Bricht im Kosovo erneut der Krieg aus? Vučić: "Die schwersten Stunden meiner Amtszeit"

Die Lage im Kosovo eskaliert. Während der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell die im Norden der abtrünnigen Republik protestierenden Serben verbal angriff, sprach der serbische Präsident am Abend davon, das Land sei "an die Wand gedrängt". Es handele sich um die "schwersten Stunden seiner Amtszeit".

Der serbische Präsident Aleksandar Vučić hat in einer Ansprache an die Bevölkerung gesagt, er erlebe aktuell die schwersten Stunden in seiner Amtszeit als Präsident oder (zuvor) Regierungschef Serbiens. Man beobachte derzeit den Versuch, die "serbische Frage" mit Gewalt zu lösen, fuhr er fort und forderte die Bürger auf, "Ruhe zu bewahren": 

"Wir sind Zeugen eines Versuchs, die serbische Frage im Kosovo zu lösen, ich fordere die Serben auf, Ruhe zu bewahren."

Amerika habe in den letzten 23 Jahren aus dem Kosovo "ein Monster" gemacht, polemisierte Vučić. Serbien sei nun "an die Wand gedrängt" worden. Er verurteilte das Ansinnen der kosovarischen Regierung, die Bürgerproteste im mehrheitlich von Serben bewohnten Norden der abtrünnigen Republik mit Gewalt aufzulösen, und kritisierte den Westen für die einseitige Parteinahme: 

"Die Barrikaden wurden nicht von jemandem aus einer Laune heraus errichtet. Die Bürger protestierten gegen die Verhaftungen, die Misshandlungen von Menschen und die Nichtumsetzung der Brüsseler Vereinbarung. Unsere amerikanischen 'Partner' sollen uns sagen, welchen Rechtsakt sie und Priština respektieren."

Zuvor hatte die Regierungschefin Serbiens Ana Brnabić die EU scharf kritisiert. Die EU werde ihre gesamte Autorität und Glaubwürdigkeit verlieren, wenn sie weiterhin darauf bestehe, dass die Kosovo-Serben die Barrikaden entfernen, die inmitten der jüngsten Spannungen in der abtrünnigen Region errichtet wurden, sagte die Ministerpräsidentin am Sonntag. Der Spitzendiplomat der EU, Josep Borrell, hatte die Serben am Vormittag zur Räumung der Barrikaden aufgefordert und hinzugefügt, dass die EU "gewalttätige, kriminelle Handlungen im Norden" des Kosovo nicht dulden werde.

Ana Brnabić warf der EU dagegen vor, die Bedürfnisse der Kosovo-Serben zu vernachlässigen. Europäer schenkten ihnen nur dann Beachtung, "wenn sie auf den Barrikaden sind". Die Errichtung der Barrikaden sei nicht nur eine Demonstration von "Unzufriedenheit und Verzweiflung", sondern ein "Ruf nach Frieden und auch ein Ruf nach Maßnahmen [seitens] der internationalen Gemeinschaft", so Brnabić. Sie fügte hinzu:

"Die Menschen auf den Barrikaden bringen ihren Protest deutlich zum Ausdruck, und sie tun dies auf friedliche Weise. Die einzige Möglichkeit, sich Gehör zu verschaffen, sind leider die Barrikaden."

Hunderte von Serben errichteten am Samstag an zwei wichtigen Grenzübergängen im Norden des Kosovo Barrikaden, die Straßen blockierten und den Verkehr behinderten. Auslöser der Proteste war die Verhaftung eines ehemaligen Polizeibeamten, den Priština beschuldigt hatte, Patrouillen der kosovarischen Polizei angegriffen zu haben.

Die Spannungen in der Region waren durch die Entscheidung Prištinas, für den 18. Dezember vorgezogene Wahlen in den vier serbisch dominierten Gemeinden anzusetzen, erneut angeheizt worden. Die wichtigsten serbischen politischen Parteien kündigten daraufhin an, dass sie jegliche Abstimmung boykottieren würden. Als die Barrikaden errichtet wurden, kündigte die kosovarische Präsidentin Vjosa Osmani-Sadriu eine Verschiebung der Abstimmung auf April 2023 an.

Angesichts der hohen Spannungen wurde einigen Medienberichten zufolge eine "Blendgranate" auf ein Fahrzeug der EU-Mission (EULEX) geworfen, das im Norden des Kosovo patrouillieren sollte. Obwohl keine Verletzungen oder Schäden gemeldet wurden, löste der angebliche Vorfall eine wütende Reaktion Borrells aus:

"Die EU wird keine Angriffe auf EULEX ... oder gewalttätige, kriminelle Handlungen im Norden dulden",

schrieb er in einem Tweet und forderte, dass die Barrikaden in der Region "sofort von Gruppen von Kosovo-Serben entfernt werden".

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