Einwohner der armenischen Ortschaften Wardenis, Jermuk, Goris und Tatew meldeten am Dienstag kurz nach Mitternacht Explosionen, die auf Artillerie und den Einsatz von Drohnen zurückgeführt wurden. Armenien hat das benachbarte Aserbaidschan für den Angriff verantwortlich gemacht.
Nach Angaben lokaler Medien hat die Regierung in Jerewan eine Dringlichkeitssitzung einberufen, da entlang der gesamten armenisch-aserbaidschanischen Grenze Schüsse gefallen seien. Der armenische Premierminister Nikol Paschinjan sprach am Dienstag in den frühen Morgenstunden mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und dem französischen Staatschef Emmanuel Macron. In getrennten Telefonaten informierte Paschinjan Putin und Macron über die "provokativen, aggressiven Aktionen der aserbaidschanischen Streitkräfte gegen das souveräne Territorium Armeniens, die um Mitternacht begannen", und "betonte die Bedeutung einer angemessenen Reaktion der internationalen Gemeinschaft", heißt es in einer Erklärung der Regierung in Jerewan.
Das armenische Verteidigungsministerium teilte mit, aserbaidschanische Truppen hätten armenische Stellungen mit Artillerie und großkalibrigen Waffen angegriffen. Auch Kampfdrohnen seien im Einsatz gewesen. Angeblich sei auch eine in der Türkei hergestellte Bayraktar-Drohne über Wardenis abgeschossen worden. Die Ortschaft liegt im Norden Armeniens und grenzt nicht an die umstrittene Region Bergkarabach. Die armenischen Truppen hätten "eine angemessene Antwort" gegeben, heißt es weiter aus Jerewan.
Die Regierung von Aserbaidschan erklärte, Armenien habe mit "umfassenden Provokationen" gegen die aserbaidschanischen Streitkräfte begonnen, die mit "intensivem Feuer" auf armenische Stellungen reagiert hätten.
Das Verteidigungsministerium in Baku beschuldigte armenische "Sabotageteams" Straßen zu verminen und Stellungen der aserbaidschanischen Armee in der Nähe von Basarkechar, Istisu, Garakilsa und Gorus auf der aserbaidschanischen Seite der Grenze mit Mörsergranaten zu beschießen, was zu "Verlusten beim Personal und Schäden an der militärischen Infrastruktur" geführt habe. Aserbaidschan erklärte außerdem, dass auch die armenischen Streitkräfte Verluste erlitten hätten, sowohl beim Personal als auch bei der militärischen Ausrüstung.
Die Zusammenstöße vom Dienstagmorgen stellen eine erhebliche Zuspitzung der Spannungen zwischen den beiden Kaukasusländern dar. Aserbaidschan griff Anfang August Bergkarabach an, nachdem es Armenien beschuldigt hatte, den Waffenstillstand von 2020 zu verletzen. Baku forderte die vollständige "Entmilitarisierung" des von ethnischen Armeniern bewohnten Gebiets – was Russland, das den Waffenstillstand garantiert, verurteilte.
Bergkarabach ist international als Teil von Aserbaidschan anerkannt. Die Region hat jedoch eine überwiegend armenische Bevölkerung und strebte in den 1990er-Jahren die Unabhängigkeit von Baku an. Seitdem ist sie de facto selbstverwaltet und wird von Armenien unterstützt.
Im Jahr 2020 hatten sich Baku und Jerewan einen 44 Tage andauernden Krieg um die umstrittene Region geliefert, der mit einem von Russland vermittelten Waffenstillstand endete, in dessen Folge russische Friedenstruppen nach Bergkarabach entsandt wurden. Die Einigung sah vor, dass die Hälfte von Bergkarabach von Armeniern bewohnt und von russischen Friedenstruppen geschützt wird, während alle anderen Gebiete, die zuvor von Jerewan kontrolliert worden waren, wieder an Baku abgetreten werden.
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