, schreiben die Analysten im Hinblick auf die Vorwürfe angeblich russischer Massaker in Butscha, Isjum und des vielfachen, opferreichen Beschusses durch die Ukrainer, wie etwa des Bahnhofs in Kramatorsk. In den Appellen an das westliche Publikum werden häufig Worte wie "Defizite" und "Kinder" verwendet, um die emotionale Wirkung auf das Publikum zu maximieren.
Der Autor der Studie Wiktor Drobek betonte in der auf Telegram aufgezeichneten Besprechung der Studie mit dem Leiter des Projekts SONAR 2050 Semjon Uralow, dass die Entmenschlichung aller Russen in der ukrainischen Gesellschaft durch die Behauptung des ukrainischen Präsidenten legitimiert werden solle, Russland sei das Übel der Welt, dessen Ziel darin bestünde, aller Welt völlig irrational nur Böses zuzufügen. So sagte Selenskij am 23. Juni:
"Heute wurde bekannt, dass ein weiteres Kind tot ist. Wegen russischen Beschusses ausgerechnet dort, im Donbass, in Lugansker Gebiet, geboren 2016. Es lebte in Lissitschansk, in einem gewöhnlichen Haus an der Moskau-Straße. Das sechsjährige Kind an der Moskau-Straße ist also ein Feind für die Russische Föderation. Wir haben mit dem absolut Bösen zu tun und wir haben keine andere Wahl als unser Territorium vom Besatzer zu befreien."
Die Entmenschlichung Russlands und seiner Bewohner wurzelt laut Semjon Uralow in der Politik der ukrainischen Medien, die seit Jahrzehnten über Russland entweder gar nicht oder nur Negatives berichteten. "Die Menschen haben Angst vor Unbekanntem und Unbegreiflichem. Russland wurde zu einem solchen Unbekannten. Wenn die Menschen davon bedroht sind, können sie es nur töten. Dafür ist die Hass-Rede auch da." Die Herabsenkung des Bildungsstandes und die Immobilität der Bevölkerung, die mehrheitlich niemals im Leben über die Grenzen ihrer Gebiete gereist sind, kommen Experten zufolge dem Erfolg dieser Propaganda als verstärkende Faktoren zugute.
Laut Drobek betrachtet Selenskij in seinen Reden Russland als eine von der Ukraine und ihren "Partnern" bereits besiegte Macht, seine Führung müsse deshalb nun schon ein internationales Tribunal erwarten. "Die Tatsache, dass ukrainische Truppen noch nicht in Moskau stehen, ist in diesem Weltbild nur ein kleines technisches Detail", merkt er ironisch an.
Als einen Erfolgsfall seiner Propaganda nannte der Experte die Bezeichnung Russlands als eines Terrorstaat. Bereits in März nannte Selenskij Russland so. Er verwendete diesen Begriff so beharrlich, bis Russland schließlich vom EU-Parlament und einer Reihe westlichen Länder durch Resolutionen als angeblicher Sponsor des Terrorismus bezeichnet wurde. Laut Uralow könnte diese Stigmatisierung aus moralischer Hinsicht von interessierten Beobachtern als Erfolg der Ukraine und moralische Niederlage Russlands angesehen werden. Dies sei ein klassischer Akt der kognitiven Kriegsführung, denn für Russlands Anhänger könnte dies eine demotivierende Wirkung haben und von Pro-Ukrainern als ein symbolischer Sieg angesehen werden.
Medienanalysten haben die häufigsten Wendungen in Hass-Rede als Zitate von Selenskij ausgewählt:
"Die Anerkennung Russlands als terroristischer Staat ist keine politische Geste, sondern eine wirksame Verteidigung der freien Welt."
"Mit gegenseitiger Hilfe werden wir diesen Winter und die Versuche Russlands, die Kälte gegen die Menschen zu nutzen, überstehen."
"Je eher nach unserem Sieg Frieden in der Ukraine einkehrt, desto weniger Zeit wird Russland haben, Unheil in andere Regionen zu bringen."
"Europa ist kein Ort, an dem russische Mörder und ihre Unterstützer spazieren gehen können."
"Russland mobilisiert diejenigen, die es dem Tod überlassen will. Wir mobilisieren die zivilisierte Welt. Um des Lebens willen."
"Ruhm der Ukraine!"
Jede Ansprache beendet Selenskij übrigens mit dem nationalistischen Slogan "Ruhm der Ukraine". Solche Abschiedsformeln vor dem Hintergrund der ständigen Herabsetzung, Beleidigung und Entmenschlichung von Russen könne deshalb als Nazi-Gruß angesehen werden, schlussfolgern die Analysten.
Politische Praxis wird laut Uralow dann nazistisch, wenn die physische Vernichtung politischer Gegner als ein legitimer, nicht mehr strafbarer Akt dargestellt wird. Dies sei in der Ukraine spätestens seit dem Massaker von Odessa 2014 und der Ermordung des prominenten kritischen Schriftstellers Oles Busina auf offener Straße der Fall. Sprache, die den Weg zur Tötung von Russen als Unmenschen öffnet, sei daher ein zweifellos nazistisches Instrument.
Trotz all dieser Widerwärtigkeiten in den Reden von Selenskij, die eigentlich schwer zu überhören sind, erfreut sich Selenskij in den westlichen Medien weiterhin großer Beliebtheit. Das könnte auch einigen geschickt gesetzten Akzenten zu verdanken sein. Überall – ob in der Kirche, in Parlamenten, an Universitäten oder in diversen Interviews – ist bei ihm stets von der heldenhaften Rolle seines Teils der "kleinen" Ukraine bei der Verteidigung der Zivilisation und der westlichen Werte gegen Russland die Rede. Damit wird der Mythos von David und Goliath bemüht und direkt auch so benannt, wobei Selenskij natürlich als heldenhafter David auftritt.
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