Die Frage einer legalen Beschlagnahme russischer staatlicher und privater Vermögenswerte im Ausland wird seit Monaten von Vertretern der Europäischen Union erörtert. Der von der Staatengemeinschaft beabsichtigte Mechanismus ist jedoch nicht einfach anzuwenden, da in den meisten EU-Ländern die Beschlagnahme eingefrorener Vermögenswerte nur dann rechtlich möglich ist, wenn eine strafrechtliche Verurteilung vorliegt. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erklärte am Mittwoch in einer Stellungnahme:
"Kurzfristig könnten wir mit unseren Partnern eine Struktur schaffen, um diese Gelder zu verwalten und zu investieren. Die Erlöse würden wir dann für die Ukraine verwenden."
Von der Leyen fügte hinzu, dass die EU und ihre Verbündeten bisher 300 Milliarden Euro (über 310 Milliarden US-Dollar) an Devisenreserven der russischen Zentralbank blockiert und 19 Milliarden Euro an Vermögenswerten russischer Privatpersonen eingefroren hätten. Ende Oktober hatte EU-Justizkommissar Didier Reynders diesbezüglich gegenüber den Zeitungen der Funke Mediengruppe erklärt, dass bislang "das Vermögen von 90 Personen" in sieben EU-Mitgliedsstaaten, "davon 2,2 Milliarden Euro in Deutschland" eingefroren seien.
Moskau hatte bereits mehrmals die Beschlagnahmungen als rechtswidrig bezeichnet und erklärt, dass es sich dabei um Diebstahl handele.
Nach Aussage der Kommissionspräsidentin schlugen die EU-Gesetzgeber die Einrichtung eines von der UNO unterstützten Sondergerichtshofs vor, "um Russlands Verbrechen der Aggression zu untersuchen und zu verfolgen". Von der Leyen ergänzte:
"Wir werden mit unseren Partnern an einem internationalen Abkommen arbeiten, um dies zu ermöglichen. Und gemeinsam können wir legale Wege dazu finden."
Russland müsse "auch finanziell für die Verwüstungen, die es verursacht hat, aufkommen", so von der Leyen am Mittwoch. Nun sollen die Regierungen der jeweiligen Mitgliedsstaaten über mögliche Vorgehensweisen beraten, denn für die Umsetzung potenzieller Maßnahmen ist nicht Brüssel zuständig, sondern die Länder selbst. Die EU-Kommission soll den Mitgliedern demnach ein Papier mit verschiedenen Optionen vorgelegt haben.
Rechtlich jedoch gibt es laut Medienberichten erhebliche Zweifel am Ansinnen aus Brüssel, vor allem bezüglich des russischen Zentralbankvermögens. Laut einem Bericht des Handelsblatt sei selbst in einer internen Analyse von Rechtsexperten der EU-Kommission klargemacht worden, dass rechtliche Hürden hierfür hoch seien. So heißt es in dem Papier, das dem Handelsblatt vorliegt, dass die Zentralbankvermögen "gemeinhin als von der staatlichen Immunität gedeckt" gelten würden. Die Juristen würden dabei auf das internationale Gewohnheitsrecht und eine Konvention der Vereinten Nationen verweisen.
Anfang November hatte die EU-Kommission erklärt, dass sie einen "erheblichen Beitrag" zum Finanzbedarf Kiews für 2023 leisten wolle. In einer Erklärung der Behörde hieß es, ein neues Hilfspaket für die Ukraine in Höhe von bis zu 18 Milliarden Euro in Form von "langfristigen Darlehen zu sehr günstigen Konditionen" sei für das nächste Jahr geplant. Laut einer Berechnung des Internationalen Währungsfonds (IWF) benötigt Kiew 2023 mindestens drei Milliarden Euro pro Monat, um den Staatshaushalt zu stützen. Auch der Wirtschaftsberater des ukrainischen Präsidenten hatte jüngst bei einer Ukraine-Konferenz in Berlin von mehreren Milliarden US-Dollar pro Monat gesprochen, die wegen der schweren wirtschaftlichen Lage im Land benötigt werden.
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