Seit den letzten Monaten wird die politische Klasse Moldawiens von einer Reihe von Skandalen erschüttert, die mit den Versuchen der prowestlichen Regierung der osteuropäischen Republik zusammenhängen, die oppositionelle Tätigkeit im Land größtmöglich zu unterdrücken. Die politische Gruppierung, die jetzt im Land an der Macht ist, übernahm ihren Integrationskurs mit der Europäischen Union und ihre Russophobie von Wladimir "Vlad" Plahotniuc, dem ehemaligen ersten Vizevorsitzenden des Parlaments, zugleich dem reichsten Menschen Moldawiens und dem Gründer eines verzweigten kriminellen Clansystems. Obwohl sich die neue moldawische Führung mit Präsidentin Maia Sandu an der Spitze in Worten zur Demokratie bekennt, setzt sie faktisch den Kurs des aus dem Land verbannten Plahotniuc fort, wobei das auf Vetternwirtschaft und Bestechlichkeit fußende Verwaltungssystem lebt und weiterhin erstarkt. Der russische Auslandssender RT ist durch investigativen Journalismus auf Interna gestoßen, wer jetzt die "neue Politik" von Chișinău bestimmt.
Im Jahr 2020 verlor der damals amtierende Staatschef Igor Dodon, Kandidat der Partei der Sozialisten (PSRM), die Präsidentschaftswahl gegen seine Hauptrivalin Maia Sandu. Der Sieg der Vertreterin der Partei der Aktion und Solidarität (PAS) markierte eine einschneidende politische Wende – sowohl in der Außenpolitik als auch in den inneren Angelegenheiten des Landes. Die neue Staatsführung nahm Kurs auf eine gewaltsame Unterdrückung der Oppositionsparteien und eine strafrechtliche Verfolgung von deren Führungen.
Wegweisend wurde der strafrechtliche Prozess gegen den wichtigsten politischen Herausforderer Sandus – nämlich den ehemaligen sozialistischen Präsidenten Dodon, den man beschuldigte, seine Amtsbefugnisse überschritten zu haben, und den man daher unter Hausarrest stellte. Dodon selbst erklärte, dass die jetzigen moldawischen Behörden ihn und Vertreter einiger anderer Oppositionskräfte aus politischen Gründen verfolgen. In einem Interview sagte er:
"Die Methoden dieses antinationalen Regimes haben mit den Grundsätzen eines Rechtsstaates nicht gemeinsam und sind inzwischen zur Staatspolitik geworden: die Verfolgung von Politikern, die sich einer gewissen Unterstützung erfreuen, und deren Isolierung von der Gesellschaft mit dem Ziel, sie an ihrer Tätigkeit zu hindern. Dies wird nicht lange dauern. Jede Diktatur hat ein Ende."
Außer Dodon gerieten unter die Räder der Repressionsmaschinerie der jetzigen moldawischen Behörden auch Vertreter anderer politischer Organisationen. So wurde Marina Tauber, Parlamentsabgeordnete der Partei Șor, festgenommen. Am 21. Juli wurde ihr die Immunität entzogen. Ihr Büro wurde durchsucht. Später wurde die Politikerin verhaftet und in Untersuchungshaft gesetzt.
Offiziell wird Tauber verdächtigt, einen Bericht über das finanzielle Management der Partei Șor frisiert zu haben. Ihre Partei soll von einer Gruppe der organisierten Kriminalität finanziert worden sein. Dagegen finden in der moldawischen Hauptstadt Chișinău Kundgebungen von Anhängern der Partei statt, die die Befreiung aller politischen Gefangenen fordern.
Verdächtiges Diplom
Vor dem Hintergrund der politischen und Korruptionsskandale, die momentan das osteuropäische Land erschüttern, lohnt es sich, einen Blick auf das Umfeld der Präsidentin Sandu zu werfen, insbesondere auf Amtspersonen im Sicherheitswesen, – zum Beispiel auf Dorin Recean, den Sandu Anfang dieses Jahres zu ihrem Berater in Angelegenheiten der Verteidigung und der nationalen Sicherheit sowie zum Sekretär des Obersten Sicherheitsrates ernannt hat.
Recean hatte von 2012 bis 2015 das moldawische Innenministerium geleitet, nachdem er dieses Amt aufgrund der Quote der Liberaldemokratischen Partei (PLDM) erhalten hatte. Zu jeder Zeit war Sandu Bildungsministerin im Kabinett von Wladimir "Vlad" Filat, der später wegen millionenschwerer Bestechungen, Gelderpressung und Beteiligung an der Entwendung von einer Milliarde US-Dollar aus dem Bankwesen der Republik zu neun Jahren Gefängnis verurteilt werden sollte.
Eigentlich hatte Recean davor beruflich nichts mit dem Sicherheitswesen zu tun. Er war nämlich Mitgründer des Unternehmens US Food Network SRL, dem in Moldawien die Schnellrestaurantkette KFC gehört, und seine Ernennung war ausschließlich politisch motiviert.
Laut moldawischen Medien soll Receans Hochschuldiplom eine Fälschung sein. So behauptet unter anderem der Leiter der moldawischen Bewegung Anti-Mafia, Sergiu Mocanu, dass Recean sein Abschlusszeugnis bei der belgischen Filiale der US-amerikanischen Christopher Newport University gekauft habe. Ihm zufolge habe diese Tatsache der grauen Eminenz der moldawischen Politik, Plahotniuc, die Möglichkeit gegeben, den Innenminister zu erpressen.
Korruptionsverdächtiger Generalstaatsanwalt
Eine weitere wichtige Person im "Sicherheitsumfeld" von Präsidentin Sandu ist der interimistische Generalstaatsanwalt Dumitru Robu. Sein Vorgänger Alexandru Stoianoglo wurde von seinem Amt suspendiert und wegen Bestechlichkeit und Beteiligung an der kriminellen Operation "Laundromat" (auf Deutsch "Waschsalon") verhaftet, als man mehrere Milliarden US-Dollar aus Russland über moldawische Geldhäuser illegal ins Ausland transferiert hatte. Dabei behauptete Stoianoglo kurz vor seiner Suspendierung und Verhaftung, die Regierungspartei PAS wolle ihn beseitigen. Hinter seiner illegalen Verfolgung stehe nämlich Viorel Morari, der damals die Staatsanwaltschaft für Korruptionsbekämpfung leitete. Dieser habe mit dem Berater für Angelegenheiten der Rechtssicherheitsorgane im Kabinett von Ministerpräsidentin Sandu, Vladimir Gavriliţa, eng kommuniziert. Die beiden hätten in ihrer Kommunikation Einzelheiten zur Diskreditierung eines der Kandidaten für das Amt des Generalstaatsanwalts – Veaceslav Soltan – erörtert. An der von Stoianoglo erwähnten Kommunikation habe sich darüber hinaus der damalige Generalsekretär der Regierung, Andrei Spînu, beteiligt, der momentan das Amt des Infrastruktur-Ministers bekleidet und somit Vizeministerpräsident Moldawiens ist.
Im Amt des interimistischen Generalstaatsanwalts beteiligte sich Robu aktiv an der strafrechtlichen Verfolgung der politischen Opponenten der moldawischen Staatsführung. Korruptionsskandale entstanden dabei auch rund um Robu selbst. So sickerte im vergangenen Jahr in den moldawischen Medien ein Video durch, auf dem zu sehen war, wie Robu eine größere Summe Geld erhielt. Das Video wurde mit dem Text begleitet, wonach Robu noch im Amt des stellvertretenden Staatsanwalts von Chișinău von einer Amtsperson eine Bestechungssumme erhalten hätte, um einen Korruptionsprozess zu beeinflussen. Der interimistische Generalstaatsanwalt musste eine Gegenerklärung abgeben, wobei er behauptete, dass es sich dabei um kein Schmiergeld, sondern um den Kauf eines Autos für einen seiner Verwandten gehandelt habe.
Ein weiterer mutmaßlicher Korruptionsfall, dessen man Robu verdächtigte, tauchte nach einer Beschwerde auf, die Sorin Stati, Ex-Direktor des staatlichen Unternehmens Moldavian Air Traffic Services Authority (MoldATSA), bei dem Obersten Rat der Staatsanwälte Moldawiens einreichte. Stati behauptete, dass Robu am Anfang seiner Laufbahn im Amt des Staatsanwalts der Staatsanwaltschaft für Verkehrswesen gegen Entgelt Strafsachen anstrengte oder auch fallen ließ. Wie dem auch sei, Statis Beschwerde wurde letztendlich abgewiesen.
Importierter Amtsträger
Wie bereits erwähnt, spielt die Staatsanwaltschaft für Korruptionsbekämpfung in den innenpolitischen Konstellationen der osteuropäischen Republik eine wichtige Rolle. Umso wichtiger ist es, einen Blick darauf zu werfen, wer diese Behörde leitet. Zur Leiterin dieses Sonderressorts der Generalstaatsanwaltschaft Moldawiens wurde Anfang August Veronica Dragalin ernannt. Sie ist ein Paradebeispiel einer aus dem Westen importierten Amtsperson. Die Familie der wichtigsten Staatsanwältin für Korruptionsbekämpfung Moldawiens hatte vor mehreren Jahren das Land verlassen und sich in den USA niedergelassen. Im Jahr 2011 absolvierte Dragalin die Juristische Fakultät der University of Virginia und arbeitete bis zuletzt in den USA als Assistentin der Staatsanwaltschaft im Ressort für Korruptionsbekämpfung und Bürgerrechte.
Moldawische Medien und Experten sind allerdings der Meinung, dass Dragalin diese steile Berufskarriere in ihrem Heimatland nicht ihren juristischen Talenten, sondern den Verbindungen ihrer Mutter zum örtlichen politischen Establishment zu verdanken habe. Dragalins Mutter heißt Elena und leitet die Organisation Moldova-AID, die jedes Jahr den traditionellen moldawisch-amerikanischen Kongress Convenția Moldo-Americană (CMA) veranstaltet. Diese Plattform vereint Vertreter von staatlichen Institutionen der beiden Länder und Menschen aus Moldawien, die in den USA leben. Moldawischen Experten zufolge gehöre Dragalins Mutter zu finanziellen Spendern von Sandus Partei PAS.
Brutmaschine für Korruption
Im Gespräch mit RT sagte Alexei Martynow, Direktor des Instituts für neueste Staaten, dass der moldawische Oligarch Plahotniuc alias Plochisch (auf Deutsch so gut wie Bösewicht) nach wie vor einen wesentlichen Einfluss auf die moldawische Politik ausübe. Der Politologe erklärte in diesem Zusammenhang:
"Ja, Plahotniuc übt seinen Einfluss zweifellos weiterhin aus, soweit dies in seiner jetzigen Situation überhaupt möglich ist. Dies betrifft sowohl die Situation nach seiner Verbannung, als Plachotnjuk über eine Ministerpräsidentin und einen Parlamentsvorsitzenden verfügt hat, die ihm willfährig waren, als auch die Bildung der neuen Mehrheit für Sandu nach der Niederlage Dodons und den vorgezogenen Parlamentswahlen im vergangenen Jahr. Plochisch hat diese politische Klasse ins Leben gerufen. Das ist sein System, und aus dieser politischen Brutmaschine schlüpfen ganz bestimmte Menschentypen."
Der Experte verwies außerdem darauf, dass Abgeordnete der Demokratischen Partei (PDM) teilweise in die von Sandu gegründete Partei PAS übergewechselt waren.
"Ein Teil von Abgeordneten der Demokratischen Partei von Plahotniuc sind in der Tat zu Sandu übergewechselt. Jemand hat in anderen Fraktionen Platz gefunden. Tatsächlich sind sie aber alle Schauspieler, deren Rollen von Plahotniuc festgelegt sind. Dabei muss man begreifen, dass das von ihm geschaffene System ins Wanken geraten ist, da der prowestliche Vektor zu stark geworden ist. Alle jüngsten Säuberungen auf dem politischen Feld, darunter die Verfolgung Dodons, belegen dies augenscheinlich."
In Bezug auf die Korruptionskomponente in der moldawischen Politik sagte der Experte, dass das jetzige politische Regime im Land von Clans und Oligarchen geprägt werde.
"Selbst wenn man über den Fall Veronica Dragalin spricht, so bemerkt man diese Clan-Verhältnisse: Sie ist einfach eine Freundin Sandus. Als die jetzige Präsidentin Moldawiens in der Weltbank in Washington gearbeitet und sich mit bestimmten postsowjetischen Projekten beschäftigt hat, war Dragalin immer irgendwo an ihrer Seite, in ihrer Nähe."
Diese Günstlingswirtschaft sei für das politische System Moldawiens typisch, resümierte der Experte im Gespräch mit RT.
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