Mindestens eine Billion Euro hat es die EU bereits gekostet, Gas aus Russland zu ersetzen, rechnet die AgenturBloomberg vor. Nach Einschätzung der Agentur ist dieser Betrag vor allem durch die steigenden Gaspreise für Unternehmen und Verbraucher entstanden. Gleichzeitig weisen sie darauf hin, dass die Auswirkungen der großen Energiekrise gerade erst zu greifen beginnen, so die Agentur:
"Nach diesem Winter wird die Region ihre Gasreserven wieder auffüllen müssen, da es kaum oder gar keine Lieferungen aus Russland gibt, was den Wettbewerb um Tanker mit diesem Brennstoff verschärft. Selbst wenn mehr Anlagen für den Import von Flüssiggas in Betrieb genommen werden, wird der Markt voraussichtlich bis zum Jahr 2026 angespannt bleiben, wenn zusätzliche Produktionskapazitäten von den USA bis Katar verfügbar werden. Das bedeutet, dass die hohen Preise weiterhin anhalten werden."
Hierbei bezieht sich die Agentur auf Daten der Brüsseler Denkfabrik Bruegel, die feststellt: Die Regierungen konnten im Laufe dieser Krise den Unternehmen und Verbrauchern zwar mit mehr als 700 Milliarden Euro helfen, einen Großteil der Folgen abzufedern, doch der Ausnahmezustand könnte noch Jahre andauern. Die Experten der Denkfabrik warnen:
"Da die Zinssätze steigen und die Volkswirtschaften sich wahrscheinlich bereits in einer Rezession befinden, wird die Unterstützung, die den Schlag für Millionen von Haushalten und Unternehmen abgefedert hat, immer unerschwinglicher."
Die von der Agentur befragten Experten schätzen, dass es für die europäischen Regierungen im kommenden Jahr sehr schwierig werden wird, die Krise zu bewältigen, denn die fiskalische Kapazität der Regierungen ist bereits überlastet, so Bloomberg. "Etwa die Hälfte der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union hat eine Verschuldung, die über der von der EU festgelegten Grenze von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegt", betont die Agentur.
Ein großes Problem für die EU-Länder sei auch die Vorbereitung der Gasreserven für den nächsten Winter. Der Wettlauf um die Auffüllung der EU-Erdgasvorräte habe bereits begonnen, meint Bloomberg und nennt dabei China als Europas Hauptproblem:
"Die LNG-Importe nach Europa haben ein Rekordniveau erreicht und in Deutschland werden neue schwimmende Terminals zur Aufnahme des Brennstoffs eröffnet. Staatlich geförderte Käufe haben Europa geholfen, für China bestimmte Ladungen anzuziehen, aber das kältere Wetter in Asien und eine potenziell starke wirtschaftliche Erholung, nachdem Peking die COVID-Beschränkungen gelockert hat, könnten dies erschweren. Nach Angaben des Energy Economics Institute der China National Offshore Oil Corporation werden die chinesischen Gasimporte im Jahr 2023 voraussichtlich um sieben Prozent höher sein als in diesem Jahr. Das staatliche Unternehmen hat damit begonnen, LNG-Lieferungen für das nächste Jahr zu sichern und steht damit mit Europa in direktem Wettbewerb um Ersatzlieferungen."
Andere asiatische Länder bemühen sich ebenfalls, mehr Gas zu beschaffen. Japan erwägt zum Beispiel die Einrichtung einer strategischen Reserve, während die Regierung die Gaskäufe subventionieren will, berichtet Bloomberg. In der Folge werden die Energiepreise in Europa wahrscheinlich hartnäckig hoch bleiben und die Krise, die die europäischen Regierungen zu bewältigen haben, hat gerade erst begonnen, so die Agentur. Wie Jamie Rush, der Chefökonom für Europa bei Bloomberg Economics, feststellt, könnten die Importkosten der Energieträger in Europa künftig eventuell fünf Prozent des BIP erreichen. Dies würde die prognostizierte "leichte Rezession" in einen tiefen Abschwung verwandeln.
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