Obwohl Salaspils eigentlich nicht als reines Todeslager wie etwa Sobibór galt, war es de facto eines. In Salaspils wurden Kinder festgehalten, um sie als Blutspender für verwundete deutsche Soldaten einzusetzen, woran die kleinen Häftlinge dann schnell starben. Bis zu 7.000 sowjetische Kinder wurden in Salaspils ermordet.
Dieser grausame Ort befindet sich nur 20 Kilometer von der lettischen Hauptstadt Riga entfernt und wurde am 26. September 1944 von der Roten Armee befreit. Die lettischen Behörden verbreiten in den letzten Jahren ihre Version der Geschichte, wonach Salaspils lediglich ein Arbeitslager war – erdrückenden Beweisen zum Trotz. Die Behauptungen, das Lager sei ein KZ- oder Todeslager gewesen, erachten die lettischen Behörden als russische Propaganda.
Bereits vor wenigen Jahren wurde eine Ausstellung über die Verbrechen der Nazis und deren örtliche Kollaborateure in Salaspils verboten. Nun darf man auch an die Befreiung des Lagers nicht mehr öffentlich erinnern. Wie Sputnik mit Verweis auf die Russische Union Lettlands (RUL) berichtet, habe der Stadtrat eine Gedenkfeier zum Jahrestag der Befreiung untersagt.
Traditionell finden Ende September auf dem Gelände der Gedenkstätte Salaspils Veranstaltungen zum Gedenken an die KZ-Häftlinge statt. Sie werden zeitlich mit der Befreiung des Lagers zusammengelegt. In diesem Jahr hat der lettische Häftlingsverein "Erinnerung für die Zukunft" wie üblich die Veranstaltung für den 25. September angemeldet.
Am Freitag, den 23. September, erhielten die Organisatoren ein von der Exekutivdirektorin des Gemeinderats von Salaspils, Silvia Purini, unterzeichnetes Ablehnungsschreiben. Darin informiert sie darüber, dass das Ereignis verboten ist.
Wie RUL mitteilte, sei der Grund für die Ablehnung, dass "der Zeitpunkt des Treffens mit dem übereinstimmt, was die Ideologie des totalitären kommunistischen Besatzungsregimes der Sowjetunion während der Besetzung Lettlands als den Zeitpunkt definierte, an dem das Lager Salaspils angeblich 'von der Roten Armee befreit' wurde. Dies geht aus den Veröffentlichungen und der Geschichtsschreibung aus der Zeit der sowjetischen Besatzung sowie aus den zeitgenössischen kremlnahen Medien hervor".
Purini bezieht sich auf lettische Forscher, deren Meinung zu den Umständen der Auflösung des Lagers Salaspils von den Behauptungen der "sowjetischen Besatzung" abweicht.
Die Exekutivdirektorin verweist dabei auf Artikel 10 des "Gesetzes über Versammlungen, Aufmärsche und Mahnwachen", wonach es verboten ist, "Veranstaltungen zu popularisieren und zu verherrlichen, die nationalsozialistische und kommunistische Ideologie enthalten, einschließlich [...] Gedenktage für Schlachten und Siege [...] es sei denn, der Zweck der Veranstaltung besteht nicht in der Verherrlichung eines totalitären Regimes oder in der Rechtfertigung begangener Straftaten".
Aus der offiziellen Antwort des Gemeinderats geht hervor, dass der Opfer des Nazi-Konzentrationslagers in Salaspils nicht gedacht werden kann, weil dies die Rote Armee, das "sowjetische Besatzungsregime" und die kommunistische Ideologie fördert, merkten die Veranstalter dazu an.
Der russische Sicherheitsdienst FSB veröffentlichte zahlreiche Zeugenaussagen über die Grausamkeiten von Salaspils, die von den sowjetischen Ermittlern zeitnah nach der Befreiung gesammelt worden waren, darunter die Aussage des Zeugen K.A. Laugalaitis, eines ehemaligen Häftlings des Konzentrationslagers Salaspils (vernommen am 2. November 1944):
"Allein im März 1943 wurden 20.000 Sowjetbürger mit ihren Kindern sofort eingeliefert. Die SS nahm die Kinder sofort von ihren Eltern weg. Schreckliche Szenen spielten sich ab. Mütter wollten ihre Kinder nicht abgeben, deutsche und lettische Polizisten rissen ihnen buchstäblich die Kinder aus den Händen... Säuglinge und Kinder unter 5 Jahren wurden in einer separaten Baracke untergebracht, wo sie massenhaft starben. Allein innerhalb eines Jahres starben mehr als dreitausend Kinder auf diese Weise."
Das Gedenken an den Krieg, die Nazi-Verbrechen und die Befreiung durch die Rote Armee wird in Lettland wie auch in den anderen Staaten des Baltikums inzwischen auf vehemente Art und Weise bekämpft. Im August wurde in Riga trotz erbitterten Widerstands der russischen Minderheit und lettischer Antifaschisten der größte Denkmalkomplex zu Ehren der Befreier mittels Bagger und Sprengung vernichtet. Spektakuläre Bilder der Zerstörung wurden live im lettischen Fernsehen als Akt der Dekolonisierung übertragen. In Russland sorgte der Abriss als Akt des "staatlich geförderten Barbarentums" und "pro-nazistischen Geschichtsrevisionismus" für Entsetzen.
Mehr zum Thema –Lettland: Über 1.000 Teilnehmer nehmen an Europas einzigem Waffen-SS-Veteranenmarsch teil