Wird nun von der deutschen Presse die "Landser-Romantik" wieder bejubelt? Das fragten sich viele Leser, als am Donnerstag ein Beitrag des Tagesspiegels mit den Schilderungen eines deutschen Söldners in der Ukraine durch die sozialen Medien ging. Dieser wurde von der Zeitung mit der Äußerung des Soldaten "Das Töten fällt mir zunehmend leichter" überschrieben.
Der Journalist Alexander Wallasch fand dazu auf Twitter deutliche Worte:
"Es ist echt. Es ist der Tagesspiegel. Es ist kein Fake. Und wieder 150 junge Männer für den Krieg begeistert. Schande!"
Hunderte weitere Nutzer stimmten dem Twitterer zu. So schrieb etwa Roswitha Baltes:
"Ich kann das nicht mehr fassen. Da werden junge Menschen getötet, sie töten, zerstörte Leben. Und die westliche Presse jubelt? Es macht mich jeden Tag mehr fassungslos."
Nach dieser Kritik hat der Tagesspiegel den Titel des Artikels offenbar geändert. Nun heißt er "Ein deutscher Soldat im Ukraine-Krieg: 'Ich habe großes Glück gehabt, dass ich nicht gestorben bin'". Die alte Schlagzeile war aber im Webarchiv noch auffindbar.
Andere Zitate aus dem Mund des Soldaten wären allerdings auch eine Schlagzeile wert gewesen. Etwa die Aussage "Natürlich sehe ich, dass meine Feinde genauso Menschen sind wie ich" oder "Ich bin Soldat, aber ich lasse mich nicht für Selbstmordkommandos verheizen". Passend gewesen wäre auch die Äußerung:
"Ich habe das Ausmaß des Leidens unterschätzt."
Die Schilderungen des 20-jährigen "Ben" (Name geändert) aus einer kleinen Stadt in Sachsen sind voll von ungeschönten Geschichten aus dem Soldatenalltag, die es in dieser Deutlichkeit in den Medien selten zu lesen gibt. Er gehört zu denjenigen, die vom Soldatendasein trotz ständiger Lebensgefahr so angezogen sind, dass sie es nicht mehr loslassen können und von einem Krieg in den anderen ziehen. Seinen Kampf in der Ukraine werde er erst dann beenden, wenn "die Russen aufgeben".
Ben gehört zu den ersten ausländischen Söldnern, die dem Ruf Wladimir Selenskijs folgend noch in den ersten Tagen nach Beginn der russischen Militäroperation in der Ukraine eintrafen. Er nahm bereits an vielen schwierigen Operationen teil und gehört inzwischen einer Einheit der ukrainischen Sonderdienste an; die Fremdenlegion habe er verlassen.
Ihm zufolge würden die ausländischen Kämpfer bei der Erfüllung ihrer Aufgaben von der ukrainischen Militärführung im Stich gelassen. Von den 20 Soldaten seiner Einheit hätten nur zehn überlebt. Auch erzählte Ben, wie er und seine Kameraden bei der Erstürmung eines Dorfes acht russische Soldaten im Nahkampf erschossen. Zugleich war er mehrfach Zeuge davon, wie seine Kameraden starben. Einer beging Selbstmord, der andere, ein Niederländer, wurde in unmittelbarer Nähe von einer Granate getötet. Er selbst habe den heftigen russischen Beschuss nur knapp überlebt.
Der junge Deutsche betont, dass er nicht wegen des Geldes im Krieg sei. Die 3.000 Euro plus Zulagen, die er für seinen Job bekommt, seien eigentlich keine angemessene Entschädigung. Im friedlichen Leben in der Heimat fühle er sich nicht mehr wohl, auf seine Gleichaltrigen wirke er nach den Kriegserfahrungen reifer und älter.
Interessant waren auch die Schilderungen des Soldaten über seine Erfahrungen mit Einheimischen. In der Charkower Region, wo er häufig gekämpft hat, werde die ukrainische Armee nicht von allen unterstützt, viele hätten Informationen über die Stellungen der Kämpfer an die Russen weitergegeben. Andere wiederum waren ihnen dankbar und hätten sie als Befreier empfangen.
Die Schilderungen des jungen deutschen Soldaten in der Ukraine bestätigen aber in jedem Fall die russischen Berichte über die massenhafte Teilnahme ausländischer Söldner im Ukraine-Krieg. Die am häufigsten gesprochene Sprachen unter ihnen seien abgefangenen Funkgesprächen zufolge allerdings nicht Deutsch, sondern Polnisch und Englisch.
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